Quarantäne vermeiden

Möglicher Corona-Verdachtsfall im Apothekenteam – was ist zu tun?

Stuttgart - 03.04.2020, 17:00 Uhr

Was sollen Apothekern tun, wenn ein Mitarbeiter auf das Coronavirus positiv getestet wurde? Unnötige Quarantäne kann nach Ansicht der Apothekerkammer Berlin vermieden werden, wobei das letzte Wort das Gesundheitsamt spricht. ( r / Foto: imago images / Ralph Peters)

Was sollen Apothekern tun, wenn ein Mitarbeiter auf das Coronavirus positiv getestet wurde? Unnötige Quarantäne kann nach Ansicht der Apothekerkammer Berlin vermieden werden, wobei das letzte Wort das Gesundheitsamt spricht. ( r / Foto: imago images / Ralph Peters)


Was tun, wenn sich ein Apothekenmitarbeiter mit SARS-CoV-2 infiziert hat oder der Verdacht auf COVID-19 besteht? Muss das restliche Apothekenteam in Quarantäne, sich auf das neuartige Coronavirus testen lassen? Eine für jede Apotheke gültige Marschrichtung gibt es nicht – die Entscheidung liegt beim Gesundheitsamt. Die Apothekerkammer Berlin gibt jedoch Berlins Apotheken eine pragmatische Leitlinie an die Hand - und erklärt, warum Schutzkleidung und Arbeiten in zwei Teams vielleicht manchmal über Wohl und Wehe der Quarantäne entscheiden könnten. 

Auch medizinisches Personal ist nicht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 gefeit. Das Infektionsrisiko dürfte sogar erhöht sein, da es häufiger in Kontakt – teilweise sehr engem – mit Infizierten oder Erkrankten kommt. Erkrankt jedoch medizinisches Personal, stellt dies eine besonders kritische Konstellation dar, denn das medizinische Personal fehlt folglich in der Versorgung von Patienten. Um den Spagat Quarantäne der Mitarbeiter und Versorgung der Patienten möglichst gut zu meistern, hat das Robert Koch-Institut (RKI) eine Empfehlung erstellt: „Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel“. 

RKI: Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel

Der Leitfaden „Optionen zum Management von Kontaktpersonen unter medizinischem Personal bei Personalmangel“ sieht bei personellen Engpässen, wenn die adäquate Versorgung von Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann und andere Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Personalbesetzung erschöpft sind, gewisse Erleichterungen vor: Quarantäneregeln zu lockern (verkürzen) und auch medizinisches Personal mit Erkältungssymptomen oder SARS-CoV-2-positivem Nachweis einzusetzen. Allerdings jeweils gekoppelt an besondere Bedingungen. Ziel: Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. 

Auch wenn Apotheker in der Regel nicht so eng am Patienten „arbeiten“ wie Ärzte und Pfleger, gilt auch für Apotheken bei SARS-CoV-2-Nachweis von Apothekenmitarbeitern die Balance zwischen angeordneter Quarantäne der Mitarbeiter und Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln – und das Offenbleiben der Apotheke – zu meistern. Doch was sollen Apotheken konkret tun, wenn ein Mitarbeiter nachgewiesen SARS-CoV-2 infiziert ist? Muss das Team in Quarantäne? Müssen die Mitarbeiter getestet werden? Hier ist die Antwort nicht verallgemeinerbar – diese Entscheidungen treffen die zuständigen Gesundheitsbehörden. Inwieweit die „RKI-Erleichterungen" für medizinisches Personal auch für Apotheken angewendet werden, auch das entscheidet nach Auskunft des BMG das zuständige Gesundheitsamt. 

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AK Berlin: systematische Risikoeinschätzung essenziell

Die Apothekerkammer Berlin (AK Berlin) hat für ihre Apotheken einen Leitfaden erarbeitet, denn sie findet: „Um eine Entscheidung für den Betrieb und die Kolleginnen und Kollegen zu treffen, ist eine systematische Risikoeinschätzung essenziell“, Grundlage für den Leitfaden der AK Berlin bilden die aktuellen Empfehlungen des RKI.

Die Kammer differenziert drei Fälle:

Ein Apothekenmitarbeiter wurde positiv getestet ...

Wurde ein Apothekenmitarbeiter positiv auf SARS-CoV-2 getestet, hat das Gesundheitsamt das Zepter in der Hand und entscheidet über das weitere Vorgehen. Dennoch kann man diese Entscheidung im Vorhinein vielleicht etwas steuern. Die AK Berlin schätzt es als „unwahrscheinlich, dass direkt das ganze Apothekenteam unter Quarantäne gesetzt wird“. In einem konkreten Fall in Berlin wurden drei Mitarbeiterinnen mit sehr engem Kontakt zu der Infizierten vom zuständigen Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt. Die Apotheke blieb geöffnet, das übrige Team durfte weiterarbeiten, solange alle symptomfrei blieben. 

