Europäische Impfwoche

Weniger Impfungen wegen der Coronakrise

Stuttgart - 22.04.2020, 10:59 Uhr

Im Januar 2020 wurde in Afghanistan eine Impfkampagne gegen Polio gestartet. ( r / Foto: imago images / Xinhua)

Im Januar 2020 wurde in Afghanistan eine Impfkampagne gegen Polio gestartet. ( r / Foto: imago images / Xinhua)


In der Coronakrise werden bei Erwachsenen und Kindern möglicherweise weniger Impfungen durchgeführt. Eine Befragung von 1000 Menschen in Deutschland ergab, dass 30 Prozent der 132 geplanten Impfungen bei Erwachsenen und 35 Prozent der 75 geplanten Impfungen bei Kindern abgesagt wurden. In Pakistan haben Millionen Kinder in diesem Monat wegen der Corona-Restriktionen keine Impfung gegen Polio erhalten.

Millionen Kinder haben in Pakistan in diesem Monat wegen der Corona-Restriktionen keine Impfung gegen Polio erhalten, das meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am vergangenen Dienstag. „Wir mussten die für April geplante landesweite Impfkampagne gegen Polio wegen der Sperrung des Coronavirus absagen“, sagte ein Vertreter der Impfkampagne der dpa. Er schätzt, dass nun rund 40 Millionen Impfungen fehlen. Die Kampagne sei zudem bis Juni ausgesetzt. In diesem Jahr wurden in dem südasiatischen Land bisher 41 Fälle mit Polio bestätigt.

Pakistan startete 1994 ein Programm zur Bekämpfung der Kinderlähmung. Die Krankheit ist in den allermeisten Ländern der Welt ausgerottet. Pakistan ist laut der Global Polio Eradication Initiative neben Afghanistan und Nigeria das einzige Land, in dem Erkrankungen mit dem Wildtyp der Polioviren drohen. Polio kann das zentrale Nervensystem befallen und in Einzelfällen zu dauerhaften Lähmungen führen. Immer wieder werden Impfkampagnen in Pakistan von gewaltsamen Zwischenfällen überschattet.

Deutschland: Impfquoten könnten allgemein sinken

Bereits vergangenen Freitag berichtete die dpa, dass in der Corona-Krise bei Erwachsenen und Kindern auch in Deutschland möglicherweise weniger Impfungen durchgeführt werden. Eine Befragung von 1000 Menschen im Auftrag eines Konsortiums, zu dem auch das Robert Koch-Institut (RKI) gehört, habe ergeben, dass 30 Prozent der 132 geplanten Impfungen bei Erwachsenen und 35 Prozent der 75 geplanten Impfungen bei Kindern abgesagt wurden. Abgesagt hätten sowohl Patienten als auch Ärzte, sagte die Leiterin des „Covid-19 Snapshot Monitoring“ (Cosmo), Cornelia Betsch von der Universität Erfurt, am Freitag. Sie sei wegen dieser Zahlen „einigermaßen erschrocken“.

Nur ungefähr die Hälfte der geplanten Impfungen wurde demnach in den vergangenen sechs Wochen wie geplant durchgeführt. Die Wissenschaftler raten nun zum Vergleich mit Abrechnungsdaten: „Sollte sich diese Tendenz dort spiegeln, besteht dringender Handlungsbedarf“, hieß es in einer Mitteilung der Uni Erfurt.

79 Prozent hätten derzeit gerne eine Impfung gegen Corona

Seit Anfang März werden in dem Querschnitt-Monitoring pro Woche rund 1000 Menschen online zu ihren Wahrnehmungen in der Pandemie befragt. Erstmals wurde nun auch die Impfabsicht erfragt, wenn es einen effektiven und sicheren Impfstoff gegen Corona gäbe: 79 Prozent hätten derzeit gerne eine Impfung, sagte Betsch. Darunter seien vor allem ältere Menschen und Männer. Sie schließt aus den Ergebnissen, dass die Risikogruppen verstanden hätten, dass sie Risikogruppen sind.

Generell ist die Risikowahrnehmung in der Bevölkerung Betsch zufolge nicht mehr ganz so hoch wie noch zum Zeitpunkt, als die Maßnahmen angezogen wurden. Angst und Sorge seien wie ein Muskel – man könne ihn nicht dauerhaft anspannen, sagte die Expertin für Gesundheitskommunikation. Die Entwicklung sei insofern ein natürlicher Prozess. Hinzu komme noch die psychologische Schwierigkeit, dass es für das eigene Verhalten – das Einhalten der Maßnahmen – kein sofortiges Feedback gebe, etwa in den Fallzahlen.

Organisation warnt vor weniger Masern-Impfungen durch Covid-19

Die Corona-Krise könnte nach Ansicht der Masern- und Röteln-Initiative auch den Kampf gegen die Masern beeinflussen. Das berichtete die dpa schon am Dienstag der vergangenen Woche. Mehr als 117 Millionen Kinder in 37 Ländern könnten eine Impfung gegen die hochansteckende Infektionskrankheit verpassen, teilte die Initiative mit, die unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Unicef und dem Amerikanischen Roten Kreuz unterstützt wird. In 24 Ländern gebe es mit Impfkampagnen bereits Probleme. Die Masern- und Röteln-Initiative ruft die Staaten daher dazu auf, die Impfstoffe verstärkt nachzuhalten, „damit den Verletzlichsten der Bevölkerung eine Masernimpfung zukommt, sobald das wieder möglich ist.“

Impfkampagnen nein, Routine-Impfservice ja?

Die WHO empfiehlt, die Risiken abzuwägen, und Impfkampagnen vorübergehend dort auszusetzen, wo es derzeit keine aktiven Ausbrüche von entsprechenden Krankheiten gibt. Die Masern- und Röteln-Initiative unterstützt diese Empfehlung. „Wir dringen gleichzeitig darauf, dass die Länder ihren Routine-Impfservice weiter aufrecht halten und dabei die Sicherheit der Gemeinschaften sowie des Gesundheitspersonals sicherstellen.“

Europäische Impfwoche 2020 (EIW) findet vom 20. bis zum 26. April statt.

Durch die Sensibilisierung von Eltern und Betreuern, Gesundheitsberufen, politischen Entscheidungsträgern und Medien für die Bedeutung von Impfungen sollen höhere Durchimpfungsraten erreicht werden. Das WHO-Regionalbüro für Europa hat die Federführung für die EIW inne. Die Durchführung wird von einer Reihe von Partnern unterstützt, zu denen das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gehören.

Laut einer Schätzung der WHO sind 2018 mehr als 140.000 Menschen an den Masern gestorben. Zudem gab es laut der UN-Organisation geschätzt knapp 9,8 Millionen Masernfälle. Besonders problematisch war die Situation zuletzt im Kongo.

In Deutschland wurden im Jahr 2018 nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 528 Masern-Fälle gezählt. Die Zahl schwankt in Deutschland von Jahr zu Jahr stark. Laut RKI gab es in den zehn Jahren bis 2018 zwischen 165 und 2465 Fälle pro Jahr.



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