Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

02.02.2020, 08:00 Uhr

Spahn macht Dampf bei der Digitalisierung – und wir Apothekers sollen sogar bei der elektronischen Patientenakte mitwirken dürfen. Doch vorerst hätten wir gerne das wasserdichte Makelverbot bei E-Rezepten. (Foto: Andi Dalferth)

Spahn macht Dampf bei der Digitalisierung – und wir Apothekers sollen sogar bei der elektronischen Patientenakte mitwirken dürfen. Doch vorerst hätten wir gerne das wasserdichte Makelverbot bei E-Rezepten. (Foto: Andi Dalferth)


30. Januar 2020

So eine Plattform zum Vorbestellen von Arzneimitteln hat was – für den oder die, die diese Plattform als Betreiber anbieten (sie erhalten einen Datenschatz), aber auch für die, die auf dieser Plattform mitmachen: Für kleines Geld ist eine Apotheke online dabei. Der Zukunftspakt aus Noweda und Burda hat schon eine Plattform, die Kooperation „Pro AvO“ bastelt noch dran. Und klar, DocMorris will jetzt auch eine. Na, dann mal los. Denn so ein Marktplatz zum Vorbestellen braucht Apotheken, die mitmachen. Das würde allerdings bedeuten, dass sich Apotheken, die das wagen, unter die Fuchtel von DocMorris begeben: Für jeden Umsatz, der über diesen Marktplatz läuft, wird DocMorris die Hand aufhalten. Der Versender setzt auf die Bekanntheit seines Namens und meint, dass die Vor-Ort-Apotheke davon profitieren könne. Möglich, doch genau das ist dann auch das Problem: DocMorris wird nicht davon ablassen, die Patienten zu bearbeiten und dazu zu bewegen, doch bitteschön ihr E-Rezept direkt ans Versandhaus DocMorris nach Aachen, also realiter in die Niederlande zu schicken. Und so bezahlt die Apotheke vor Ort dafür, der Steigbügelhalter für das Versandhaus sein zu dürfen – und, wenn man so will, schaufelt sich die kleine Apotheke damit wohl ihr eigenes Grab. Mein liebes Tagebuch, es soll Apotheken geben, die  trotzdem mitmachen wollen…

 

Jens Spahn ist begeisterter Anhänger der Digitalisierung. Und da ist es kein Wunder, dass er sich einen Digitalisierungs-Fan an seine Seite geholt hat: den CDU-Politiker Gottfried Ludewig als Leiter einer neu geschaffenen Abteilung für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Ludewig, möglicherweise ein kleiner Nerd, wirbt dafür, dass man in der Telemedizin „Raum für Innovationen und Imperfektion“ schaffen müsse. Klar mein liebes Tagebuch, wissen wir! Innovation und vor allem Imperfektion, das kennen wir aus dem Bereich von IT und EDV, was ist da schon perfekt. Nun, Ludewig kämpft dafür, dass es – im Sinne seines Dienstherren – mit der elektronischen Patientenakte (ePA), mit E-Rezept und Apps auf Rezept rasch vorangeht. Die ePA soll es schon Anfang 2021 geben! Motto: einfach mal machen – auch wenn noch nicht alles rund läuft. Und das bisschen mit dem Datenschutz gibt sich dann schon. Ihm ist jetzt schon klar, dass schon bald Datenlecks aufgedeckt werden. Aber so ist das nun mal, wenn man rasch Fortschritte haben möchte. Wenn es nicht rasch vorangeht, stehen nämlich die Konzerne vor der Tür, meint er.  Er scheint aber auch zu wissen, dass damit noch längst nicht alle Menschen von der Telemedizin überzeugt sind. Aber, mein liebes Tagebuch, auch das wird sich finden, mangels Alternativen.

