Exporteure schlagen Alarm

Arzneimittelexporte aus Indien durch Lockdown massiv bedroht

Remagen - 31.03.2020, 17:44 Uhr

Arzneimittelhersteller und -exporteure in Indien (hier ein Symbolfoto) haben wegen des Corona-Lockdowns massive Probleme dabei, die Produktion aufrecht zu erhalten. (Foto: imago images / photothek)

Arzneimittelhersteller und -exporteure in Indien (hier ein Symbolfoto) haben wegen des Corona-Lockdowns massive Probleme dabei, die Produktion aufrecht zu erhalten. (Foto: imago images / photothek)


Wegen der Lieferunterbrechungen von Wirkstoffen (APIs) aus China ist auch die indische Pharmabranche den letzten Wochen durch das Coronavirus schwer gebeutelt worden. Nun pumpt die indische Regierung rund 1,67 Milliarden Euro an Zuschüssen in den Sektor. Damit sollen auch Exporte gefördert werden. Diese sind allerdings aktuell wegen des Lockdowns kaum möglich. Die Exporteure schlagen Alarm und fordern von der Regierung dringend Befreiungen für Pharmatransporte.

Die indische Regierung hat über die nächsten Jahre milliardenschwere Förderprogramme aufgelegt, um die negativen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs abzumildern und der heimischen Arzneimittel-und Medizinprodukteindustrie auch international wieder mehr Geltung zu verschaffen. Dies meldet das indische Pharmaportal „pharmabiz.com“. Die Herstellung soll sowohl für den heimischen Bedarf und auch der Exporte angekurbelt werden. Bei der Versorgung mit Medizinprodukten ist Indien derzeit zu 85 Prozent der gesamten Inlandsnachfrage auf Importe angewiesen. 

1,2 Milliarden Euro für die API-Produktion

Am 21. März hatte das Unionskabinett unter dem Vorsitz von Premierminister Narendra Modi Ausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro (9.940 Crore, ein Crore = 10 Millionen Rupien, Wechselkurs vom 24.03.2020) für die Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe (APIs) und 464 Millionen Euro (3.820 Crore) für Medizinprodukte genehmigt. Damit will die Regierung insgesamt knapp 1,67 Milliarden Euro (13.760 Crore) in den Sektor pumpen.

Darüber hinaus sollen über die nächsten fünf Jahre etwa 364 Millionen Euro (3.000 Crore) in gemeinsame Infrastruktureinrichtungen von Produktionsparks für Bulkware fließen. Damit sind Anlagen für die Lösungsmittelrückgewinnung, Destillation, Stromversorgung und Abwasserbehandlung usw. gemeint. 

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Finanzielle Anreize für die Herstellung kritischer Medikamente

Ferner genehmigte die Regierung ein Production Linked Incentive (PIL)-Schema zur Förderung der inländischen Herstellung kritischer Ausgangsstoffe/Arzneimittelzwischenprodukte und Wirkstoffe im Land in Höhe von 843 Millionen Euro (6.940 Crore) für die nächsten acht Jahre. Mit den finanziellen Anreizen sollen Hersteller von 53 kritischen Bulk-Medikamenten jeweils über eine Dauer von sechs Jahren bedacht werden können. Von dem PLI-Schema verspricht sich die Regierung zusätzliche Umsätze im Wert von rund 5,6 Milliarden Euro (46.400 Crore) und eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze.

Die Dominanz wiedergewinnen

Die Pharmaindustrie hat die Anreize der Regierung zur Förderung von API-Produktionseinheiten in Indien ausdrücklich begrüßt. „Dies ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines autarken Gesundheitsökosystems im Land“, kommentiert der Generalsekretär der Indian Pharmaceutical Alliance Sudarshan Jain die Initiative. „Die Ankündigung der Regierung wird dazu beitragen, die API-Industrie im Land wiederzubeleben und dem Sektor zu helfen, die Dominanz wiederzugewinnen, die im Laufe der Jahre verloren gegangen ist.“ 

Vinod Kalani, Co-Chair der Federation of Pharma Entrepreneurs India (Fope), fordert von der Regierung nun eine schnelle Genehmigung neuer API-Einheiten durch die staatlichen Umweltschutzbehörden. 

Lockdown behindert die Produktion

Unterdessen hat die Branche jedoch ein ganz anderes, noch viel größeres Problem, nämlich den Lockdown, den die Regierung wegen der Coronakrise seit Mitte letzter Woche angeordnet hat. Pharmaunternehmen seien „im Panikmodus“, schrieb die Economic Times schon am selben Tag. Das Verbot des öffentlichen Verkehrs mache es den Arbeitern schwer, die Produktionsstätten zu erreichen. Hilfsgüter, die für die Herstellung von Arzneimitteln benötigt werden, blieben stecken. Fahrzeuge mit Verpackungsmaterialien für Arzneimittel würden in Gewahrsam genommen. Es gebe Berichte über Belästigungen und Inhaftierungen durch örtliche Polizisten.

Exportware bleibt stecken

Seitdem hat sich die Lage noch weiter zugespitzt. Auch die Ausfuhren von Arzneimitteln scheinen mittlerweile massiv bedroht zu sein. „Der von der Regierung verordnete 21-tägige Lockdown zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus-Ausbruchs hat den Arzneimittelexport schwer getroffen“, schreibt das Portal „pharmabiz.com“ am heutigen Dienstag

Trotz der Anweisungen des Innenministeriums der Union, die Schifffahrt und den Güterverkehr von der Sperrung ausnehmen, falle es den Exporteuren äußerst schwer, Waren auf der Straße zu den Häfen und Flughäfen zu transportieren und zu versenden. Angesichts der zunehmenden Infektionen mit dem Coronavirus soll es für die Zollagenten an Hafenterminals und Container-Frachtstationen kaum noch möglich sein, die Waren abzufertigen. Der Personalmangel soll auch den Betrieb von Frachtfluggesellschaften stark beeinträchtigen. „Die Bewegung von Export-Import-Containern auf der Straße ist aufgrund des Lockdown fast zum Stillstand gekommen“, wird ein leitender Angestellter der Ipca Laboratories zitiert. Sein Unternehmen stellt unter anderem Hydroxychloroquin (HCQS)-Tabletten her. „Wir haben Exportaufträge von HCQS aus fast 100 Ländern unter Vorablizenzen, aber wir können die Produkte kaum versenden.“

Handelsministerium soll dringend intervenieren

Der indische Pharmaceutical Export Promotion Council (Pharmaxcil), der die Arzneimittelexporteure vertritt, hat das Handelsministerium um sofortige Intervention gebeten. „Unser größtes Anliegen ist, einen ununterbrochenen Export aus dem Land zu gewährleisten, der durch den landesweiten Lockdown behindert wurde“, sagt Uday Bhaskar, Generaldirektor von Pharmexcil. „Die Importländer üben großen Druck aus.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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