Hart aber Fair

Kammer kritisiert Minister Laumann für Aussage über Apotheken und Bäcker

Berlin - 03.03.2020, 15:15 Uhr

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) war gestern zu Gast bei „hart aber fair extra" und zog mit einigen Aussagen die prompte Kritik der Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf sich. (c / Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) war gestern zu Gast bei „hart aber fair extra" und zog mit einigen Aussagen die prompte Kritik der Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf sich. (c / Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)


Am gestrigen Montagabend sendete Das Erste eine „hart aber fair“-Extraausgabe zum Thema Coronavirus. Auch NRW-Gesundheits- und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) war zu Gast und überraschte mit einer Aussage zum Apothekenmarkt: Dass das Gesundheitssystem hierzulande stark sei, sehe man an den Apotheken. In seinem Wahlkreis gebe es mehr Apotheken als Bäcker. Es folgte prompte Kritik aus dem Apothekenlager: Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) hinterfragt die Aussagen des Ministers kritisch.

„In meinem Wahlbezirk gibt es mehr Apotheken als Bäckereien“, erklärte NRW-Gesundheits- und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann bei der „hart aber fair“-Extraausgabe am gestrigen Montagabend. Die seit Jahren, insbesondere in Westfalen-Lippe, sinkenden Apothekenzahlen erwähnte der CDU-Minister nicht. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe reagierte bereits einige Minuten später über Facebook mit einem „#Faktencheck“: „Laut Bäckerhandwerk gibt es bundesweit 46.000 Bäckereien (11.000 Meisterbetriebe und 35.000 Filialen). Demgegenüber gibt es bundesweit knapp 19.200 Apotheken (14.613 Hauptapotheken und 4583 Filialen). Soviel zum Thema ‚gefühlte‘ Wahrheit.“

DAZ.online hat genauer nachgefragt: Sebastian Sokolowski, Pressesprecher der AKWL, erklärte, dass es in Laumanns Wahlkreis Steinfurt II (beinhaltet den gesamten Kreis Coesfeld sowie die Städte/Gemeinden Altenberge, Laer und Nordwalde) Stand heute 53 Apotheken gibt. Vor zehn Jahren seien es noch 59 Apotheken gewesen. Dies entspreche einem Rückgang von 10,2 Prozent. Laut eigenen Aussagen kam man bei einer Internetrecherche auf etwa 139 Bäckerei-Filialen (inkl. denen in Supermärkten) im gleichen Raum.

Von der Kammer heißt es weiterhin: 


Die Aussage, dass es mehr Bäckereien als Apotheken geben soll, war schon immer falsch, sowohl zahlenmäßig als auch bei gesundem Menschenverstand: Das ‚täglich Brot‘ benötigen die Menschen meist jeden Tag, daher gehen die Menschen sehr regelmäßig in Bäckereien. Und Patienten gehen logischerweise nicht so häufig in Apotheken: Arzneimittel haben zwar ein Verfallsdatum, aber sie sind in der Regel wesentlich länger halt- und lagerbar als Brot und Brötchen.“

AKWL-Sprecher


AKWL: Das erzeugt eine Grundstimmung in Gesellschaft und Politik

Die Kammer kritisiert vor allem, dass eine Aussage, die suggeriere, es gebe zu viele Apotheken, eine gewisse Grundstimmung in Gesellschaft und Politik übertrage, dass die Apotheken eine Art Luxus seien, welchen sich die Gesellschaft leiste und dass man gegebenenfalls auf einige verzichten könne. „Falschinformationen und der Eindruck, dass es zu viele Apotheken gibt, […] haben somit das Potenzial, langfristig die wohnortnahe Arzneimittelversorgung zu verschlechtern und zu gefährden. Hier gilt es, gegenzuhalten“, so Sokolowski. 

Dies habe nichts mit Herrn Laumann persönlich zu tun, zu dem die Kammer ansonsten einen sehr guten Austausch pflege. Es sei der AKWL am gestrigen Montagabend aber wichtig gewesen, die Fakten sachlich geradezurücken.

Laumann relativiert Lieferengpässe

Außerdem interessant für Apotheker: Die Apothekerin aus Bayern Anneli Patzak reichte eine Videofrage zum Thema Lieferengpässe ein. Sie befürchtet, dass sich die Situation durch die Produktionsausfälle in China aufgrund des Virus zusätzlich verschlimmere. 

Laumann relativierte die Aussage der Apothekerin, dass fast 300 wichtige Arzneimittel nicht lieferbar seien (heutiger Stand BfArM-Liste: 285 offene Lieferengpässe): Man könne ja auch viel austauschen, sagte der CDU-Politiker. Generell sei er aber schon lange der Ansicht, dass keine Firmennamen, sondern nur noch Wirkstoffe auf der Medikamentenpackung stehen sollten, damit die Diskussion, ob ein Ersatzpräparat genauso gut wirke, etwas sachlicher geführt werde.



Svea Türschmann
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Erklärungsbedarf

von Rainer W. am 03.03.2020 um 18:53 Uhr

Kann jemand diesem Herren erklären wie Rabattverträge funktionieren?

Und dann noch die falsche Angabe zu Apothekenzahlen.

Ich habe ja gehofft man muss wenigstens ein wenig Einblick in sein Ressort haben, aber anscheinend gelten bei der CDU vor allem Stammtischparolen und Halbwissen.

Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen aber alle kompetenten Politiker werden ja weggeekelt...

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AW: Erklärungsbedarf

von Roland Mückschel am 04.03.2020 um 10:15 Uhr

Welche kompetente Politiker?

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Laumann

von Conny am 03.03.2020 um 18:38 Uhr

Seine Aussagen sind doch Steilvorlagen, natürlich nicht für unsere Abdaschläfertruppe.

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Fair gehandelte Arzneimittel

von Reinhard Rodiger am 03.03.2020 um 18:23 Uhr

Bemerkenswert ist in dieser Sendung der Hinweis von Prof. Kugler , "Fair gehandelte Arzneimittel " zu diskutieren.Als Reaktion auf das "Geiz ist geil" und die Just-in-time-Lieferketten bzw deren Unterbrechung.
Zudem zeigt die Aussage von Herrn Laumann , die Nennung des Wirkstoffs bietet eine Problemlösung, dass er die Problemursache nicht verstanden wird. Die Krankenkassen bestehen ja auf bestimmten Produkten und erschweren den Austausch.Offensichtlich wird das nicht wirksam kommuniziert.

Ran an die Verursacher der Probleme. Das ist nicht Sache einzelner Aktiver. Da fehlt Grundsätzliches.

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