Versorgungssicherheit

„Absurder“ Großhandel? Noweda-Chef Kuck beschwert sich bei Hennrich

Berlin - 17.02.2020, 12:45 Uhr

Noweda-Chef Michael P. Kuck ist irritiert wegen einer Aussage des CDU-Politikers Michael Hennrich und hat daher einen offenen Brief verfasst. (s / Foto: DAZ)

Noweda-Chef Michael P. Kuck ist irritiert wegen einer Aussage des CDU-Politikers Michael Hennrich und hat daher einen offenen Brief verfasst. (s / Foto: DAZ)


„Das Logistiksystem des Großhandels ist absurd.“ Mit dieser Aussage hatte der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) überrascht. Dass Hennrichs Aussage in der Großhandelsbranche durchaus für Irritationen gesorgt hat, zeigt nun ein Brief von Noweda-Chef Michael P. Kuck an den CDU-Politiker. Kuck wirft seinerseits der Politik einige „Absurditäten“ vor und spricht die Themen Lieferengpässe, EU-Versender und Apothekenschließungen an.

Michael Hennrich ist Obmann der Unionsfraktion im Gesundheitsausschuss und innerhalb der AG Gesundheit zuständig für alle Arzneimittelthemen. Des Öfteren hat Hennrich daher auch mit dem pharmazeutischen Großhandel zu tun. Dass er am derzeitigen Großhandelssystem durchaus Änderungsbedarf sieht, hatte Henrich schon mehrfach angesprochen. In einem DAZ.online-Interview zum Thema Klimaschutz hatte der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg beispielsweise schon einmal in Frage gestellt, ob man die Tourenzahl der Großhändler nicht reduzieren könnte. Bei einer Veranstaltung des BAH Anfang Februar brachte er diesen Gedanken erneut vor. Er habe kein Verständnis, wenn die Grossisten es sich erlauben können, mehrmals täglich Apotheken zu beliefern, sagte Hennrich. Diese Investitionen sollten sie eher in die Bevorratung stecken, findet er. Aus seiner Sicht ist das Logistiksystem der Großhändler schlicht „absurd“.

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Knapp zwei Wochen sind vergangen seit diesen Äußerungen – bislang hatte sich in der Öffentlichkeit zumindest kein Großhändler über Hennrich beschwert. Nun hat Noweda-Chef Michael P. Kuck allerdings einen offenen Brief an Hennrich verfasst, in dem er schwere Vorwürfe gegen die Gesundheitspolitik im Allgemeinen erhebt. Kuck listet in seinem Schreiben mehrere aktuelle gesundheitspolitische Themen auf, die aus seiner Sicht „absurd“ sind. Es sei absurd, wenn man in Zeiten des Coronavirus besorgt sein müsse, ob die Antibiotika-Versorgung aufrechterhalten bleibt. „Jahrelang hat die Politik alle Warnungen vor einer zu großen Abhängigkeit von anderen Staaten in der Arzneimittelproduktion ignoriert“, meint Kuck.

Es sei auch absurd, dass die Politik dabei zuschaue, wenn alle 32 Stunden in Deutschland eine Apotheke schließe. Ebenso hat der Noweda-Chef kein Verständnis dafür, dass die Politik „hinnimmt“, dass industrielle Arzneimittelversender im Ausland „behördlich praktisch nicht kontrolliert“ würden, während die Kontrollauflagen für den Großhandel und für Apotheker stetig ansteigen. Es sei auch absurd, dass 21 Eu-Staaten ihre Versorgungsstruktur im Apothekenmarkt durch ein Rx-Versandverbot schützen und in Deutschland dafür keine Möglichkeit gesehen werde. Mit Blick auf das kürzlich verabschiedete Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) findet es Kuck auch absurd, dass Hersteller und Großhändler nun Daten liefern sollen, anstatt die „jahrelangen Sparmaßnahmen“ der GKV als die „tatsächliche Ursache“ der Engpässe anzuerkennen.

