Arzneimittelversorgung in Pandemiezeiten

Marktüberwachung, regionale Sonderregeln und Alltagserleichterungen

Süsel - 06.04.2020, 17:45 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium hat die nächste Eil-Verordnung nach dem Bevölkerungsschutzgesetz vorgelegt. (b/Foto: DAZ.online)

Das Bundesgesundheitsministerium hat die nächste Eil-Verordnung nach dem Bevölkerungsschutzgesetz vorgelegt. (b/Foto: DAZ.online)


Regelungskompetenz für zuständige Behörden

Herausragende Bedeutung für Apotheken könnte eine Regelung über „Ausnahmen vom Apothekengesetz und von der Apothekenbetriebsordnung“ gewinnen. Damit können die „zuständigen Behörden“ Abweichungen vom Apothekengesetz und von der Apothekenbetriebsordnung gestatten, „soweit dies erforderlich ist, um eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln“, einschließlich bestimmter Betäubungsmittel, „Medizinprodukten und weiteren apothekenüblichen Waren weiterhin sicherzustellen“. Weiter heißt es dazu: „Insbesondere können Abweichungen von den Vorschriften zur Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Ärzten, zur Apothekenleitung, zum Personaleinsatz, zur Beaufsichtigung des Personals, zu den Räumlichkeiten, zur Herstellung und Prüfung, zur Qualität der Ausgangsstoffe und Behältnisse, zum Erwerb von Arzneimitteln, zum Botendienst, sowie zur Dokumentation gestattet werden.“

In der Begründung heißt es hierzu, es sei sachgerecht die zuständigen Behörden zu diesen Abweichungen zu ermächtigen, um den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Damit öffnet sich ein weiter Spielraum für unterschiedliche Regelungen. Doch sind die möglichen Regelungen durch regionale Behörden offenbar an eine klare Zweckbestimmung gebunden. Denn als Zweck wird die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung mit Arzneimitteln ausdrücklich festgelegt.

Marktüberwachung für Produkte des medizinischen Bedarfs

Außerdem soll das Bundesgesundheitsministerium im Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium anordnen können, „dass Produkte des medizinischen Bedarfs einer Marktüberwachung durch das Bundesministerium für Gesundheit unterliegen“. Zu diesen Produkten zählen „Arzneimittel, deren Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe, Medizinprodukte, Labordiagnostika, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Produkte zur Desinfektion“.

Hersteller und Vertreiber der überwachten Produkte müssen dann dem Ministerium oder einer benannten Stelle unverzüglich Auskunft „über die Bestände, die Produktion, den Vertrieb und die Preise der erfassten Produkte“ erteilen. Das Ministerium kann den Handel mit den Produkten einschränken und Modalitäten für die Abgabe und die Preise bestimmen. Dazu können auch Verkaufsverbote und Verpflichtungen zur Überlassung gehören. Das Ministerium kann anordnen, dass das Produkt an eine öffentliche Körperschaft oder an eine bestimmte Person abzugeben ist, wobei sich der Preis am Verkaufspreis vor der epidemischen Lage orientiert. Damit soll verhindert werden, dass Produkte nicht verfügbar sind, weil die Hersteller Verpflichtungen gegenüber anderen Abnehmern eingegangen sind.

Beispiele für solche Fälle werden in der Begründung nicht genannt. Der Gedanke liegt nahe, dass damit beispielsweise der Export von Schutzausrüstung verhindert werden soll. Doch nach dem Wortlaut der Regelung könnten wohl auch Apotheken verpflichtet werden, die Bestände bestimmter Arzneimittel zu melden und diese staatlichen Stellen oder anderen Apotheken zu überlassen. 

Alle Regelungen der neuen Verordnung sollen laut Entwurf so lange gelten, bis der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufhebt, und längstens bis zum 31. März 2021.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Sanierung der Apotheken-Landschaft durch die zuständigen Landesbehörden?!

von Wolfgang Müller am 06.04.2020 um 20:40 Uhr

I have a dream: Die Landesbehörden nehmen diese politische Herausforderung TATSÄCHLICH an, und schaffen all die "Alltagserschwernisse" in den Vor-Ort-Apotheken ab.

All den Mist, der einer bestmöglichen, flächendeckenden Patientenversorgung durch Ressourcen-Fehlallokation schon lange unverantwortbar im Wege steht.

Den ganze überregulierten Quatsch, der normal großen Apotheken den Wettbewerb mit "Dem Versand" und anderen Riesen-Apotheken auf mittlere Sicht sowieso schon unmöglich machen würde, Corona und Rx-Versand-Boni hin oder her.

Das einzige Beispiel aus dieser Grob-Schwachsinns-Regularien-Riege, das wirklich JEDE/R einigermaßen denkfähige in- und -außerhalb der Apotheker-Wagenburg als eben das, als groben Schwachsinn, erkennen MUSS, ist ja die apothekerliche "Cannabis"-Wahnsinnspreis-Bildung durch bescheuerte "Wareneingangsprüfung" bestens freigegebener und zertifizierter Ware. DA klappt das exemplarisch wohl schon mit der "Sanierung der Apotheken-Landschaft durch die zuständigen Landesbehörden". Wie man hört, verzichten ein paar ganz wenige Behörden schon auf die laborchemische "Wareneingangsprüfung".

Sehr zum Unwillen der ABDA und der BAK, die hier den Anfang vom Weg in den Abgrund der kompletten Abschaffung der "Wareneingangsprüfungen" auch für alle anderen "Rezeptursubstanzen" sieht. Und den Abgrund der Abschaffung all der Hunderte anderer Apotheken-Überregularien, die alle ähnlich schlimm sind, bloß nicht für Alle so schnell als Schwachsinn zu erkennen. Und für Riesen-Literatur- und Apotheken-Ausstattungs-Umsätze von ABDA-eigenen Unternehmen im AVOXA-Verbund sorgen. Und für unbändige Möglichkeiten zur berufsständischen Wichtigtuerei und Drangsaliererei von BAK- und Behörden-Oben nach Frontschwein-Unten..

EXAKT JETZT steht durch diese Notstands-Gesetzgebung des BMG das himmelschreiend altertümliche Streben nach einer vollkommen überkomplizierten, überambitionierten, wichtigtuerischen "Berufsidentität" von ABDA und BAK zur Disposition. Mit der Möglichkeit zu einer modernen Verschlankung der überkommenen Strukturen, um gegenwärtige und zukünftige Aufgaben schultern zu können.

Wir werden sehen, ob diese Herkules-Aufgabe bei den "zuständigen Landesbehörden" mehrheitlich in den richtigen Händen ist. 2012 ist ein politisches Vorhaben zur Entschlackung der Apotheken-Vorschriften schon einmal kläglich an "Der ABDA" gescheitert. Herausgekommen ist dann das genaue Gegenteil: Die unsägliche ApoBetrO 2012. Der damalige Gesundheitsminister hat dann wohl gedacht: "Macht doch watt ihr wollt, ihr Idioten. Mir doch egal."

Ganz so einfach wird es diesmal hoffentlich für unsere zünftische Friedhofseffekt-Spitze nicht abgehen. Falls doch .... wer soll den diese Karren noch weiter durch diesen Dreck fahren, unterhalb 5 Mio. Umsatz in der eigenen Ärztehaus-Immobilie?

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