Wirbel um Großhandelsmarktführer in Österreich

Apotheker zeigen Herba Chemosan bei der Wettbewerbsbehörde an

Remagen - 19.02.2020, 09:00 Uhr

Dem Pharma-Großhändler Herba Chemosan wird vorgeworfen, gemeinsam mit seinem US-Mutterkonzern McKesson Länderkontingente festzulegen und Knebelverträge mit Apotheken abzuschließen. (Foto: imago images / imagebroker)

Dem Pharma-Großhändler Herba Chemosan wird vorgeworfen, gemeinsam mit seinem US-Mutterkonzern McKesson Länderkontingente festzulegen und Knebelverträge mit Apotheken abzuschließen. (Foto: imago images / imagebroker)


In Österreich ist der führende Pharma-Großhändler Herba Chemosan unter heftigen Beschuss geraten. Einige Händler und Apotheker wollen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde diesem einmal genauer auf die Finger schaut: Angeblich soll es Knebelverträge mit Apotheken und Marktkontingentierungen geben.

Verschiedene österreichische Medien, darunter die Oberösterreichischen Nachrichten („OÖNachrichten“), melden, dass der führende Pharmagroßhandels-Dienstleister des Landes Herba Chemosan seine Stellung zu Wettbewerbsverstößen missbraucht haben soll. Sie berufen sich dabei auf einen Bericht in dem Wirtschaftsmagazin „trend“. Mehrere Händler und Apotheker hätten gegen das Unternehmen eine Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingebracht. Die BWB habe mitgeteilt, der „fundierten Anzeige" nachgehen zu wollen.

Knebelverträge mit Apotheken

Dem Großhändler werde vorgeworfen, gemeinsam mit seinem US-Mutterkonzern McKesson Länderkontingente festzulegen und Knebelverträge mit Apotheken abzuschließen. Zudem soll Herba Chemosan hauptverantwortlich für Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln sein, weil der Großhändler den Markt künstlich verknappe. Außerdem glaubten die anzeigenden Unternehmen, dass der Distributeur die Preise auf Großhändlerebene mit zwei weiteren Marktteilnehmern abstimmt.

Grüne wollen generelle Überprüfung des Großhandels

Die angeschuldigte Herba Chemosan weise die Vorwürfe als „widersinnig“ zurück. Zweifellos gebe es ein Problem, da derzeit etwa 700 Präparate nicht lieferbar seien. Das Unternehmen arbeite jedoch daran, diese zu beschaffen. Dieses Problem sei „zumindest europaweit“, wenn nicht weltweit, zu sehen, soll ein Unternehmenssprecher betont haben.

In die Debatte hätten sich auch die Grünen eingemischt. „Ich teile den Verdacht, dass der Großhandel das Angebot verknappt", soll Ralph Schallmeiner, Gesundheitssprecher der Grünen, laut Salzburger Nachrichten am Freitag zur Presseagentur APA gesagt haben. Die Grünen wollten nun eine generelle Prüfung des Pharmagroßhandels durch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Das werde Schallmeiner nach eigenem Bekunden „von Apotheken“ nahegelegt.

Liefereinschränkungen auch für die Phago-Mitglieder belastend

Der Verband der österreichischen Arzneimittel-Großhändler Phago sehe einer möglichen Prüfung gelassen entgegen. 2018 habe die Bundeswettbewerbsbehörde im Rahmen der Branchenuntersuchung bereits die Phago-Mitglieder geprüft und damals keine Beanstandungen ausgesprochen, die in Empfehlungen mündeten, wird die Phago-Generalsekretärin Monika Vögele als Antwort auf eine APA-Anfrage zitiert. Die zunehmenden Liefereinschränkungen seien auch für die Phago-Mitglieder eine enorme Belastung: „Der Großhandel hätte keinen Vorteil von der Verknappung eines Angebots, weil die Preisspanne gesetzlich festgelegt ist", so Vögele.

„Apotheken mit Chemosan-Beteiligung nicht bevorzugt“

Für den Grünen-Politiker Schallmeiner sei es auch „eigenartig“, dass Großhändler an einzelnen Apotheken beteiligt sind. Auch das wolle er kontrolliert haben. Zirps habe bestätigt, dass Herba Chemosan an einigen Apotheken beteiligt sei, das seien alle anderen Großhändler aber auch. Das sei aus dem Firmenbuch ersichtlich und strikt gesetzlich geregelt. Nach spätestens zehn Jahren müsse der Konzessionär, ein Pharmazeut, die Mehrheit an seiner Apotheke haben. Apotheken mit Chemosan-Beteiligung würden keinesfalls bevorzugt.

Geschäft von McKesson Europe in Österreich

Die Herba Chemosan Apotheker-AG verkörpert seit dem Jahr 2000 das Geschäft von McKesson Europe in Österreich. Gemeinsam mit den Tochterunternehmen Sanova und Aewige bildet sie die Herba Gruppe. Der heute etwa 900 Mitarbeiter und sieben Betriebsstätten zählende Großhändler blickt auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurück. Mit Lieferbeziehungen zu rund 90 Prozent aller österreichischen Apotheken und einem Marktanteil von 43 Prozent ist Herba Chemosan der führende Pharmagroßhandel und -dienstleister des Landes. Zu seinem Portfolio gehören neben der Arzneimitteldistribution auch Apothekensoftware, Ausstattung für Apotheken, Marketingservices und vieles mehr. Aewige ist Wirtschaftspartner der ärztlichen Hausapotheken. Sanova vermarktet eine Vielzahl an Gesundheitsprodukten in- und ausländischer Unternehmen und übernimmt auch deren zentrale Distribution für ganz Österreich.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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