Das Großhandelssystem verteidigt Kuck vehement. „Mit ausgefeilter Lagerhaltung und mehrmaliger Belieferung“ stellten die Noweda und „weitere“ Großhändler in einer Art und Weise sicher, die „weltweit“ ihresgleichen suche. Kuck wörtlich:


Gemeinsam mit den Vor-Ort-Apotheken und den weiteren Unternehmen des Pharmazeutischen Großhandels sorgen wir dafür, dass jeder Patient jedes in Deutschland zugelassene und verfügbare Arzneimittel entweder sofort oder innerhalb weniger Stunden erhält. Diese Arzneimittelversorgung auf höchstem Niveau durch ein Logistiksystem, das ständiger Optimierung unterliegt, ist nicht absurd, sondern eine Errungenschaft und herausragende Leistung des Gesundheitssystems.“

Noweda-Chef Michael P. Kuck


Noweda beschäftigt sich mit Wasserstoff-Antrieben

Statt das derzeitige Versorgungsniveau zu kritisieren, sollte die Politik aus Sicht des Noweda-Chefs „geeignete Rahmenbedingungen“ schaffen, um dieses Niveau auch zu erhalten. Dass auch die Grossisten sich Gedanken machen müssen, wie die Umwelt zu schützen ist, findet Kuck „selbstverständlich“. Die Noweda sei hier schon aktiv – unter anderem seien bei der Hälfte der Niederlassungen auf den Dächern „großflächige Solaranlagen“ installiert. Ebenso gebe es dort Wärmepumpen zur Wärmeerzeugung und stromlose Solartubes zur Beleuchtung. Das Unternehmen beziehe sein Erdgas zudem hundertprozentig klimaneutral.

Kuck spricht auch das Thema Tourenanzahl und den Fuhrpark der Großhändler an. Zur Erinnerung: Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner hatte sich gegenüber DAZ.online eher zurückhaltend zum Thema E-Mobilität geäußert – diese sei noch nicht ausgereift genug. Kuck erklärt, dass sich die Noweda mit den Themen E-Mobilität und Wasserstoff-Antrieben beschäftige. „Gerade in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik sehen wir eine vielversprechende Möglichkeit, unseren Fuhrpark nachhaltiger und ökologischer aufzustellen“, so Kuck. Dass die Unternehmen einfach Touren streichen sollen, ist aus Kucks Sicht nicht möglich. Der Noweda-Chef erklärt dazu:


Der pauschale Abbau von Belieferungstouren würde dagegen sofort die hohe Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Patienten verschlechtern, die heute von zehntausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pharmazeutischen Großhandels und der Vor-Ort-Apotheken Tag für Tag unter großen Anstrengungen sichergestellt wird. Zugleich würde der ausländische Versandhandel weiter gestärkt, der sich im Übrigen offensichtlich nicht mit Forderungen nach C02-Einsparungen konfrontiert sieht.“

Noweda-Chef Michael P. Kuck


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Schließlich fragt Kuck den CDU-Politiker, wer denn anstelle des Großhandels die Lagerhaltung übernehmen solle. Schließlich gebe es mittlerweile etwa 28.000 Rabattverträge – die Apotheken könnten die Lagerhaltung allein schon aus Platzgründen nicht übernehmen. Und so macht Kuck dem CDU-Politiker Hennrich in seinem Fazit den folgenden Vorwurf: „Letztendlich lässt sich Ihre Auffassung zur Verringerung der Belieferungsfrequenz mit einem Satz beschreiben: Verschlechterung der Versorgungsqualität der Bevölkerung zum Zwecke schneller C02-Einsparung. Eine Politik, die das will, sollte den Mut haben, das auch zu sagen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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13 Kommentare

Absurditäten

von Dr Keil Mathias am 18.02.2020 um 10:24 Uhr

Absurd ist es doch, wenn Parteien sog. Fachleute mit Aufgaben betrauen, von denen sie offensichtlich keine oder nur begrenzte Ahnung haben.
Absurd ist es auch, dass eine dermaßen unqualifizierte Äußerung aus der Politik von den Standesvertretern (ABDA, Kammern) im Raum stehen gelassen wird und erst durch Herrn Kuck (Gott sei Dank) eine Erwiderung und entsprechende Erwiderung erfolgt.
Aber vielleicht hat sich die Politik mit der aktuellen Situation der Lieferengpässe schon abgefunden, denn da würde es für einzelne Produkte in der Tat eine quartalmäßige Belieferung ausreichen ggf. Zuschlag per Losenetscheid

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AW: Keine Ahnung

von Michael Hennrich am 18.02.2020 um 10:50 Uhr

Nur weil ich eine Meinung vertrete, die Ihnen nicht passt habe ich keine Ahnung? Sehr eindimensionales Denken. Vielleicht ein Problem vieler, die sich hier äußern.

