Ergänzung der Hilfstaxe

Neue Zuschlagsstaffeln für Cannabisprodukte

Süsel - 06.04.2020, 07:00 Uhr

Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband haben sich auf neue Regel zur Taxierung von Cannabisprodukten geeinigt. (Foto: imago images / epd) 

Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband haben sich auf neue Regel zur Taxierung von Cannabisprodukten geeinigt. (Foto: imago images / epd) 


Der Gesetzgeber hatte die Selbstverwaltung beauftragt, eine neue Preisbildung für Cannabisprodukte auszuhandeln und dabei jährlich 25 Millionen Euro für die GKV einzusparen. Das Ergebnis ist ein System unterschiedlicher Regeln für die Taxierung von Blüten und Extrakten mit zumeist degressiv gestaffelten und teilweise festen Zuschlägen für die Apotheken.

Die ABDA vermeldete am Mittwoch eine Einigung zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband über die neuen Regeln zur Taxierung von Cannabisprodukten. Inzwischen hat der GKV-Spitzenverband die Details der Vereinbarungen veröffentlicht. Die Neuregelung ergänzt den Vertrag über die Hilfstaxe. Dort wird eine neue Anlage 10 eingefügt. Diese gilt rückwirkend ab dem 1. März 2020. Die bereits in der Abrechnung befindlichen Rezepte müssen von den Apotheken nicht korrigiert werden, aber die Krankenkassen können Korrekturen vornehmen. Die Neuregelung sieht deutlich verringerte Zuschläge für die Apotheken vor. Dies war zu erwarten. Denn die Verhandlungen wurden durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) veranlasst und hatten das Ziel, die Ausgaben der GKV für Cannabisprodukte um 25 Millionen Euro pro Jahr zu senken.

Getrennte Regeln für Blüten, Extrakte und Dronabinol

Für Cannabisblüten, Cannabisextrakte und Rezepturarzneimittel mit Dronabinol wurden jeweils unterschiedliche Regelungen vereinbart. Die größte Unsicherheit für Apotheken dürfte darin liegen, dass für Cannabisblüten aller Sorten ein einheitlicher Einkaufspreis von 9,52 Euro pro Gramm abgerechnet werden kann. Damit stehen die Apotheken vor der Aufgabe entsprechend einzukaufen. Wenn sich die Preise für verschiedene Sorten unterscheiden, zwingt das den Apotheken eine Mischkalkulation auf, die sie jedoch nicht beeinflussen können. Allerdings kann die Preisbildung für Cannabisblüten ebenso wie jeder andere Teil der neuen Vereinbarung getrennt mit einer Frist von sechs Wochen zum Ende des Quartals gekündigt werden.

Fester Abrechnungspreis und Zuschlagsstaffel für Blüten

Doch der Reihe nach: Die Taxierung für Cannabisprodukte folgt weiterhin den üblichen Schemata für die Preisbildung bei Stoffen und Zubereitungen. Für alle Abrechnungen werden die jeweils verordneten Mengen zugrunde gelegt. Für Cannabisblüten aller Sorten sind 9,52 Euro pro Gramm als Einkaufspreis abrechnungsfähig. Hinzu kommen Fixzuschläge, die anhand der Abgabemenge in drei Stufen gestaffelt sind. Bei der unveränderten Abgabe beträgt der Zuschlag jeweils 9,52 Euro pro Gramm für die ersten 15 Gramm, jeweils 3,70 Euro pro Gramm für jedes weitere Gramm bis 30 Gramm sowie jeweils 2,60 Euro für jedes weitere Gramm, das über 30 Gramm hinausgeht. Für Cannabisblüten, die in Zubereitungen verarbeitet werden, beträgt der Fixzuschlag für die ersten 15 Gramm allerdings nur jeweils 8,56 Euro. Dann folgen die weiteren gestaffelten Zuschläge von 3,70 Euro beziehungsweise 2,60 Euro wie bei der unveränderten Abgabe.

