GesundheitSökonom Uwe May beim Kooperationsgipfel

„Haftung beim Impfen? Kein Problem!“

München - 14.02.2020, 07:00 Uhr

Gesundheitsökonom Professor Uwe May (hier bei ener BAH-Veranstaltung) hat ein Konzept entwickelt, wie die  Impfprojekte in Apotheken konkret umgesetzt werden können. (Foto: BAH/Domma)

Gesundheitsökonom Professor Uwe May (hier bei ener BAH-Veranstaltung) hat ein Konzept entwickelt, wie die  Impfprojekte in Apotheken konkret umgesetzt werden können. (Foto: BAH/Domma)


In deutschen Apotheken können demnächst im Rahmen von Modellprojekten Grippeimpfungen durchgeführt werden. Unter anderem die Apothekerverbände können mit den Kassen entsprechende Vereinbarungen treffen. Gesundheitsökonom Professor Uwe May hat ein Konzept entwickelt, wie diese Projekte konkret umgesetzt werden können. Gar keine Probleme sieht er bei einem Punkt, der vielen Apothekern Sorgen bereitet: der Haftung.

Dass der Organisator des Kooperationsgipfels Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Apothekenkooperationen (BVDAK), ein großer Fan von Grippeimpfungen in der Apotheke ist, ist kein Geheimnis. Bereits in der Vergangenheit hatte er sich immer wieder dazu geäußert, so auch beim diesjährigen Kooperationsgipfel, der am Mittwoch und Donnerstag in München stattfand. Er sieht in den Grippeimpfungen eine Jahrhundertchance für die Apotheker. Nutzten sie diese nicht, seien sie allerdings „tot“, so Hartmann. Der Apotheker sieht in den Impfungen auch ökonomisches Potenzial – in Form von zusätzlichen Kundenkontakten. Er rechnet vor: Um auf die gewünschte Durchimpfungsrate zu kommen, müssten in Deutschland neun Millionen zusätzliche Impfdosen an den Mann bzw. die Frau gebracht werden. Sollten alle Apotheken gegen Grippe impfen, wären das etwa 470 Kontakte in jeder Apotheke. Bieten hingegen nur 3000 Apotheken diese Dienstleistung an, macht das zusätzliche 3000 Patientenkontakte.

Haftung wie bei anderen pharmazeutischen Tätigkeiten

Darüber wie das mit dem Impfen konkret aussehen könnte, hat sich Gesundheitsökonom Professor Uwe May Gedanken gemacht. In DAZ 3/2019 hat er sein Konzept mit seinen Kolleginnen Anissa Schneider-Ziebe und Cosima Bauer ausführlich dargelegt. Beim Kooperationsgipfel stellte er eine Kurzversion vor. Gleich zu Beginn beantwortete May eine Frage, die viele Apotheker beschäftigt – die nach der Haftung. Hier habe man im Vorfeld gedacht, dass diese schwer zu beantworten sei, das stimme aber gar nicht, so May. Die Situation entspreche der Sachlage bei pharmazeutischen Tätigkeiten, wie der Arzneimittelabgabe. Da seien Apotheker ja auch versichert. Wichtig sei allerdings eine ausreichend hohe Deckungssumme.

Weitere Felder, neben der Haftung, die man laut May regeln muss, sind der Befähigungsnachweis und die Impfberechtigung, die apothekenbetrieblichen Anforderungen, die Zielgruppe und die Honorierung. Um den Apothekern das Impfen beizubringen, schwebt May eine zweiteilige Schulung vor: Im 1. Modul soll die Theorie gelehrt werden im Rahmen von zwei 90 minütigen E-Learnings . Im Anschluss soll es eine Online-Prüfung geben. Deren Bestehen berechtigt dann zur Teilnahme an Modul 2, das als Präsenzveranstaltung stattfindet. Dort sollen dann in 8 Stunden die praktischen Inhalte vermittelt und abschließend geprüft werden.

May: Räumliche Anforderungen sind erfüllt

Die räumlichen Anforderungen der Apotheken sieht May durch die geltenden Regelungen bereits erfüllt. Bei der Frage nach der Honorierung müsse zunächst die Leistung definiert werden, so May. Die umfasst seiner Auffassung nach die Beratung inklusive eines Fragebogens, die Dokumentation, die Impfung selbst und die Abrechnung. Dabei dürfe das Honorar nicht nur kostendeckend sein, sondern auch heilberuflich adäquat: „Das muss so sein, dass die Apotheker da Lust drauf haben“, so der Ökonom. Er schlägt ein Honorar von etwa 15 Euro plus Mehrwertsteuer vor, das hänge auch ein wenig davon ab, wie lange die Apotheker brauchen. Entscheidend ist für May dabei auch, dass die Impfung in der Apotheke der in der Arztpraxis hinsichtlich der der Erstattung gleichgestellt ist. „Wer beim Arzt nichts zahlt, darf auch in der Apotheke nicht zahlen müssen“, so der Ökonom.

Weiter empfiehlt May, die Grippeimpfung in den Apotheken durch Informations- und Beratungsangebote aktiv zu begleiteten und Informationsdefizite bei Verbrauchern bezüglich der Risiken abzubauen.

