Videobotschaft des ABDA-Präsidenten

„Wir können dazu beitragen, dieses Problem zu lösen“

Berlin - 05.03.2020, 13:30 Uhr

Friedemann Schmidt appelliert an die Apotheken, selbst Desinfektionsmittel herzustellen – für Patienten, Arztpraxen, Pflegeheime und andere Gesundheitspartner. ( t / Foto: ABDA / YouTube)

Friedemann Schmidt appelliert an die Apotheken, selbst Desinfektionsmittel herzustellen – für Patienten, Arztpraxen, Pflegeheime und andere Gesundheitspartner. ( t / Foto: ABDA / YouTube)


Nach den teilweise für Verwirrung sorgenden Meldungen rund um das Thema Herstellung von Hautdesinfektionsmitteln in Apotheken wendet sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt nun per Videobotschaft an die Apotheker.

Hautdesinfektionsmittel sind in Zeiten der Corona-Krise Mangelware. In den vergangenen Tagen wunderte man sich, wie zögerlich die ABDA war, den Apothekern ein klares Signal zu geben: Ihr dürft selbst solche Desinfektionsmittel herstellen. Stattdessen hieß es noch am 3. März in einem Rundschreiben der ABDA an die Mitgliedsorganisationen: „Desinfektionsmittel (für die Hände) unterliegen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO). Dieser zu Folge ist die Herstellung auf Einzelanforderung oder auf Vorrat in der Apotheke grundsätzlich nicht zulässig, da Biozidprodukte, d. h. auch Desinfektionsmittel, einer Zulassung bedürfen“.

Zwar kündigte die ABDA – wie auch schon zuvor – an, dass man mit dem Bundesgesundheitsministerium an einer Lösung arbeite – die Biozid-Verordnung sieht nämlich Ausnahmemöglichkeiten vor. Tatsächlich wurde am gestrigen Mittwoch die entsprechende Allgemeinverfügung erlassen. Doch einige Landesbehörden waren viel pragmatischer, beispielsweise das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen: Dort befand man, Händedesinfektionsmittel zur SARS-CoV2-Prophylaxe sind Arzneimittel und dürfen von Apotheken folglich hergestellt werden – auch als Defektur. Überdies räumte die ABDA dann in ihrem Rundschreiben vom gestrigen 4. März selbst ein, dass Ethanol-Wassergemische ohnehin nie von der von der Biozid-Verordnung erfasst waren. Sie können hergestellt und zulassungsfrei in den Verkehr gebracht werden – nur hinsichtlich der Etikettierung seien die biozidrechtlichen Vorschriften anzuwenden. Laut BMG müssen Apotheken, die nach diesen Formulierungen Händedesinfektionsmittel herstellen wollen, lediglich eine einfache und gebührenfreie elektronische Meldung des Biozidproduktes gemäß Biozid-Meldeverordnung tätigen. Dafür steht ein Portal der BAuA zur Verfügung (www.baua.de > Themen > Anwendungssichere Chemikalien und Produkte > Chemikalienrecht > Die Biozid-Verordnung > Biozid-Meldeverordnung > Datenbank der gemeldeten Biozidprodukte). Es gab also auch schon vor der gestrigen Allgemeinverfügung durchaus Wege für die Herstellung von Desinfektionsmitteln in der Apotheke.

Dennoch: Erst die gestrige Verfügung der Bundesstelle für Chemikalien hat dazu geführt, dass die ABDA aktiv für die Herstellung wirbt. Seit gestern gibt es auf der ABDA-Webseite eine Video-Botschaft des Präsidenten Friedemann Schmidt. Er wendet sich darin direkt an die Kolleginnen und Kollegen. Seit gestern Mittag bestehe nun „rechtliche Klarheit“, ob es möglich sei, dass Apotheken selbst Desinfektionsmittel herstellen, verkündet er. Die Allgemeinverfügung stelle klar, dass Apotheken nun berechtigt sind, biozide Wirkstoffe, also Desinfektionsmittel gegen Viren zur Hände- und Flächendesinfektion herzustellen. „Das ist gut und richtig, weil die Nachfrage nach diesen Desinfektionsmitteln immens groß ist, Sie alle wissen das“. 

Bei einem Treffen im Bundesgesundheitsministerium am gestrigen Tage, bei dem die ABDA neben anderen „Spitzen des Gesundheitswesens“ vertreten war, habe man nochmals erfahren, dass das die fehlenden Desinfektionsmittel eines der vorrangigen Probleme sei, erklärt Schmidt weiter. Und zwar nicht nur für Patienten, sondern auch für die Gesundheitspartner wie zum Beispiel Ärzte und Pflegeheime. Schmidt gibt sich jetzt überzeugt: „Wir können dazu beitragen, dieses Problem zu lösen“.

Zeigen, wie wichtig Apotheken für Gesundheitssystem sind!

Und so ist Schmidts zentrale Botschaft: „Ich möchte Sie bitten, dass Sie diesen Weg auch gehen und die Möglichkeit nutzen“. Er wisse, dass dies schwierig sei – die Arbeit stehe den Apotheken ohnehin „bis zum Hals“, es fehle an Zeit und Ressourcen. Trotzdem: „Wir könnten mit dieser Eigenherstellung nicht nur ein richtig großes Problem in unserem Gesundheitssystem helfen zu lösen. Wir könnten auch – und das ist genauso wichtig – nochmal in einer richtig schwierigen Situation zeigen, wie wichtig unser System der der inhabergeführten Apotheke vor Ort für unser ganzes Gesundheitswesen ist“. Damit hat Schmidt zweifelsohne Recht – zumal die großen EU-Versender derzeit auch keine fertigen Hautdesinfektionsmittel mehr bieten können – und Rezepturen ohnehin nicht anfertigen. 