Wirtschaftliche Packungsgrößen und komplexe Zuschlagsregel für Extrakte

Für Cannabisextrakte und Rezepturarzneimittel mit Dronabinol können jeweils die Einkaufspreise wirtschaftlich ausgewählter Packungen abgerechnet werden, die „am stoffbezogenen Versorgungsbedarf der Apotheke ausgerichtet“ sind. Die Apotheken sind also zu einem wirtschaftlichen Einkauf angehalten, aber die abzurechnenden Einkaufspreise sind nicht festgelegt. Auch hier gibt es differenzierte Regeln für die Zuschläge der Apotheken. Die Zuschläge für Extrakte orientieren sich am Preis pro Milliliter des Extraktes, also am Volumen und nicht am Gehalt des Extraktes. Bei Extrakten, die in Gramm gemessen werden, müssen die Mengen anhand der Dichte umgerechnet werden. Bei der unveränderten Abgabe des Extraktes und einem Apothekeneinkaufspreis des Extraktes bis 4,85 Euro pro Milliliter sind 100 Prozent des Einkaufspreises als Zuschlag zu taxieren, allerdings nur bis höchstens 80 Euro Zuschlag erreicht werden. Wenn der taxierte Einkaufspreis über 4,85 Euro pro Milliliter liegt, beträgt der Zuschlag 4,85 Euro pro Milliliter bis höchstens 80 Euro. Nach Überschreiten der 80-Euro-Grenze gilt für jeden weiteren Milliliter ein Zuschlag von 8,4 Prozent auf den für diesen Anteil ermittelten Preis.

Bei der Verarbeitung von Cannabisextrakten in Rezepturarzneimitteln beträgt der Zuschlag 90 Prozent auf den niedrigsten Preis pro Milliliter der eingesetzten Packungen, soweit dabei höchstens ein Zuschlag von 80 Euro erreicht wird. Für jeden weiteren Milliliter beträgt der Zuschlag 3 Prozent auf den für diesen Anteil ermittelten Preis.

Taxierung für Dronabinol in Zubereitungen

Eine ähnliche Regel gilt für die Verarbeitung von Dronabinol in Rezepturarzneimitteln. Der Zuschlag beträgt 90 Prozent auf den niedrigsten Preis pro Milligramm der eingesetzten Packungen - bis zur Grenze von 100 Euro. Für jedes weitere Milligramm beträgt der Zuschlag 3 Prozent auf den für diesen Anteil ermittelten Preis.

Weitere übliche Zuschläge

Damit ergeben sich für alle Fälle jeweils verschiedene Varianten degressiv gestaffelter Zuschläge. Zusätzlich werden die Verpackungen mit den üblichen Zuschlägen von 90 beziehungsweise 100 Prozent taxiert. Außerdem ist die Gebühr für die BtM-Dokumentation zu taxieren. Bei Zubereitungen kommen außerdem die Einkaufspreise und Zuschläge für Hilfsstoffe, der Festzuschlag von 8,35 Euro und der Rezepturzuschlag hinzu. Bei der Abrechnung müssen jeweils verschiedene Sonderkennzeichen verwendet werden.

Die hier dargestellten Details der Einigung wurden noch kaum kommuniziert. Daher gibt es bisher keine Stimmen zur Bewertung der Vereinbarung. Es bleibt offen, ob die Apotheken aus den verringerten Margen den erheblichen Aufwand für die Prüfung der Blüten und Extrakte finanzieren können. Außerdem drängt sich die Frage auf, ob die geforderten Einsparungen nicht auch mit einem einfacheren Zuschlagssystem zu erreichen wären.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Abrechnung im Cannabis - Dschungel

von Heiko Barz am 06.04.2020 um 11:35 Uhr

Diese wahrlich erschütternden Dokumente praxisfremder und überbordender Datenerfassung bei Cannabisrezepturen zu deren Abrechnung mit den KKassen zeigt wieder deutlich, was eigentlich wirklich hinter diesen Zahlenkolonnen steht, nämlich genügend Winkel zu finden, eine 0 - Retaxion durchzusetzen.
Wer,verehrter Herr Dr. Müller-Bohn, hat diesem Berechnungsdschungel von Apothekerverhandlungsseite eigentlich seine Zustimmung gegeben? Sie melden ja selbst in Ihrem letzten Satz erhebliche Bedenken an.
Wie gnadenlos KKassen sein können, hier ein Beispiel aus den erste Tagen der „Dronabinolversorgung“ :
Einer bedauernswerten Krebspatientin mußte ich diese Tropfen herstellen. nach mehrfachem Hin und Her des Rezeptes wurden diese Tropfen genau nach Vorschrift erstellt.
Eineinhalb Jahre später gab es einen Null-Retax, Grund, falsche Berechnung. Wenn man nun aus einer beigefügten Rechnungstellung seine eigenen Fehler hätte ablesen können, hätte ich ja dabei etwas lernen können.
Die KKasse ließ sich auf kein Argument einer Angleichung der Rechnungstellungen ein und erzwang einen Null-Retax, obwohl das Gesetz über Cannabis und Dronabinolversorgung erst einige Tage vorher erlassen wurde.

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