 

Bleiben wir bei Spahn und Digitalisierung, beim E-Rezept. Nach dem Willen des Deutschen Apothekerverbands sollte es nur einen einheitlichen Weg geben, auf dem Patienten ihre digitalen Verordnungen an die Apotheke übermitteln, nämlich den Weg über die DAV Web-App. Andere Anbieter von E-Rezept-Apps wären da außen vor. Ob das so kommen wird, steht in den Sternen. Nun mehr denn je, denn das Bundesgesundheitsministerium hat einen Referentenentwurf vorgelegt. Danach soll die Gematik (an der bekanntlich auch die Apotheker beteiligt sind) eine zentrale App entwickeln, quasi die Mutter-App, mit der der Patient entscheiden kann, an welche Apotheke er sein E-Rezept schickt. Aber mit dieser zentralen App soll es ihm auch möglich sein, sein E-Rezept an Plattformen und Apps anderer Anbieter weiterzuleiten. Mein liebes Tagebuch, die DAV-Web-App wäre demnach nicht die zentrale App, sondern ein Anbieter unter vielen, wie die anderen Apps auch. Denn auch die App eines Apothekerverbands hat natürlicherweise ihre eigenen Interessen. Daher soll der Weg über die Gematik-App laufen. Diese App soll im Lauf des Jahres 2021 zur Verfügung stehen. Na, da wird’s in diesem Jahr also noch nichts mit dem E-Rezept… 
Neuregelungen soll es auch bei der elektronischen Patientenakte (ePA) geben: Die Krankenkassen sollen sie ihren Versicherten 2021 zur Verfügung stellen zusammen mit einer entsprechenden App, über die der Patient Zugang zu seiner Akte hat. Ab 2022 soll die Akte mit Befunden, Arztberichten, Röntgenbildern, Impfausweisen, mit dem Mutterpass und dem E-Medikationsplan befüllt werden. Mit dem Befüllen der ePA sollen neben den Ärzten übrigens auch die Apotheker betraut werden. Schön, mein liebes Tagebuch, aber da zeichnen sich schon jetzt kleine Unterschiede ab: Während die Ärzte pro neuem Eintrag 10 Euro al sHonorar erhalten sollen, steht das Honorar für Apotheker noch nicht fest, sie müssen es mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln. Mein liebes Tagebuch, es wird nicht besser, wir werden immer die Gekniffenen sein.

 

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Hilferuf von uns Apothekers erhört: Es hat das Makelverbot für E-Rezepte aus dem Apotheken-Stärkungsgesetz herausgelöst und in den Entwurf des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (kurz auch Patientendaten-Schutzgesetz genannt) übernommen. Das hat den Vorteil, dass das Makelverbot nicht vom Apotheken-Stärkungsgesetz abhängig ist, das bekanntlich derzeit noch bei der EU-Kommission zur Prüfung auf Eis liegt, Schicksal ungewiss. Das Makelverbot soll verhindern, dass die freie Apothekenwahl gewahrt bleibt und ein Patient weder vom Arzt noch von einer Krankenkasse genötigt werden kann, sein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einzulösen. Das Makelverbot soll auch für Arzneimittelhändler im Ausland gelten. Allerdings gibt es noch ein Manko bei diesem Gesetzentwurf: Die Forderung der Apotheker nach einem Makelverbot auch für „Dritte“ berücksichtigt dieser Referentenentwurf nicht. Aber ohne dieses Verbot könnten beispielsweise andere Marktbeteiligte den Patienten durch Anreize dazu bewegen, sein E-Rezept für die Vermittlung an von ihnen organisierte Apotheken-Marktpartner zur Verfügung zu stellen. Also, mein liebes Tagebuch, das Bundesgesundheitsministerium muss noch davon überzeugt werden, dass das Makelverbot auch für Dritte zu gelten hat, sonst kommt Hauen und Stechen um E-Rezepte auf uns zu.

