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30. Januar 2020
So eine Plattform zum Vorbestellen von Arzneimitteln hat was – für den oder die, die diese Plattform als Betreiber anbieten (sie erhalten einen Datenschatz), aber auch für die, die auf dieser Plattform mitmachen: Für kleines Geld ist eine Apotheke online dabei. Der Zukunftspakt aus Noweda und Burda hat schon eine Plattform, die Kooperation „Pro AvO“ bastelt noch dran. Und klar, DocMorris will jetzt auch eine. Na, dann mal los. Denn so ein Marktplatz zum Vorbestellen braucht Apotheken, die mitmachen. Das würde allerdings bedeuten, dass sich Apotheken, die das wagen, unter die Fuchtel von DocMorris begeben: Für jeden Umsatz, der über diesen Marktplatz läuft, wird DocMorris die Hand aufhalten. Der Versender setzt auf die Bekanntheit seines Namens und meint, dass die Vor-Ort-Apotheke davon profitieren könne. Möglich, doch genau das ist dann auch das Problem: DocMorris wird nicht davon ablassen, die Patienten zu bearbeiten und dazu zu bewegen, doch bitteschön ihr E-Rezept direkt ans Versandhaus DocMorris nach Aachen, also realiter in die Niederlande zu schicken. Und so bezahlt die Apotheke vor Ort dafür, der Steigbügelhalter für das Versandhaus sein zu dürfen – und, wenn man so will, schaufelt sich die kleine Apotheke damit wohl ihr eigenes Grab. Mein liebes Tagebuch, es soll Apotheken geben, die trotzdem mitmachen wollen…
Jens Spahn ist begeisterter Anhänger der Digitalisierung. Und da ist es kein Wunder, dass er sich einen Digitalisierungs-Fan an seine Seite geholt hat: den CDU-Politiker Gottfried Ludewig als Leiter einer neu geschaffenen Abteilung für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Ludewig, möglicherweise ein kleiner Nerd, wirbt dafür, dass man in der Telemedizin „Raum für Innovationen und Imperfektion“ schaffen müsse. Klar mein liebes Tagebuch, wissen wir! Innovation und vor allem Imperfektion, das kennen wir aus dem Bereich von IT und EDV, was ist da schon perfekt. Nun, Ludewig kämpft dafür, dass es – im Sinne seines Dienstherren – mit der elektronischen Patientenakte (ePA), mit E-Rezept und Apps auf Rezept rasch vorangeht. Die ePA soll es schon Anfang 2021 geben! Motto: einfach mal machen – auch wenn noch nicht alles rund läuft. Und das bisschen mit dem Datenschutz gibt sich dann schon. Ihm ist jetzt schon klar, dass schon bald Datenlecks aufgedeckt werden. Aber so ist das nun mal, wenn man rasch Fortschritte haben möchte. Wenn es nicht rasch vorangeht, stehen nämlich die Konzerne vor der Tür, meint er. Er scheint aber auch zu wissen, dass damit noch längst nicht alle Menschen von der Telemedizin überzeugt sind. Aber, mein liebes Tagebuch, auch das wird sich finden, mangels Alternativen.
Bleiben wir bei Spahn und Digitalisierung, beim E-Rezept. Nach dem Willen des Deutschen Apothekerverbands sollte es nur einen einheitlichen Weg geben, auf dem Patienten ihre digitalen Verordnungen an die Apotheke übermitteln, nämlich den Weg über die DAV Web-App. Andere Anbieter von E-Rezept-Apps wären da außen vor. Ob das so kommen wird, steht in den Sternen. Nun mehr denn je, denn das Bundesgesundheitsministerium hat einen Referentenentwurf vorgelegt. Danach soll die Gematik (an der bekanntlich auch die Apotheker beteiligt sind) eine zentrale App entwickeln, quasi die Mutter-App, mit der der Patient entscheiden kann, an welche Apotheke er sein E-Rezept schickt. Aber mit dieser zentralen App soll es ihm auch möglich sein, sein E-Rezept an Plattformen und Apps anderer Anbieter weiterzuleiten. Mein liebes Tagebuch, die DAV-Web-App wäre demnach nicht die zentrale App, sondern ein Anbieter unter vielen, wie die anderen Apps auch. Denn auch die App eines Apothekerverbands hat natürlicherweise ihre eigenen Interessen. Daher soll der Weg über die Gematik-App laufen. Diese App soll im Lauf des Jahres 2021 zur Verfügung stehen. Na, da wird’s in diesem Jahr also noch nichts mit dem E-Rezept…
Neuregelungen soll es auch bei der elektronischen Patientenakte (ePA) geben: Die Krankenkassen sollen sie ihren Versicherten 2021 zur Verfügung stellen zusammen mit einer entsprechenden App, über die der Patient Zugang zu seiner Akte hat. Ab 2022 soll die Akte mit Befunden, Arztberichten, Röntgenbildern, Impfausweisen, mit dem Mutterpass und dem E-Medikationsplan befüllt werden. Mit dem Befüllen der ePA sollen neben den Ärzten übrigens auch die Apotheker betraut werden. Schön, mein liebes Tagebuch, aber da zeichnen sich schon jetzt kleine Unterschiede ab: Während die Ärzte pro neuem Eintrag 10 Euro al sHonorar erhalten sollen, steht das Honorar für Apotheker noch nicht fest, sie müssen es mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln. Mein liebes Tagebuch, es wird nicht besser, wir werden immer die Gekniffenen sein.