AW: Absurditäten und die sich daraus ableitenden Problempersonen ...

von Christian Timme am 18.02.2020 um 14:38 Uhr

Als Obmann der Unionsfraktion im Gesundheitsausschuss und innerhalb der AG Gesundheit zuständig für alle Arzneimittelthemen setze ich ein gewisses Fachwissen, auch um Abläufe in der Apotheke, voraus. Daneben auch einen präzisen Umgang mit unserer Muttersprache. Selbst wenn wir das Umfeld Faschingszeit berücksichtigen ... ist diese Aussage ebenfalls im Namen der gesamten o.g. Fraktion erfolgt. In diesem Zusammenhang von: „ Nur weil ich eine Meinung vertrete ...“ zu sprechen, halte ich für mehr als gewagt, mein Herr. In diesem Sinne ... tun Sie sich auch weiterhin keinen Zwang an ...

Kuck Hennrich

von Peter Kaiser am 18.02.2020 um 9:06 Uhr

Ratschläge von Herrn Hennrich.
Gut dass die Genossenschaft dagegen hält. Ich möchte über die Belieferungsfrequenz noch ergänzen:
Bei einmaliger Belieferung durch den Großhandel hätten wir schlichtweg keinen Platz für die Menge der "Mahrwegkisten", die gleichzeitig in dern Apothekenräumen abgestellt würden.
Es wäre manchmal hilfreich, wenn man ab uns zu ein Tagespraktikum in Apotheken machen würde. Hierzu lade ich gerne alle Entscheidungsträger ein.

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AW: Kuck Hennrich

von Michael Hennrich am 18.02.2020 um 10:37 Uhr

Lieber Herr Kaiser,
Wer spricht den von einmaliger Belieferung? Mir wird vom Großhandel berichtet, dass viele Apotheken bei mehreren Großhändlern bestellen und dann auch noch von diesen mehrfach beliefert werden.6-malige Belieferung am Tag wäre keine Seltenheit. Frage muss das so sein? Gleichzeitig will der Großhandel mehr Geld. Könnte man da nicht mal drüber nachdenken? Finde das schade, dass keine qualifizierte Debatte darüber möglich ist.

AW: Kuck Hennrich

von Peter Kaiser am 18.02.2020 um 11:07 Uhr

Sehr geehrter Herr Hennrich,
da haben Sie natürlich Recht. Ich wollte keine Diskussion verhindern, sondern nur in einen Dialog mit Ihnen eintreten.
Die Prozessabläufe in den Apotheken verändern sich immer schneller und hier sollten auch "Praktiker" zu Wort kommen.
Securpharm, Automatisierung, E-Rezept, Vorbestellungen via APP, FAX, Telefon, email usw. und Mangelverwaltung durch Lieferengpässe machen die Arbeit beinahe unmöglich. Wenn man dann noch im Notdienst nachts von besoffenen Jugendlichen herausgeläutet, die Traubenzucker erbetteln wollen, ist das Maß voll.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kaiser

Absurde Äußerungen von Politikern

von Nelles am 17.02.2020 um 22:05 Uhr

Wir sind ja schon viel gewohnt, aber die Unkenntnis des Herrn Heinrich übertrifft vieles noch um Längen.
1. wie sollen wir die vielen Rabattverträge erfüllen ohne den Pharma Großhandel?
2. wie können Apotheken auf die erhöhte Nachfrage von Kunden kurzfristig reagieren?
3.warum gibt es diese Arzneimittel Vielfalt?
4. warum wird nicht der Versandhandel, der wesentliche mehr Umweltverschmutzung darstellt eingeschränkt?
5. die vor-Ort-Apotheke ist die Garantie für eine Arzneimittel Versorgung auch im Notfall und in der Nacht...und dann müssen die abgeben Arzneimittel am nächsten Tag wieder bestellt und vorrätig sein , sonst ist die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimittel nicht zu gewährleisten.
Wenn Herr Heinrich ein anderes System möchte, so sollte er das auch sagen.