Das Frage, die das Gesundheitsamt wahrscheinlich am ehesten interessiert: Wie eng war der Kontakt, bestehen Symtpme? Denn nur für engen Kontakt sieht die RKI-Maßnahme Quarantäne vor:


Reduktion der Kontakte zu anderen Personen, häusliche Absonderung (gegebenenfalls in einer anderen Einrichtung unter Abwägung der Möglichkeiten und nach Risikobewertung des Gesundheitsamtes)".

Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen der Kategorie I, RKI


Kein enger Kontakt vermeidet Quarantäne

Das Gesundheitsamt orientiert sich zur individuellen Bewertung der Kontaktnähe an den Vorgaben zur Kontaktpersonennachverfolgung des RKI. Die Kontaktpersonen werden hierzu in drei Kategorien eingeteilt (Detaillierte Information zu den einzelne Kategorien siehe Seite 4). Nicht alle Kontaktkonstellationen kommen in der Apotheke vor, DAZ.online hat die für Apotheken wohl relevantesten herausgestellt:

  • So zählt kumulativ mindestens 15-minütiger Gesichtskontakt, zum Beispiel im Rahmen eines Gesprächs, als enger Kontakt (Kontaktpersonen der Kategorie I).
  • Personen, die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielten (Arbeitsplatz), aber ohne kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichtskontakt, gelten als Kontaktpersonen der Kategorie II mit geringerem Infektionsrisiko. Ebenso medizinisches Personal, das sich ohne Verwendung adäquater Schutzbekleidung im selben Raum wie der bestätigte COVID-19-Fall aufhielt, aber eine Distanz von 2 Metern nie unterschritt.
  • Medizinisches Personal mit Kontakt ≤ 2 Metern, zum Beispiel im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung, wenn eine adäquate Schutzbekleidung während der gesamten Zeit des Kontakts gemäß Kategorie I getragen wurde, zählt bereits zu Kategorie III.

Schutzmasken und Abstand

Wird man vom Gesundheitsamt in Kategorie I mit engem Kontakt eingestuft, sieht das RKI unter „Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen der Kategorie I“ häusliche Absonderung vor. Das gilt es vor allem dann zu vermeiden, wenn dadurch ein relevanter Personalmangel entsteht oder die Apotheke gar schließen muss, wenn tatsächlich alle Apothekenmitarbeiter engen Kontakt zum COVID-19-Fall hatten.

Ziel muss also sein, die Apothekenmitarbeiter möglichst vor engem Kontakt zu schützen und sodass dieser vom Gesundheitsamt nicht angenommen wird – das geht durch feste Teams oder Schutzkleidung. Teams und Schutzkleidung empfiehlt auch die AK Berlin:


Um eine Einstufung vieler Mitarbeiter in Kategorie I (enger Kontakt) und schlimmstenfalls eine Quarantäne des gesamten Teams zu vermeiden, sollte  das Apothekenteam – wenn möglich – in feste Gruppen aufgeteilt werden, so dass nie alle Mitarbeiter gleichzeitig zusammenarbeiten. Wo das nicht möglich ist, kann durch das Tragen persönlicher Schutzausrüstung (also vorrangig von Masken) und der Einhaltung eines Mindestabstands eine Einstufung in Kategorie II oder III erfolgen, wo die Empfehlung zur Quarantäne nur beim Auftreten von Symptomen gegeben wird."

Apothekerkammer Berlin.


Keine häusliche Absonderung bei Kategorie II und III

Keine häusliche Quarantäne sieht das RKI laut seinen Empfehlungen  „Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen“ der Kategorie II und III vor, sondern erst beim Auftreten von Symptomen: 


Bei Auftreten von Symptomen (auch unspezifischen Allgemeinsymptomen) sofortige Freistellung von der Tätigkeit, Befragung der Beschäftigten über mögliche Expositionssituationen (z.B. Probleme beim Einsatz der PSA), namentliche Meldung an das Gesundheitsamt und Isolation der Betroffenen bis zur diagnostischen Klärung."

Empfohlenes Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen der Kategorie II und III, RKI


Ein Apothekenmitarbeiter hatte Kontakt zu einer nachgewiesen infizierten Person ...

Was ist zu tun, wenn ein Apothekenmitarbeiter Kontakt zu einer nachgewiesen infizierten Person hatte? Auch in diesem Fall gilt nach Ansicht der AK Berlin: Das Maß aller Dinge sind die Enge des Kontaktes und ob der Mitarbeiter Symptome zeigt, aber: Die Entscheidung über das weitere Prozedere liegt letztlich immer beim Gesundheitsamt. „Bei Kategorie II oder III und Symptomfreiheit kann der Mitarbeiter unter strenger Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln  üblicherweise weiterarbeiten – es sei denn, das Gesundheitsamt entscheidet anders“, so die  Einschätzung der AK Berlin. Anders, wenn der Apothekenmitarbeiter Symptome entwickelt.

