Remdesivir bei Covid-19

Arzneimittel gegen das Coronavirus SARS-CoV-2: Studien starten

Stuttgart - 02.03.2020, 09:00 Uhr

Remdesivir gilt als vielversprechender Kandidat zur Behandlung von SARS-CoV-2-bedingten COVID-19-Erkrankungen. Ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, könnte Remdesivir (Gilead) auch bei Coronaviren wirken. (s / Foto: tilialucida / stock.adobe.com)

Remdesivir gilt als vielversprechender Kandidat zur Behandlung von SARS-CoV-2-bedingten COVID-19-Erkrankungen. Ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, könnte Remdesivir (Gilead) auch bei Coronaviren wirken. (s / Foto: tilialucida / stock.adobe.com)


Ursprünglich hat Gilead an Remdesivir zur Behandlung von Ebola geforscht. Nun gibt es Hinweise, dass das Nukleosid-Analogon auch gegen SARS-CoV-2-Infektionen wirksam sein könnte. Das Virostatikum ist derzeit weltweit in keiner Indikation zugelassen, jetzt startet Gilead im März zwei weitere klinische Studien an 1000 COVID-19-Patienten: Wirkt Remdesivir bei schweren COVID-19-Erkrankungen, senkt es das Fieber und erhöht die Sauerstoffsättigung? Hilft es auch (oder nur) bei moderaten Verläufen, können Patienten früher entlassen werden? Und wie lange muss die Therapie erfolgen - fünf oder besser zehn Tage? Erste klinische Prüfungen an Remdesivir laufen bereits in China und den USA.

Die Forschung an wirksamen Arzneimitteln und Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 – und die dadurch hervorgerufene Erkrankung COVID-19 – läuft auf Hochtouren. Bis ein Impfstoff verfügbar ist, dauert es nach Einschätzung des Virologen Professor Christian Drosten bis Sommer 2021. Verzögernd wirke sich weniger die bloße Entwicklung aus, sondern vielmehr die klinische Prüfung der Vakzine und der regulatorische Prozess bis zur Zulassung des Corona-Impfstoffes, so Drosten am Donnerstagabend (27. Februar 2020) in der ZDF-Diskussionsrunde bei Maybrit Illner.

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Ein kleines Stück weiter scheint man bei antiviralen Wirkstoffen zu sein, erste klinische Prüfungen laufen bereits – was teils dem Umstand geschuldet ist, dass einer der potenziellen Arzneistoffkandidaten, Remdesivir, nicht erst mit Ausbruch des Coronavirus entwickelt wurde, sondern ursprünglich als Medikament gegen Ebola. Und: Ebolaviren kennt man schon etwas länger – sie wurden erstmals 1976 in Zaire (seit 1997 Demokratische Republik Kongo) beschrieben, das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hingegen erst vor wenigen Wochen im Dezember 2019.

Remdesivir: „breit antiviral wirksam“

Bereits 2016 sahen Wissenschaftler in Nature das Potenzial für Remdesivir (GS-5734) nicht nur für an Ebola-Erkrankten. Die Forscher hatten damals das Virostatikum erfolgreich in vivo an Affen untersucht – Therapeutic efficacy of the small molecule GS-5734 against Ebola virus in rhesus monkeys – und kamen zu dem Schluss: „Erstmals konnte mit GS-5734 bei nicht-menschlichen Primaten ein nennenswerter postexponentieller Schutz vor dem Ebolavirus durch eine kleinmolekulare antivirale Verbindung gezeigt werden.“ Und weiter: „Die antivirale Breitspektrum-Aktivität von GS-5734 in vitro gegen andere pathogene RNA-Viren, einschließlich Filoviren, Arenaviren und Coronaviren, deutet auf das Potenzial für eine breitere medizinische Anwendung hin.“ 

Laut den Wissenschaftlern in Nature war Remdesivir selektiv für virale Polymerasen, Das sahen sie durch dessen „geringe Zytotoxizität auf menschliche Primärzellen und Zelllinien“ bestätigt. Mittlerweile konnte die „breite antivirale Wirksamkeit“ – dem Hersteller Gilead zufolge – gegen Ebola, das Marburg-Virus, MERS und SARS nicht nur in vitro, sondern auch in Tiermodellen gezeigt werden. Am Menschen wurde Remdesivir bislang nur an Ebola-Infizierten untersucht. Jetzt kommt Remdesivir, wohl schneller als ursprünglich erwartet, auch bei SARS-CoV-2-Infizierten in die klinische Prüfung.

Remdesivir wird an COVID-19-Erkrankten untersucht

Bereits im Februar hat die erste klinische Studie in den USA zu Gileads Remdesivir an COVID-19-Erkrankten am University of Nebraska Medical Center (UNMC) in Nebraska begonnen. Das National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) – Teil des National Institutes of Health (NIH), den Nationalen Gesundheitsinstituten – untersucht derzeit die Sicherheit und Wirksamkeit von Remdesivir an hospitalisierten Erwachsenen, die an COVID-19 erkrankt sind. Einer der Studien-Probanden war Passagier auf dem von SARS-CoV-2 betroffenen Kreuzfahrtschiff Diamond Princess.