Großhändler sollen Beschaffungslage prüfen 

Der ABDA-Präsident verschweigt nicht, dass es bereits jetzt Probleme gibt, die nötigen Grundsubstanzen Isopropanol und vergälltes Ethanol zu beschaffen. Doch er habe nochmals mit dem Vorsitzenden des Großhandelsverbands Phagro gesprochen und mit ihm verabredet, dass der Phagro auf seine Mitglieder zugehe und bitte, die Liefersituation für diese Substanzen zu klären. Ganz wichtig sei, dass nach der neuen Allgemeinverfügung auch Substanzen verwendet werden dürfen, die nicht den Arzneibuchqualitäten entsprechen. Die Phagro-Mitgliedsunternehmen würden nun kurzfristig informieren, ob sie in der Lage sind, diese Substanzen in großen Mengen zu beschaffen und in die Apotheken zu bringen.

„Sie tun uns und sich und dem ganzen Gesundheitswesen einen großen Gefallen, wenn Sie in diese Eigenproduktion hineingehen“, sagt Schmidt. Sicher werde es auch in den nächsten Wochen weiterhin Engpässe bei den Substanzen geben, Kunden sollten also darauf hingewiesen werden, dass sie nur handelsübliche Mengen bekommen können (z. B. 100 ml, heißt es im ABDA-Rundschreiben). Vor allem sollten die Apotheken auch an die Arztpraxen, Pflegeheime und Pflegedienste denken, mit denen sie zusammenarbeiten.

Zu guter Letzt verweist Schmidt auf die ABDA-Website und eine neue Rubrik zum Umgang mit dem Coronavirus. Hier würden täglich die neuesten Informationen bereitgestellt und ebenso täglich sollten sich hier Apothekerinnen und Apotheker informieren. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Vom Lückenbüßer zum Ausputzer ... Apotheker müsste man sein ... Durchbruch oder Absturz?

von Christian Timme am 06.03.2020 um 5:44 Uhr

Der neueste präsidiale Beitrag zur Effizienzsteigerungen in der Apotheke ... die "Teil-Tablette"?

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Volkswirtschaftlich und gesundheitspolitisch fatale Fehlsteuerung

von Wolfgang Müller am 05.03.2020 um 19:04 Uhr

Größere Mengen Desinfektionsmittel klein-klein sehr langsam und teuer in 19.000 Apotheken fertigen zu lassen wäre zwar für die Volksgesundheit und -wirtschaft nicht ganz so gefährlich, aber politisch genauso bescheuert, als wenn jetzt offiziell nun doch erwünscht wäre, massenhaft Corona-Test-Abstriche ohne besondere Schutzmaßnahmen in allen Hausarzt-Praxen durchführen zu lassen.

Vielleicht ist es noch nicht jedem/r klar: Aber der Alkohol wird für die, die ihn dringend benötigen, insgesamt dadurch nicht MEHR, dass er idyllisch und aufopfernd in 19.000 Apotheken vor Ort verarbeitet wird. Statt bei denen, die es sowieso schon im Mega-Maßstab machen.

Außerdem: Bei uns ist gerade RICHTIG was los, und es sind schon jetzt viel zu wenige Mitarbeiter/innen da. Wir sind vollauf beschäftigt, den Handverkauf professionell zu bewältigen, und dabei entspannt gute Laune zu bewahren (Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz und so, GAAAANZ aktuell).

Also HALLO: Kann mir mal irgendjemand sagen, warum wir gerade jetzt anfangen sollten, DESINFEKTIONSMITTEL bescheuert aufwändig selber herzustellen (oder Masken zu basteln, vielleicht noch), außer - mal wieder - aus individuellen und Standes-Marketinggründen? Und ja, als einzige SINNVOLLE Ausnahme vielleicht noch, um notleidenden Arztpraxen und Schwerkranken akut Alkohol zur Verfügung zu stellen, den wir SOWIESO schon besitzen? Zu welchem PREIS sollen/dürfen wir das eigentlich machen?

Warum sollten wir 19.000 besser an Ausgangsmaterialien rankommen als Bode & Co.? Oder auch nur ansatzweise so schnell und wirtschaftlich produzieren können? Wir würden doch summa summarum die Bereitstellung insgesamt VERLANGSAMEN, wenn alles Ausgangs-Material bevorzugt teurer mit mehreren Zwischenstationen zu uns statt massenhaft billig und direkt zu den industriellen Herstellern käme, für schnellstmöglichen Nachschub!!!

Ergibt das alles irgendwie Sinn? Außer, um zu zeigen, dass wir gerade im Vergleich zu den Ärzten, die gerade anfangen, sich ZU RECHT als mit großem Abstand Hauptgefährdete zu wehren, die Beflissenen und Feinen sind, und Spahn uns doch doll lieb hat, und wir dann ein Rx-VV kriegen?

Schluss mit dem Blödsinn: Jeder, der jetzt "dezentralisiert", drückt sich vor der Verantwortung und verschiebt den schwarzen Peter zu den Frontschweinen. Und freut sich, wenn die doof genug sind, den zu nehmen.

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Vergällter Alkohol

von Pöppl am 05.03.2020 um 14:28 Uhr

Ich dachte nicht das vergällter Ethanol verwendet werden darf? Sollte es nicht unvergällter aber steuerbefreiter Ethanol
sein?

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