Bei Symptomen: separieren

Zeigt der Mitarbeiter jedoch Symptome wie Fieber, Heiserkeit, Husten oder Atemnot, gilt er gemäß der Definition des RKI als meldepflichtiger „begründeter Verdachtsfall“, erklärt die AK Berlin. Sie empfiehlt sodann, die betroffene Person unmittelbar zu separieren und das örtlich zuständige Gesundheitsamt zu informieren – dieses entscheidet über das weitere Vorgehen..

Ein Apothekenmitarbeiter hatte Kontakt zu einer Person, die noch auf das Testergebnis wartet

Auch wenn Kontakt zu noch nicht endgültig bestätigten SARS-CoV-2-Infizierten bestand, ist die Enge des Kontaktes ausschlaggebend. Die AK Berlin rät bei engem Kontakt der Kategorie I mit dem potenziell Infizierten „sich in freiwillige häusliche Quarantäne (zu) begeben, bis das Testergebnis vorliegt.“ Bei Kontakt der Kategorie II oder III und Symptomfreiheit könne der Mitarbeiter unter strenger Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln in aller Regel vorerst weiterarbeiten.

Und wenn der SARS-CoV-2-Test positiv ist?

Ist das Testergebnis positiv, wird es einfach, man verfährt einfach wie in Szenario 2, „Kontakt zu nachgewiesen infizierter Person“. Abaschließend rät die Apothekerkammer Berlin: „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit respiratorischen Symptomen jeglicher Art sollten in Zeiten der Corona-Pandemie zu Hause bleiben.“

Wichtig: In allen Fällen entscheidet das Gesundheitsamt, und das individuell!

Droht relevanter Personalmangel in der Apotheke durch häusliche Absonderung, kann die Apotheke im begründeten Einzelfall, wenn die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, zum Beispiel durch Schließung der einzigen Apotheke im Umkreis, gefährdet ist, mit dem zuständigen Gesundheitsamt eine praktikable Lösung finden. 

SARS-CoV-2-Test: Wer wird getestet?

Laut den aktuellen RKI-Empfehlungen, welche Personen auf SARS-CoV-2 getestet werden sollen, sind PCR-Tests unter bestimmten Voraussetzungen indiziert. Es sollen nur Menschen getestet werden, die respiratorische Symptome zeigen UND

  • Kontakt zu einem bestätigtem COVID-19-Fall hatten,
  • in der Pflege, einer Arztpraxis oder im Krankenhaus tätig sind oder
  • einer Risikogruppe zugehören

RKI-Kontaktperson-Kategorien: Was ist ein enger Kontakt?

Kontaktpersonen der Kategorie I mit engem Kontakt (höheres Infektionsrisiko):

  •  Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts- ("face-to-face") Kontakt, zum Beispiel im Rahmen eines Gesprächs. Dazu gehören zum Beispiel Personen aus Lebensgemeinschaften im selben Haushalt.
  • Personen mit direktem Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten, insbesondere zu respiratorischen Sekreten eines bestätigten COVID-19-Falls, wie zum Beispiel Küssen, Kontakt zu Erbrochenem, Mund-zu-Mund Beatmung, Anhusten, Anniesen, et cetera.
  • Personen, die aerosolbildenden Maßnahmen ausgesetzt sind
  • Medizinisches Personal mit Kontakt zum bestätigten COVID-19-Fall im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung (≤ 2m), ohne verwendete Schutzausrüstung.

Kontaktpersonen der Kategorie II (geringeres Infektionsrisiko)

  • Personen, die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielten, zum Beispiel Klassenzimmer, Arbeitsplatz, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichts- („face-to-face“) Kontakt mit dem COVID-19-Fall hatten.
  • Familienmitglieder, die keinen mindestens 15-minütigen Gesichts- (oder Sprach-) Kontakt hatten.
  • Medizinisches Personal, welches sich ohne Verwendung adäquater Schutzbekleidung im selben Raum wie der bestätigte COVID-19-Fall aufhielt, aber eine Distanz von 2 Metern nie unterschritten hat

Kontaktpersonen der Kategorie III

  • Medizinisches Personal mit Kontakt ≤ 2 m, zum Beispiel im Rahmen von Pflege oder medizinischer Untersuchung, wenn eine adäquate Schutzbekleidung während der gesamten Zeit des Kontakts gemäß Kategorie I getragen wurde.
  • Medizinisches Personal mit Kontakt > 2 m, ohne direkten Kontakt mit Sekreten oder Ausscheidungen der/des Patientin/en und ohne Aerosolexposition.

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Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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