 

Was man nun sieht: Aus dem großen vollmundig zitierten „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke“ ist ein kleines Gesetzchen geworden, das im Wesentlichen nur noch die Einführung von bezahlten pharmazeutischen Dienstleistungen beinhaltet (so sie denn kommen) und die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel im GKV-Bereich (wenn die EU-Kommission das abnickt). Also, mein liebes Tagebuch, vielleicht sollten wir nun darauf drängen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen auch noch in irgendeinen anderen Gesetzentwurf ausgelagert werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass sie im Nirwana der Gesetzesmaschinerie untergehen. Ja, die pharmazeutischen Dienstleistungen, auf die die ABDA so baute! Auch wenn der ABDA selbst noch gar nicht so klar ist, welche Dienstleistungen wir überhaupt im Einzelnen anbieten wollen und wieviel Cent wir dafür bekommen. Man hat es uns als tolle Errungenschaft verkauft – und nun?



Peter Ditzel (diz), Apotheker
Herausgeber DAZ / AZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

Und hier die dafür unmittelbar Verantwortlichen:

von Gunnar Müller, Detmold am 02.02.2020 um 10:57 Uhr

Langjährige Mitglieder dieser äußerst qualifizierten Arbeitsgruppe u. a.:
Becker, Fink, Hubmann, Kiefer, Michels, Overwiening, Schreiber.
Alles keine Unbekannten - werden aber offensichtlich alle immer noch wieder gewählt…
Oder schlimmer noch:
empfehlen (?!) sich sogar für noch Höheres…

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Nicht gleich Alle in die Tonne treten

von Wolfgang Müller am 02.02.2020 um 11:33 Uhr

Zwei Fragen an Sie persönlich dazu, ehe wir gleich vorzeitig und vielleicht zu Unrecht alle Beteiligten an dieser gescheiterten Arbeitsgruppe als mögliche bessere, zukünftige ABDA- bzw. DAV-Führung in die Tonne treten:

-- Wer hat die Arbeitsgruppe geleitet, wer war verantwortlich für das Arbeiten der Gruppe? Für die Ziele, die Termine und die Art der Zusammenkünfte, das zielgerichtete Vorgehen der Gruppe, das Hinzuziehen ggf. auch externer Kompetenz etc.?

- Ist eine bessere, andere Honorierung (eben: "Weg von der Packung", z. B.) überhaupt möglich? Oder ist das Scheitern dieser Arbeitsgruppe einfach nur ein zwangsläufiges Ergebnis, weil das aktuelle System das einzig wahre/mögliche ist, um die Regel-Apotheken-Struktur zu erhalten? Und wirklich profitable andere Arten von Honorierungen, wie z. B. für "Impfen", "Dienstleistungen" etc. eben vollkommen eindeutig nicht zu erreichen sind? Sondern dass diese neuen Arten von Honorierungen - wenn überhaupt - nur in vernünftigem Umfang in vollem Bewusstsein HINZU gefügt werden dürften, dass "Die Honorierung der Packung" die "Neuen Leistungen" de facto querfinanzierten muss? Kann man sowas eigentlich wollen?

Ich glaube, dass sich die Leitung dieser Arbeitsgruppe nun endlich, und angesichts der Krisenlage SEHR SCHNELL, einmal diesbezüglich ehrlich machen muss. Oder denken Sie, eine andere Arbeitsgruppe hätte da bessere Ergebnisse erzielt (mal abgesehen von Ihren eigenen, m. E. vollkommen getrennt davon zu diskutierenden, grundlegenden Umverteilungs-Ideen)?

Ich finde darüber hinaus, die ganze Ablenkung der Apothekerschaft mit diesem "Neuartige Honorierungen"-Thema müsste konsequent wenigstens so lange beendet, ja: verboten werden, bis die alleinigen existentiellen Fragen, nämlich die Rx-Festpreis-Frage und die Zukunft des Rezeptmakeln geklärt sind!