Der Direktor des NIAID und Mitglied der U.S. Coronavirus Task Force, Anthony S. Fauci, M.D., erklärt:


Wir brauchen dringend eine sichere und wirksame Behandlung für COVID-19. Obwohl Remdesivir einigen Patienten mit COVID-19 verabreicht wurde, liegen uns keine soliden Daten vor, die darauf hinweisen, dass es das klinische Outcome der Patienten verbessern kann."

Anthony S. Fauci, M.D (Direktor des NIAID)


Das soll die randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie nun ändern. Eingeschlossen werden Patienten, die labordiagnostisch SARS-CoV-2 bestätigt sind, wenn diese eine Lungenbeteiligung zeigen (Rasselgeräusche beim Atmen und zusätzliche Sauerstoffversorgung oder auffälliger Röntgenbefund oder künstliche Beatmung). COVID-19-Patienten mit nur milden Erkältungssymptomen dürfen an der Studie nicht teilnehmen.

Wirkt Remdesivir besser als Placebo?

Im Rahmen der Studie erhalten die SARS-CoV2-Infizierten für die Dauer ihres Klinikaufenthaltes (maximal jedoch zehn Tage) entweder initial 200 mg Remdesivir i.v. an Tag 1, gefolgt von täglich 100 mg Remdesivir i.v., oder ausschließlich Placebo. Die Studienärzte erheben fortlaufend Temperatur, Blutdruck und den zusätzlichen Sauerstoffbedarf, zudem sollen alle zwei Tage Blutproben, Nasen- und Rachenabstriche auf SARS-CoV-2 untersucht werden. Erste Ergebnisse der Remdesivir- und Placebogruppe sollen an Tag 15 verglichen werden, um festzustellen, ob Remdesivir den klinischen Nutzen stärker erhöht als Placebo. Laut NIH werden die Ergebnisse auf einer Sieben-Punkte-Skala bewertet, diese reicht von „vollständiger Genesung“ bis zum „Tod“.

Studien in Asien auch bei weniger schwer COVID-19-Erkrankten

Auch in Asien sollen im März zwei weitere klinische Studien (Phase 3) an etwa 1000 COVID-19-Infizierten die Sicherheit und Wirksamkeit von Remdesivir zeigen. Die Studien laufen Open-Label und multizentrisch (vor allem Asien) und „erweitern die laufende Forschung zu Remdesivir (zwei klinische Studien in der chinesischen Provinz Hubei unter der Leitung des China-Japan Friendship Hospital sowie der klinischen Studie in den USA)“, so Hersteller Gilead. Erste Ergebnisse der chinesischen Studien erwartet Gilead im April.

Fiebersenkung und bessere Sauerstoffsättigung durch Remdesivir?

Die beiden neuen Studien untersuchen unterschiedliche Therapiedauern bei Remdesivir, vor allem sollen auch weniger schwer Erkrankte eingeschlossen werden.  

Die erste der beiden Studien vergleicht die Sicherheit und Wirksamkeit einer Fünf-Tage-Behandlung mit einer zehntägigen Remdesivir-Gabe an schwer an COVID-19-Erkrankten. 400 Patienten (SARS-CoV-2 positiv und schwerer Verlauf) werden 1:1 randomisiert und erhalten nach einer intravenösen Initialdosis von 200 mg Remdesivir entweder insgesamt fünf Tage oder zehn Tage das Virostatikum, die restlichen Tage jeweils mit einer Dosis von 100 mg zusätzlich zur Standardbehandlung. „Das primäre Ziel dieser Studie ist die Bewertung der Wirksamkeit von Remdesivir“, erklärt Gilead, was anhand der Normalisierung von Fieber und Sauerstoffsättigung [T < 36,6 °C in der Achselhöhle, < 37,2 °C oral, < 37,8 °C rektal; und Sp02 > 94 Prozent, mindestens 24 Stunden lang bis zum 14. Tag] festgemacht wird.

Frühere Krankenhausentlassung durch Remdesivir?

Die zweite Studie wird ebenfalls die Sicherheit und Wirksamkeit eines fünf- und zehntägigen Dosierungsschemas von intravenös verabreichtem Remdesivir untersuchen. Dieses Mal jedoch bei Patienten mit moderaten Verläufen einer COVID-19-Erkrankung, zusätzlich gibt es ein drittes Studienkollektiv, das ausschließlich die Standardbehandlung erhält. Etwa 600 Teilnehmer werden in einem Verhältnis von 1:1:1 randomisiert und erhalten am ersten Tag 200 mg Remdesivir, gefolgt von je täglich 100 mg Remdesivir zusätzlich zur Standardbehandlung bis zum fünften oder zehnten Tag. Das primäre Ziel dieser Studie ist die Bewertung der Wirksamkeit von Remdesivir, gemessen am Anteil der Teilnehmer in jeder Gruppe, die bis zum 14. Tag entlassen werden.

Wann die Ergebnisse da sind und ob Remdesivir im Kampf gegen das neuartige Coronavirus tatsächlich helfen kann, ist derzeit nicht bekannt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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