Lieferengpässe

Preis: Versandhandel während der Krise verbieten

Berlin - 24.03.2020, 16:15 Uhr

Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert, dass die Versorgung mit Arzneimitteln zu Krisenzeiten auf die Apotheken vor Ort konzentriert wird. (t/Foto: AVNR)

Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert, dass die Versorgung mit Arzneimitteln zu Krisenzeiten auf die Apotheken vor Ort konzentriert wird. (t/Foto: AVNR)


Die Versandhändler brüsten sich derzeit lauthals mit ihren gesteigerten Bestellmengen. Das Coronavirus habe seinem Konzern „massiven Rückenwind“ einbracht, erklärte zum Beispiel Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli. Insbesondere die Paracetamol-Verkäufe seien explodiert. Da Paracetamol aber immer mehr zur Mangelware wird, fehlen die bei den Versendern bestellten Packungen in der Vor-Ort-Versorgung. Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert nun ein Versandverbot für alle Arzneimittel während der Coronakrise.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheker (BVDVA) meldete kürzlich, dass das Bestellvolumen der deutschen Versender seit Beginn der Coronakrise um 60 Prozent zugenommen habe. Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli sagte, dass sich die Bestellmengen um bis zu 100 Prozent pro Tag ausgeweitet hätten. Der Run auf Paracetamol wirkt sich nicht nur auf die Versorgung in der Apotheke vor Ort aus. Auch bei den Versandhändlern wird das Schmerzmittel zunehmend zur Mangelware: Obwohl DocMorris-Chef Olaf Heinrich kürzlich erklärte, es gebe keine Lieferbeeinträchtigungen, war Paracetamol bei DocMorris in den vergangenen Tagen nur von sehr wenigen Herstellern überhaupt lieferbar.

Am heutigen Dienstag gab es dann auf der DocMorris-Bestellplattform allerdings wieder Paracetamol von einigen Herstellern. Der EU-Versender gibt das Schmerzmittel nicht unbegrenzt heraus. Paracetamol-Bestellungen werden auf maximal drei Packungen begrenzt. Trotzdem ist klar: Alle Packungen, die von den Versendern verschickt werden, fehlen in der Vor-Ort-Versorgung. Apotheken gehören derzeit zu den wenigen Geschäften, die noch geöffnet haben sollen, damit die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht zusammenbricht.

Damit diese Versorgung weiterhin funktionieren kann, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am heutigen Dienstag einen Brief an Ärzte, Apotheker und Großhändler geschrieben: An die Apotheker richtete er die Forderung, dass Paracetamol grundsätzlich nur noch im „akuten Behandlungsfall“ abgeben werden dürfe und auch nur, wenn keine Alternativen möglich sind. Aufgrund der zunehmenden Lieferengpässe hatte zuvor auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Kontingentierung von Arzneimitteln angeordnet.

Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert nun, dass die gesamte Arzneimittelversorgung während der Krisenzeit auf die Apotheken vor Ort konzentriert wird. Preis erklärt in einer Pressemitteilung: „Angesichts der zunehmenden Lieferengpässe in der Corona-Krise ist ein absolutes Versandverbot für Arzneimittel dringend erforderlich. Wir haben steigende Kundenzahlen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit. Und wir haben sowieso schon mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen, die jetzt aber noch zunehmen unter dem Eindruck der Pandemie“, erläutert Preis. Daher müsse das Thema Versandhandelsverbot zumindest für die Pandemiezeit jetzt auf den Tisch kommen, so Preis.

Preis: Spahn ist jetzt in der Pflicht

Gerade jetzt müsse genau analysiert werden, wo denn die schnelle und bedarfsgerechte Versorgung geleistet werde – das sei nun mal unbestritten in den öffentlichen Apotheken, so Preis weiter. In dieser krisenbedingten Ausnahmesituation müsse die Bundesregierung entscheiden, was ihr wichtiger ist: die weitere Förderung ausländischer Kapital- und Konzerninteressen oder die Sicherstellung der individuellen Akutversorgung mit Arzneimitteln durch die Apotheken in Deutschland.

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„Es kann nicht sein, dass Wirkstoffe in den Lagern der Versandhändler liegen, die wir dringend vor Ort brauchen. Unsere Patienten brauchen den Fiebersaft für das Kind in der Apotheke vor Ort und sofort und das gilt auch für Antibiotika und andere Medikamente“, fordert Preis. 

Erst recht nach seinem aktuellen Erlass, Höchstmengen bei paracetamolhaltigen Arzneimitteln zu rationieren, sei hier Bundesgesundheitsminister Spahn generell in der Pflicht, betont Preis. Denn wenn jetzt laut Erlass bei Paracetamol nur eine „bedarfsgerechte Versorgung“ stattfinden soll, könne das nur im persönlichen Gespräch vor Ort mit dem Patienten individuell geklärt werden.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Neuer ABDA Präsident

von Dr. Radman am 24.03.2020 um 18:22 Uhr

Ich bin dafür, dass Thomas Preis der neue ABDA Präsident wird. Er tut wenigstens was.

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