Das Bundesgesundheitsministerium hat den Hilferuf von uns Apothekers erhört: Es hat das Makelverbot für E-Rezepte aus dem Apotheken-Stärkungsgesetz herausgelöst und in den Entwurf des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (kurz auch Patientendaten-Schutzgesetz genannt) übernommen. Das hat den Vorteil, dass das Makelverbot nicht vom Apotheken-Stärkungsgesetz abhängig ist, das bekanntlich derzeit noch bei der EU-Kommission zur Prüfung auf Eis liegt, Schicksal ungewiss. Das Makelverbot soll verhindern, dass die freie Apothekenwahl gewahrt bleibt und ein Patient weder vom Arzt noch von einer Krankenkasse genötigt werden kann, sein Rezept bei einer bestimmten Apotheke einzulösen. Das Makelverbot soll auch für Arzneimittelhändler im Ausland gelten. Allerdings gibt es noch ein Manko bei diesem Gesetzentwurf: Die Forderung der Apotheker nach einem Makelverbot auch für „Dritte“ berücksichtigt dieser Referentenentwurf nicht. Aber ohne dieses Verbot könnten beispielsweise andere Marktbeteiligte den Patienten durch Anreize dazu bewegen, sein E-Rezept für die Vermittlung an von ihnen organisierte Apotheken-Marktpartner zur Verfügung zu stellen. Also, mein liebes Tagebuch, das Bundesgesundheitsministerium muss noch davon überzeugt werden, dass das Makelverbot auch für Dritte zu gelten hat, sonst kommt Hauen und Stechen um E-Rezepte auf uns zu.
Was man nun sieht: Aus dem großen vollmundig zitierten „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke“ ist ein kleines Gesetzchen geworden, das im Wesentlichen nur noch die Einführung von bezahlten pharmazeutischen Dienstleistungen beinhaltet (so sie denn kommen) und die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel im GKV-Bereich (wenn die EU-Kommission das abnickt). Also, mein liebes Tagebuch, vielleicht sollten wir nun darauf drängen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen auch noch in irgendeinen anderen Gesetzentwurf ausgelagert werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass sie im Nirwana der Gesetzesmaschinerie untergehen. Ja, die pharmazeutischen Dienstleistungen, auf die die ABDA so baute! Auch wenn der ABDA selbst noch gar nicht so klar ist, welche Dienstleistungen wir überhaupt im Einzelnen anbieten wollen und wieviel Cent wir dafür bekommen. Man hat es uns als tolle Errungenschaft verkauft – und nun?
6 Kommentare
Und hier die dafür unmittelbar Verantwortlichen:
von Gunnar Müller, Detmold am 02.02.2020 um 10:57 Uhr
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AW: Nicht gleich Alle in die Tonne treten
von Wolfgang Müller am 02.02.2020 um 11:33 Uhr
AW: @ in die Tonne treten....
von Gunnar Müller, Detmold am 02.02.2020 um 16:25 Uhr
Von ABSturz ohne ABS ... Buuh gegen B(r)eton ... und der ABDA gehen die "Sargnägel" immer noch nicht aus ...
von Christian Timme am 02.02.2020 um 9:28 Uhr
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.
von Anita Peter am 02.02.2020 um 8:52 Uhr
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3000 Tage und kein eigener Honorarvorschlag !
von Ulrich Ströh am 02.02.2020 um 8:47 Uhr
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