Herzrhythmusstörungen

Brasilianische Studie stoppt Hochdosis-Gabe von Chloroquin

Remagen - 16.04.2020, 14:00 Uhr

In Brasilien wurde eine Studie an COVID-19-Patienten mit Chloroquin gestoppt, weil einige von ihnen gefährliche Herzrhythmusstörungen bekamen. (Foto: imago images / Panthermedia)

In Brasilien wurde eine Studie an COVID-19-Patienten mit Chloroquin gestoppt, weil einige von ihnen gefährliche Herzrhythmusstörungen bekamen. (Foto: imago images / Panthermedia)


In einer brasilianischen Studie mit Chloroquin haben hospitalisierte COVID-19-Patienten, die hohe Dosen Hydoxychloroquin erhielten, gefährliche Herzrhythmusstörungen bekommen. Die Forscher haben den Arm der Studie deshalb zugunsten einer niedrigeren Dosis abgebrochen.

Eine brasilianische Studie, die das Malariamedikament Chloroquin an COVID-19 testet, musste bei einer Gruppe von Hochdosis-Patienten frühzeitig abgebrochen werden, nachdem einige in dieser Gruppe gefährliche Herzrhythmusstörungen entwickelt hatten. In der doppelblinden randomisierten, adaptiven, zweiarmige Phase IIb-Studie (CloroCOVID19, NCT04323527) bekommen die Patienten in einem Arm zweimal täglich 600 mg Hydroxychloroquin über zehn Tage (hohe Dosis) und in dem anderen Arm einmal täglich 450 mg über fünf Tage mit einer Doppeldosis an Tag 1 und danach Placebo. Die Studie wurde am 23. März 2020 in einem Krankenhaus in Manaus gestartet. Sie soll am 31. August 2020 abgeschlossen werden. Primärer Zielparameter ist die Gesamtsterblichkeit am Tag 28 nach der ersten Dosis.

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Insgesamt sollten 440 Personen in die Studie eingeschrieben werden. Nach der Registrierung von nur 81 Patienten sahen die brasilianischen Forscher jedoch bereits auffällig Befunde. Innerhalb von drei Behandlungstagen gab es in der Hochdosisgruppe mehr Patienten mit Herzrhythmusstörungen als in der anderen Gruppe. Zwei Personen in der Hochdosis-Gruppe entwickelten eine Kammertachykardie, bevor sie starben.

Daraufhin wurde der Hochdosis-Arm der Studie sofort gestoppt, und alle Patienten aus diesem Arm wurden der niedrigeren Dosis zugeteilt, für die auch weitere Studienteilnehmer rekrutiert werden sollen. Alle Patienten in der Studie hatten neben Hydroxychloroquin zusätzlich Azithromycin erhalten, das ebenfalls Herzrhythmusstörungen begünstigen soll.

In ihrem Papier, das am 11. April in der Vor-Druck-Datenbank medRxiv veröffentlicht wurde und noch nicht in einer Fachzeitschrift erschienen ist, warnen die brasilianischen Forscher nun davor, hohe Dosen (zweimal täglich 600 mg) für COVID-19-Patienten zu verwenden. Damit sollen weitere unnötige Todesfälle vermieden werden.

Problem auch in französischer Studie

Nach einem Bericht in Newsweek soll eine experimentelle Behandlung mit Hydroxychloroquin im Universitätsklinikum in Nizza (CHU) zu ähnlichen Komplikationen geführt haben. Das Klinikum ist in die DISCOVERY-Studie einbezogen, in der vier verschiedene Behandlungsansätze für COVID-19, darunter auch Hydroxychloroquin, geprüft werden.

In einem Interview mit der französischen Tageszeitung Nice-Matin gab Emile Ferrari, Leiter der Kardiologie an dem zur CHU gehörigen Pasteur-Krankenhaus, an, dass einige Patienten die Behandlung wegen des Risikos von Herzrhythmusstörungen hätten abbrechen müssen. Nach Ferraris Einschätzung stellt Hydroxychloroquin allein nur ein geringes Herzrisiko dar. Das Risiko erhöht sich seiner Meinung zufolge aber, wenn daneben noch das Antibiotikum Azithromycin gegeben wird. Für einige Patienten, die mit diesen Medikamenten behandelt werden, sei das Arzneimittel schädlicher als die Krankheit selbst, stellt Ferrari fest. Die neuen Beobachtungen sind durchaus bedeutsam, denn die Kombination wird aktuell in zahlreichen weiteren COVID-19-Studien erprobt.

BfArM weist ebenfalls auf das Risiko hin

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat auf seiner Webseite Hinweise zu individuellen Heilversuchen mit Hydroxychloroquin bei stationär behandelten Patienten mit COVID-19 veröffentlicht. Die Behörde betont, dass derzeit keine Belege zur Wirksamkeit und Sicherheit von Hydroxychloroquin für die Behandlung von COVID-19 aus prospektiven randomisierten kontrollierten klinischen Prüfungen vorliegen. Die gegenwärtig verfügbaren Daten basierten im Wesentlichen auf In-vitro-Untersuchungen und Fall-Kontroll-Studien. Der Wissensstand sei noch sehr limitiert und im stetigen Wandel.