Nutzen für die Volkswirtschaft

May sieht in der Grippeimpfung in der Apotheke einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen. So werden zwar die Impfkosten selbst natürlich steigen – denn dass sich dadurch die Impfraten steigern lassen, sei in mehreren Ländern gezeigt worden. Die Gesamtkosten würden aber sinken. So könnte eine Steigerung der Impfrate um 12 Prozent, was realistisch ist, 900.000 Krankheitsfälle verhindern sowie 4.700 Krankenhausaufenthalte, 41 Todesfälle und 2.9 Millionen AU-Tage. Alles in allem sieht May in der Grippeimpfung durch Apotheker eine marktnahe und am Leitbild des mündigen Verbrauchers ausgerichtete Alternative zur Impfpflicht.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

Mehr bezahlte Beratung

von Thomas Kerlag am 16.02.2020 um 8:04 Uhr

Nachwuchs!
Das sieht nur nach Kompetenzzuwachs aus!
Ist aber dem reinen Überlebenskampf geschuldet.
Wir kommen gar nicht nach die Probleme zu lösen, die die Bürokratie schafft.
Nicht einmal die Zeit für originäre Aufgaben bleibt mehr richtig.

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Impfen in der Schweiz

von Nicolas Lutz am 14.02.2020 um 18:10 Uhr

In der Schweiz impfen die Apotheker seit 3 Jahren und nicht nur Grippe sondern auch FSME etc. Das funktioniert sehr gut und auch mit den Ärtzen gibt es (kaum) Probleme.

Also keine Angst sondern Kompetenz zeigen und vor allem an die Kunden denken diese wählen dann aus wo sie sich wann impfen lassen wollen.

Liebe Grüsse an die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland.

Nicolas Lutz
Kirchenfeld Apotheke Bern

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Haftung beim Impfen

von Dr. Albrecht Emmerich am 14.02.2020 um 16:02 Uhr

Wie weit von der Alltagspraxis sind denn die Impfbefürworter entfernt?
Doktorspiele bitte ohne mich!
Was wird denn geschehen bei Nebenwirkungen oder Problemen nach einer vom Apotheker durchgeführten Impfung?
Patient rennt zum Arzt beklagt seinen "Impfschaden". Der Arzt
ist hocherfreut, fragt, wer denn da impfend rumgepfuscht hat und sagt nachdem er vernommen hat "der Apotheker!" :
"Gehen Sie dorthin, wer Ihnen das angetan hat! Ich hab mit der Impfung nix zu tun!" Dann steht der Patient wieder in der Apotheke.
Der Apotheker darf nicht therapieren!
Was weiter wenn der Patient keinen Hausarzt hat? Dann rennt der Patient von Praxis zu Praxis und wird überall abgewiesen, weil kein Arzt mehr neue Patienten annimmt.
Wieviele Impfungen kämen auf eine Durchnitts-Apotheke?
Rentiert sich der ganze Aufwand mit Dokumentation und dem Risiko?
Hat man das in letzter Konsequenz bedacht?
Ohne mich!!
Aber ich bin sowieso draus!

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Man lernt nicht aus ...

von Reinhard Herzog am 14.02.2020 um 10:51 Uhr

Das RKI meldet für 2018 (starke Grippesaison!) 274.000 bestätigte Fälle, in 2017 waren es 96.000.
Impfrate um 20%, etwa 35% bei Alter > 60.

Selbst bei einer erheblichen Untererfassung der tatsächlichen Grippefälle (meinetwegen sogar um Faktor 4 bis 5, untererfasst werden die leichten Fälle, übererfasst die schweren und damit die Todesraten), erscheint es schleierhaft, wie man mit 9 Mio. zusätzlichen Impfungen (= ~ Impfrate + 12% über die Gesamtbevölkerung) 900.000 Fälle (!) jährlich verhindern will.

Ökonomisch legt das Impfhonorar für die Ärzte in etwa die Messlatte. Hier werden regelhaft in der GKV mehr oder weniger deutlich unter 10 €, oft um 7 € bis 8 €, aufgerufen.
Bei Apotheken würde dieser Betrag die Mehrwertsteuer einschließen. 15 € + Mwst. wird deshalb wohl keine GKV erstatten. Das sind vielleicht für einen kleinen Teil der Patienten erzielbare Privatpreise "to go" ohne Arztbesuch.

Die Haftung sollte man nicht kleinreden.

Die heutigen Policen dürften das nicht abdecken. Es tritt also eine Gefahrenerhöhung auf. Wie ich die Versicherungen kenne - es gibt übrigens nur ganz wenige, die so etwas überhaupt versichern - kommen da ganz beträchtliche Kosten auf die Apotheken zu.

Selbst bei einem Risiko von angenommen 1 : 1 Million für einen schweren Zwischenfall und der üblichen "Gürtel-und-Hosenträger-Kalkulation" der Versicherer sind wir schnell bei Prämien von 1 € und mehr - je Impfung. Vgl. beispielsweise die Hebammen ...

Das Problem ist hier eben, dass sich da kein Versicherer drum reisst. Überschaubares Einnahmepotenzial, aber das immanente Risiko von wenn auch extrem seltenen Großschäden. Möglicherweise ließe sich das eher über eine standeseigene Fondslösung abdecken.

Ich bin prinzipiell kein Gegner von Apotheken-Impfungen.
Aber man sollte schon die Randbedingungen kennen.

Und wir sind keineswegs "tot", wenn wir diese "Jahrhundertchance" nicht nutzen. Das ist doch Blödsinn.

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15+

von Rüdiger Eimer am 14.02.2020 um 10:20 Uhr

15Euronen plus Märchensteuer --- was träumt der gute Herr so nachts?! Das ist nicht nur illusorisch, das ist jenseits von gut&böse. Naja, träumen darf man(n) ja.

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