AW: @ in die Tonne treten....

von Gunnar Müller, Detmold am 02.02.2020 um 16:25 Uhr

Tja, DAS ist sicher so eine Sache, aber:
WER ist letztlich ohne Verantwortung ...?
Da gibt es sicher viele, unrühmliche Beispiele aus der jüngsten Gegenwart bis in die nähere Vergangenheit vor 75/87 Jahren oder gar noch weiter zurück.
Am Ende will es keiner gewesen sein – auch wenn gerade diese Mitglieder in diesen Gremien doch allesamt keine einfachen ApothekerInnen sind sondern CHEFS, die ansonsten nicht müde werden, uns weiszumachen, dass sie ja allesamt als PräsidentInnen und Vorsitzende die bestmögliche Wahl zur Lösung unserer Probleme sind.

Zur Frage der Unabwendbarkeit des Scheiterns:
Kann man diskutieren - doch bedenken Sie all die viele Zeit (8 Jahre allein seit Apothekerprotest und streng genommen eigentlich doppelt so lange seit 2004 - und man hat noch nicht einmal Erhebungen über die Verteilung der Packungszahlen und geht immer noch von Umsätzen aus…)
und
die vielen abstrusen Ideen zu neuen Aktivitäten, statt
sich darüber Gedanken zu machen, wie wir die immensen zusätzlichen Leistungen, die wir immer wieder und täglich aufs Neue aufgebrummt bekommen einschließlich der ausufernden Rückfragen bei Ärzten/Arztpraxen und der gar so wichtigen Genehmigungen bei den Krankenkassen einmal gescheit bezahlt bekommen.

Ansonsten stimme ich Ihnen vollkommen zu.

Von ABSturz ohne ABS ... Buuh gegen B(r)eton ... und der ABDA gehen die "Sargnägel" immer noch nicht aus ...

von Christian Timme am 02.02.2020 um 9:28 Uhr

Immer weniger Apotheken ... inmitten eines immer größer werdenden Rosenmee(h)res... und die ABDA "sargt" sich und ihre "Schutzbefohlenen" mit anhaltendem Fleiß immer weiter ein. Wie schizophren müssen all die Apotherkerleins sein , die Tag für Tag in der Doppelrolle als Ehrenamtler und Apothekerleiter diese Entwicklung befördern?. Ein Jens Spahn muss sich doch langsam in diesem "Schlaraffenland" anfangen zu langweilen ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 02.02.2020 um 8:52 Uhr

Hat man denn das Herstellen der "geichlangen Spiesse" bei der ABDA schon völlig aufgegeben?
Selbst die Wiederherstellung der PB bei GKV Kunden sind keine gleichlangen Spiesse. Das FBV wird ebenso völlig ungeniert umgangen.
Ohne RXVV wird man um eine Honorarreform nicht umherkommen. Gleiche Bezahlung von Vor Ort Apotheken und Versandapotheken sind keine gleichlangen Spiesse. Das volle Honorar können nur Apotheken bekommen, die beraten, NN anbieten, Akutversorgung usw usw anbieten. D.h.dem Versand stehen nur die 3% Handlingspauschale zu. ( Scheint ihm auch zu reichen, wenn DoMo zu Zeit mit 30 Euro Bonus lockt ) Von den Einsparungen kann das Honorar auf 9,50 angehoben werden. Natürlich flankiert von einem Verbot von Selektivverträgen.
Die ABDA hat sich mit dem Scheitern des RXVV abgefunden, legt aber keine Pläne auf den Tisch, wie die gleichlangen Spiesse auch nur annähernd wiederhergestellt werden können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

3000 Tage und kein eigener Honorarvorschlag !

von Ulrich Ströh am 02.02.2020 um 8:47 Uhr

Die Arbeitsgemeinschaft HONORAR bei der ABDA hat nach
acht (!!!) Jahren kein Ergebnis geliefert.

Wie ist in den ca. 3000 Tagen dort gearbeitet worden ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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