Nach den aktuell verfügbaren Publikationen würden hierfür zumeist Tagesdosen von 400 bis 600 mg Hydroxychloroquin eingesetzt (tgl. Erhaltungsdosis). Zur schnelleren Sättigung sähen einige Behandlungsprotokolle die Gabe von zweimal 400 mg an Tag 1 vor. Die Behandlungsdauer bei COVID-19 werde unterschiedlich berichtet und betrage zwischen fünf und zehn Tagen.

Nicht zusammen mit Azithromycin

Das BfArM mahnt zur Vorsicht bei Anwendung von Hydroxychloroquin bei Patienten mit Verlängerung des QT-Intervalls und mit bekannten Risikofaktoren dafür, wie Herzerkrankungen, Bradykardie oder ventrikuläre Arrhythmien in der Vorgeschichte. Als weiterer Risikofaktor wird die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern, angeführt (z.B. bestimmte Antiarrhythmika, trizyklische Antidepressiva, Antipsychotika, bestimmte antimikrobielle Wirkstoffe). Die gleichzeitige Gabe mit Azithromycin bei COVID-19 sei zwar in der Literatur beschrieben, die Wirksamkeit der Kombination aber bislang nicht belegt. Da beide Arzneimittel zur Verlängerung des QT-Intervalls führen können, rät das BfArM von der gemeinsamen Anwendung ab.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Dosis

von Wilhelm Herdering, Dr am 17.04.2020 um 12:33 Uhr

Eine Tablette Resochin enthält 250 mg des Chloroquin Diphosphats.
An reiner Chloroquin Base sind darin rd 150 mg enthalten.
Die Angabe 2x 600 mg deutet darauf hin, dass täglich 8 Tabletten a 250 mg Chloroquin Diphosphat gegeben wurden.
Wenn diese Menge in einer Situation einer schweren Lungenentzündung in Kombination mit einem Medikament wie dem Azithromycin gegeben wird, dann ist das wohl definitiv zu viel.
Nicht der gesamte Versuch wurde gestoppt sondern nur der Arm mit der höheren Dosierung.
In Hamburg bei Frau Prof. Addo am UKE wird nicht Chloroquin sondern Hydroxchloroquin (HC) verwendet. Wenn die dortige Dosierung wie bei einem in den USA laufenden Versuch mit HC erfolgt, dann verwendet man eine Gesamtdosis an fünf Tagen, die gegen eine akute Malaria Erkrankung an vier Tagen gegeben wird.
Man darf auf das Ergebnis gespannt sein.
Letzte Woche äußerte sich Frau Prof. Addo als zufrieden mit dem Versuchen, in denen auch Remdesivir getestet wird.
Ich warte noch auf einen Versuch, der sich zum Ziel setzt, die Covid Lungenentzündung zu verhindern, statt sie zu behandeln zu müssen.

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AW: Dosirung von Chloroquin Diphosphat bzw. reiner Chloroquin Base

von Dr. Wilhelm Herdering am 18.04.2020 um 9:19 Uhr

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7102614/

Im Betrag zu obigem Zitat wird etwas zur Empfehlung aus China bezüglich der Dosierung von Chloroquin Diphosphat bei der Covid-19 Lungenentzündung gesagt:
Zweimal 500 mg pro Tag, maximal 10 Tage.
(damit pro Tag 2 x2 Tabletten a 250 mg Chloroquin Diphosphat gleich 2 x 300 mg an reiner Base).
Mit der Empfehlung aus China von 2 x 500 mg kann nur Chloroquin Diphosphat gemeint sein.
Denn eine Tablette Resochin enthält davon genau 250 mg, enspricht je Tablette rd. 150 mg an reiner Base.

Wenn man in Manaus zweimal 600 mg pro Tag gegeben hat, hat man insgesamt 1.2 g reine Chloroquinbase pro Tag gegeben, also 8 Tabletten je 150 mg reiner Base im Behandlungsarm mit der höheren Dosierung, also 8 Tabletten je 250 mg Chloroquin Diphosphat.
Selbst im Arm mit der niedrigeren Dosierung mit 450 mg reiner Base, 3 Tabletten je 150 mg zweimal am Tag, hat man 50 % mehr an reinem Chloroquin verabreicht als in China empfohlen.


Genau

von Reinhard rodiger am 16.04.2020 um 18:44 Uhr

Für die Studie mit den Dosisproblemen wurde Chloroquin- diphoshat genommen , nicht Hydroxychloroquin.Auch die Formel zeigt nicht das Phosphat.Es geht schon genug Unklarheiten.Also bitte ändern.

Interessant wär, ob in den genannten Studien auch unter EKG-Überwachung gearbeitet wurde.Wie in der Untersuchung von Raoult et alt.

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