Werbemaßnahmen der Shop Apotheke vor dem EuGH

Generalanwalt: Würde des Apothekerberufs kann Werbeverbote rechtfertigen

Berlin - 03.03.2020, 17:55 Uhr

Lassen sich Riesen-Versender wie die Shop Apotheke zügeln, um die Würde des Apothekerberufs zu schützen? ( t / Foto: Shop Apotheke)

Lassen sich Riesen-Versender wie die Shop Apotheke zügeln, um die Würde des Apothekerberufs zu schützen? ( t / Foto: Shop Apotheke)


Mitgliedstaaten dürfen Apothekenwerbung regulieren

Der Däne Saugmandsgaard Øe befasst sich in seinen Ausführungen zunächst mit der Frage, inwieweit sich die französischen Regelungen für die Werbung von Apotheken an den Vorgaben des Gemeinschaftskodexes für Arzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) messen lassen müssen. Dazu erläutert der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas: „Diese Frage ist insoweit von Interesse, als der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel eine sogenannte abschließende Regelung bildet, d. h. die nationalen Gesetzgeber in den Bereichen, in denen der Gemeinschaftskodex Regelungen vorsieht, nicht berechtigt sind, hier weitergehende, insbesondere strengere Regelungen zu treffen“. Der Generalanwalt kommt hier zu dem Ergebnis, dass die hier in Streit stehenden Regelungen für den Betrieb einer Versandapotheke nicht in den Bereich der im Gemeinschaftskodex harmonisierten Regelungen fallen. Damit ist es den nationalen Gesetzgebern möglich, die Werbung für Apotheken – auch im Hinblick auf das Arzneimittelangebot und den damit verbundenen Absatz – eigenständig zu regeln.

Für Douglas eine gute Botschaft: „Sollte sich der EuGH dieser Auffassung anschließen, wäre hiermit auch in deutschen Verfahren den immer wieder von den ausländischen Versandapotheken erhobenen Einwänden, die Einschränkung der Werbemaßnahmen von Versandapotheken verstieße gegen die Richtlinie, die Grundlage entzogen“. Solche Regelungen wären dann nur noch an den stets zu prüfenden Grundfreiheiten des EU-Vertrages zu messen.

Eingriff in den freien Binnemarkt?

Und diese Prüfung führt der Generalanwalt auch durch. Sein Fazit: Eine nationale Vorschrift, die einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Apotheke verbietet, in großem Umfang in per Post verschickten Werbeprospekten für Arzneimittel zu werben und ab einem bestimmten Bestellwert Preisnachlässe anzubieten, ist nicht zwingend unvereinbar mit den Regelungen zum freien Binnenmarkt. Besteht kein vollständiges Werbeverbot für die EU-Versender, sondern haben diese noch andere Möglichkeiten, in einem anderen Mitgliedstaat zu werben, könnte es eine schlichte „Verkaufsmodalität“ sein, die ohnehin nicht mit den Binnenmarkts-Prinzipien kollidiert – sofern sie gleichermaßen auf alle Marktteilnehmer Anwendung findet. Selbst wenn eine Werbebeschränkung wie ein faktisches Werbeverbot wirken sollte, könnte diese immer noch gerechtfertigt sein – sie müsste erforderlich und verhältnismäßig sein, um das Ziel des Gesetzgebers umzusetzen, etwa die Würde des Apothekerberufs zu schützen, beziehungsweise dem Ziel dienen, den übermäßigen Arzneimittelkonsum zu verhindern. Beides hält der Generalanwalt für keinesfalls abwegig. Ob es wirklich so ist, habe aber das vorlegende französische Gericht selbst zu prüfen.

Die Sache mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

Der Generalanwalt macht aber auch klar, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie 2000/31/EG) Mitgliedstaaten an bestimmten Verboten für die Online-Arzneimittelwerbung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten im eigenen Land hindere – darunter fallen dem Generalanwalt zufolge auch die konkreten französischen Verbote über den Einsatz von bezahlten Suchmaschineneinträgen oder aber die Pflicht, vor der ersten Bestellung einen Gesundheitsfragebogen auszufüllen. Das sei aber nur der Fall, wenn der erste Mitgliedstaat (hier: Frankreich) seine Absicht, besagte Regelung anzuwenden, dem zweiten Mitgliedstaat (hier: Niederlande) sowie der Europäischen Kommission zuvor nicht mitgeteilt hat – auch das müsse das französische Gericht überprüfen. Im vorliegenden Fall lasse sich der Akte nicht entnehmen, ob eine solche Mitteilung stattfand. Gab es eine Mittelung, sei der Mitgliedstaat nicht gehindert, die Regelungen auf einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Online-Anbieter von Arzneimitteln anzuwenden – erneut vorausgesetzt, sie sind geeignet und erforderlich, um die öffentliche Gesundheit zu schützen, was wiederum das vorlegende Gericht zu überprüfen habe.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Schweigen im Wald.

von Roland Mückschel am 04.03.2020 um 17:02 Uhr

Ist hier angesagt.
Aber ihr habt alle recht.
Mich kotzt diese Eu Gerichtsverarscherei
auch an.

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