Botendienst-Modell

Firma Aponow nutzt Corona-Panik, um eigenen Bestell-Service zu bewerben

Berlin - 05.03.2020, 10:15 Uhr

Thomas Engels, Chef der Firma Aponow, bewirbt seinen Apotheken-Bestelldienst derzeit mit dem PR-Slogan, dass das Aponow-Modell die Infektionsketten des Coronavirus durchbrechen könne. (s / Foto: Aponow)

Thomas Engels, Chef der Firma Aponow, bewirbt seinen Apotheken-Bestelldienst derzeit mit dem PR-Slogan, dass das Aponow-Modell die Infektionsketten des Coronavirus durchbrechen könne. (s / Foto: Aponow)


Ein weiteres Beispiel dafür, wie Unternehmen die Corona-Panik in der Bevölkerung für sich nutzen wollen, ist die Firma Aponow. Das Unternehmen bietet Patienten an, ohne Arzt- und Apothekenbesuch mit Arzneimitteln aus Folgerezepten beliefert zu werden. In einer Mail an die Gesundheitsämter weist Aponow-Geschäftsführer Thomas Engels derzeit darauf hin, dass Apotheken und Arztpraxen derzeit „Gefahrenzonen“ seien und man mit seinem Konzept die Infektionsketten des Coronavirus durchbrechen könne. DAZ.online hat nachgefragt.

Aponow ist ein Online-Bestellportal, das seinen Kunden die Auslieferung von Arzneimitteln über Apotheken-Botendienste anbietet. Die Kunden haben für eine gewisse Bestellgebühr teilweise die Möglichkeit, noch am gleichen Tag beliefert zu werden. Nach einer Bestellung kontaktiert Aponow eine teilnehmende Apotheke mit dem anonym dargestellten Kundenwunsch. Reagiert die Apotheke nicht binnen 15 Minuten mit der Rückmeldung, dass sie die Ware vorrätig hat und dazu bereit ist, in der vom Kunden gewünschten Liefergeschwindigkeit zu liefern, werden 15 Apotheken angeschrieben. Nach weiteren 15 Minuten weitere 50 Apotheken. Auf Aponow wird auch über einen Verweis zu der Firma Vitabook angeboten, „Rezepte und Medikamente“ online zu bestellen. Klickt man auf diesen Verweis, landet man bei dem Lieferdienst von Vitabook, den DAZ.online im vergangenen Jahr bereits ausführlich beschrieben hat. *

Aponow: Wir können die Infektionsketten durchbrechen

In den vergangenen Tagen fällt das Unternehmen nun erneut durch aggressive Werbung auf, bei der es in erster Linie um das Coronavirus geht. DAZ.online liegt eine Mail von Aponow-Geschäftsführer Thomas Engels an Gesundheitsämter vor, in dem es unter anderem heißt: „Wir haben bereits vor einiger Zeit zwei Lösungen entwickelt, mit denen sofort bundesweit Infektionsketten bei Arzt und Apotheke durchbrochen werden können.“ Auf Nachfrage von DAZ.online, ob es (wissenschaftliche) Belege für diese Behauptung gebe, sagte Engels: „Für den Corona-Virus bestehen aktuell nur sehr bedingt wissenschaftliche Belege. Es gibt weiterhin viele Unklarheiten, wie genau Infektionen stattfinden, ob Mehrfachinfektionen möglich sind etc. Es gibt weiterhin mehr Fragen, als Antworten.“

Engels: Am besten gar nicht in die Apotheke!

Neben seiner Mail an die Behörden hat sein Unternehmen in den vergangenen Tagen zudem Pressemitteilungen versendet, in denen das oben beschriebene Versorgungskonzept beworben wird – stets mit Verweis auf das Coronavirus und die Internetadressen seiner Firma. Mit Blick auf das Virus bezeichnet Engels Apotheken und Arztpraxen als „Gefahrenzonen“. Gegenüber DAZ.online erklärte er diese Äußerung so: „Ein chronisch erkrankter Patient, der keinen Grund hat, den Arzt zu besuchen, außer um das Folgerezept zu erhalten, sollte nicht in eine Arztpraxis gehen. Das gilt auch während der ganz normalen Grippe, die jedes Jahr Tausende Todesopfer fordert. Es macht wenig Sinn, die Arztpraxis zu meiden, um dann das Rezept dort mühsam abzuholen und in eine Apotheke zu tragen – das gibt es seit Jahren als digitale Lösung.“

Des Weiteren erklärt Engels in seiner Mail an die Behörden wörtlich: „Die beste Lösung ist immer, dass Patienten gar nicht erst in die Apotheke gehen.“ Und auch hierfür hat Engels eine Erklärung parat. Schließlich seien diese Orte mit „erhöhtem Gefährdungspotential für Infektionen jeglicher Art – auch mit Influenza, der normalen Grippe und eben Corona“ – verbunden. „Der einzige Grund, eine Apotheke bzw. einen Arzt aufzusuchen, ist sehr häufig die Beschaffung eines Medikamentes im Rahmen einer vorhandenen, chronischen Erkrankung“, so Engels.

In einer weiteren Mitteilung vom gestrigen Mittwoch heißt es, dass das Aponow-Modell „wirkungsvoller“ sei als die Maßnahmen den britischen Gesundheitsdienstes NHS. Zur Erklärung: Der NHS macht den Apotheken in Großbritannien derzeit sehr genaue Vorgaben, wie sich wegen des Coronavirus zu verhalten haben. Unter anderem soll es Isolierräume geben. Und auch hierzu erwidert Engels: „Die beste Lösung ist immer, dass Patienten gar nicht erst in die Apotheke gehen.“ Beim NHS gehe es schließlich darum, bei der Apotheke genau diese Hochrisiko-Patienten von möglicherweise Infizierten zu trennen. Das sei in den meisten Apotheken räumlich überhaupt nicht möglich. „Die bessere Lösung ist daher, zusätzlich nach Lösungen zu suchen, wie ein Patient überhaupt nicht erst die Apotheke betreten braucht, wenn es auch einen anderen Weg gibt, um das benötigte Medikament zu erhalten. Bitte bedenken Sie, dass über 80 Prozent aller Rezepte für chronisch Erkrankte sind und nicht weitere erläutert werden brauchen“, sagt der Aponow-Chef.

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Schließlich fällt eine weitere Aussage in Engels‘ Mail an die Behörden auf: „Sämtliche Ärzte und sämtliche Apotheken sind in beiden Lösungen einbezogen“, heißt es dort. DAZ.online wollte wissen, wie das Unternehmen zu dieser Aussage kommt und ob wirklich jede einzelne Apotheke in Deutschland mit Aponow kooperiere. Engels dazu: „Jeder niedergelassene Arzt und jede Apotheke wird diskriminierungsfrei für den Patienten zur Auswahl geboten. Verlangt eine Apotheke, aus dem Verzeichnis entfernt zu werden, kommen wir dem Wunsch jederzeit gerne nach. Bislang hatten das in den vergangenen 9 Jahren genau 6 Apotheker verlangt.“

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*Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Aponow zu dem Gesundheits-IT-Unternehmen Vitabook gehört und früher auch unter dem Namen „Ordermed“ bekannt war. Das ist falsch. Laut Markus Bönig, Geschäftsführer der Vitabook GmbH, besteht keinerlei finanzielle Verbindung zwischen Aponow und Vitabook. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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