Arzneimittel-Lieferengpässe

Österreich führt Meldepflicht ein und darf Exportverbote verhängen

Remagen - 21.02.2020, 08:59 Uhr

Österreich ergreift Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei  Arzneimitteln. ( r / Foto: imago images / CHROMORANGE)

Österreich ergreift Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei  Arzneimitteln. ( r / Foto: imago images / CHROMORANGE)


In Österreich werden die pharmazeutischen Unternehmen ab Anfang April dazu verpflichtet, Lieferengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) anzuzeigen. Diese kommen auf eine Liste, die fortlaufend aktualisiert werden muss. Solange sie dort draufstehen, dürfen sie nicht exportiert werden.

Vor wenigen Tagen ist in Österreich eine „Verordnung über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung“ im österreichischen Bundesgesetzblatt erschienen.Sie ist der Vermeidung von Versorgungsengpässen gewidmet und enthält die folgenden Maßnahmen:

  • Es wird eine unverzügliche Meldepflicht des Zulassungsinhabers bei Einschränkungen der Vertriebsfähigkeit eines verschreibungspflichtigen Präparates im Inland eingeführt (voraussichtlich über zwei Wochen hinausgehende Nichtverfügbarkeit oder voraussichtlich über vier Wochen hinausgehende nicht ausreichende Verfügbarkeit).
  • Alle gemeldeten Fertigarzneimittel werden nach Überprüfung der Meldung durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) frühestens am Tag des tatsächlichen Eintritts der Einschränkung auf dessen Webseite in einer Liste bekanntgemacht.
  • Die Überprüfung der Meldung bezieht sich besonders auf die Anzahl der betroffenen Patienten, die Marktabdeckung, die durchschnittlichen Verkaufszahlen, den errechneten Bedarf und den Lagerbestand sowie verfügbare potentielle alternative Arzneimittel.
  • Die Liste wird bei Wegfall der Einschränkung der Vertriebsfähigkeit aktualisiert und regelmäßig auf ihre Aktualität geprüft.
  • Arzneimittel müssen auch dann in die Liste aufgenommen werden, wenn das BASG bemerkt, dass der Zulassungsinhaber seiner Meldeverpflichtung nicht oder teilweise nicht nachkommt und offenbar eine Einschränkung der Vertriebsfähigkeit vorliegt.
  • Dasselbe gilt auch, wenn das BASG bemerkt, dass der einheimische Bedarf mit einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht gedeckt wird, selbst wenn nach Angaben des Zulassungsinhabers keine Einschränkung der Vertriebsfähigkeit vorliegt.
  • Der Export der in der BASG-Liste veröffentlichten verschreibungspflichtigen Arzneimittel  in eine andere Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraums wird verboten.

Notifizierung erfolgreich „durchgestanden“

Die österreichische Regierung hatte den entsprechenden Verordnungsentwurf im Oktober 2019 auf den Weg gebracht und diesen, wie die EU-Regularien es vorsehen, durch ein europäisches Notifizierungsverfahren laufen lassen. Damit erhielten die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das Vorhaben im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Warenverkehrsfreiheit über eine dreimonatige „Stillhaltefrist“ zu prüfen und gegebenenfalls Stellung dazu zu nehmen. Offensichtlich gab es keine Einsprüche. Die Verordnung wird nun zum 1. April in Kraft treten.

„Österreich zuerst“

Die pharmazeutische Industrie in Österreich zeigt sich erfreut über die Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt: „Das ist ein wichtiger Schritt für die Arzneimittelversorgung in Österreich“, so PHARMIG-Generalsekretär Alexander Herzog in einer Pressemitteilung. „Die Verordnung ist aus der intensiven Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit dem BASG, den Apothekern und dem Großhandel entstanden. Mit den Daten aus dem Melderegister und dem temporären Exportverbot setzen wir gemeinsam eine wichtige Maßnahme, um Lieferverzögerungen von Arzneimitteln hintan zu halten“, meint Herzog. Dass Produkte, solange sie in dem BASG- Register aufscheinen, einem temporären Exportverbot unterliegen, sei ganz im Sinne der österreichischen Patienten, denn damit gelte „Österreich zuerst“. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir hiermit einen wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz in der Arzneimittelversorgung leisten und sich hoffentlich auch die Situation der Lieferprobleme in Zukunft entspannt“, fügt der PHARMIG-Generalsekretär an.

Kommission: Exportverbote können gerechtfertigt sein 

Erst vor wenigen Tagen hatte sich die Europäische Kommission anlässlich einer parlamentarischen Anfrage zu nationalen Exportverboten zur Vermeidung von Versorgungsengpässen positioniert und diesen keine generelle Absage erteilt. Sie hatte vielmehr darauf verwiesen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen könnten, um den Arzneimittelmangel zu verhindern oder zu beheben, indem sie den freien Verkehr von, nach und in ihrem Hoheitsgebiet beschränken, um das menschliche Leben zu schützen und eine angemessene Versorgung mit Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten. Die Maßnahmen müssten allerdings vertretbar und notwendig sein und in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen. Ein Selbstgänger sind solche Verbote also keineswegs.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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