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Bewegung ist der erste Feind des Poltikers ... wird er bewegt ... verliert er seine Daseinsberechtigung ...

von Christian Timme am 17.02.2020 um 21:10 Uhr

Die Apotheker "bewegen" sich ... der ABDA-Vasall hat versagt. Man könnte auch in Abwandlung zu H. Kissinger sagen: Politiker erfüllen keinen Wählerauftrag sondern nur Eigeninteressen. Deshalb sind auch "Fremdeinflüsse" mehr als unerwünscht ...

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Rückgrat der Arzneimittelversorgung

von Dirk Krüger am 17.02.2020 um 18:56 Uhr

Der vollsortierte pharmazeutische Großhandel ist das Rückgrat der Lieferfähigkeit der Apotheken. Er hat auch noch den letzten der 25 Anbieter des gleichen Wirkstoffs vorrätig. Und gerade diesen lketzten sind wir Apotheker verpflichtet abzugeben - oftmals in kürzester Zeit. Rabattverträgen und Rahmenvertrag sei "Dank". Würden wir nur noch ein Mal täglich beliefert werden, müssten wir das Nichtverfügbarkeitskennzeichen "Akutversorgung" ständig aufbringen. Das Gejammer der Krankenkassen über die Nichtabgabe von Rabatt-Arzneimitteln wäre groß. Das System "Rabattverträge" ist absurd. Die Festbeträge als Steuerungsinstrument würden völlig ausreichen. Präparate zum oder unter dem Festbetrag hat jede Apotheke in ausreichender Vielfalt der Wirkstoffe vorrätig. Dann müsste uns der Großhandel tatsächlich wesentlich weniger häufig beliefern.
Ich habe von Herrn Hennrich noch keine Beschwerde über die Atomisierung des Vertriebs insgesamt gehört - nämlich Amazon und Co. . Hanebüchen, wie viele hunderttausende einzelne Päckchen täglich in Einzelhaushalte geliefert wird. Da stecken Reserven für den Umweltschutz.

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Löschung

von Conny am 17.02.2020 um 14:48 Uhr

Sorry, die letzten drei Kommentare über die Verblödung des Herrn H. sind stehen geblieben. Dachte die Redaktion denkt genauso.

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Absurditäten

von Roland Mückschel am 17.02.2020 um 14:26 Uhr

Endlich erklärt dem Hennrich mal eine kompetente
Persönlichkeit dass er selber absurd ist.
Herr Hennrich, sie sollten sich was schämen.
Wo waren sie eigentlich, auf dem musischen
Gymnasium?

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Noweda

von Michael Zeimke am 17.02.2020 um 13:27 Uhr

Eventuell sollten sie einem Juristen erklären, dass der Weg von DocMo (Grenzland) weiter ist ,als jeder Weg eines deutschen GH zur Apotheke.

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AW: Noweda

von ratatosk am 18.02.2020 um 8:25 Uhr

Judex non calculat, das hat der Hennrich offensichtlich falsch verstanden. Eine weitere groteske Erscheinung im Bereich deutscher Gesundheitspolitiker - soll man eigentlich noch Gesundheitspolitiker sagen, ist bei denen ja völlig daneben ?
Aber die Gelder in der Politik kommen eben eher vom Versandandel mit dem Großkapital, als von einer seriösen Genossenschaft, die die nötigen Kompetenzen hat, das Ergebnis war klar und ist immer wieder mal zu lesen.
Nur am Rande mal zum Naturschutz für den Großhandel - wielviel % Elektroautos verwenden eigentlich deutsche Ministeriumsgranden und wieviele Flugmeilen verbraten sie ? eben !

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