Lobbyismus

Max Müller bei Bayer: Glyphosat, Welthunger und Klimaschutz

Berlin - 28.01.2020, 17:45 Uhr

Der DocMorris-Lobbyist Max Müller soll seine Fähigkeiten und Kontakte künftig für den Chemie- und Pharmakonzern Bayer einsetzen. Unter anderem geht es um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat, den Welthunger und den Klimaschutz. (c / Foto: Külker)

Der DocMorris-Lobbyist Max Müller soll seine Fähigkeiten und Kontakte künftig für den Chemie- und Pharmakonzern Bayer einsetzen. Unter anderem geht es um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat, den Welthunger und den Klimaschutz. (c / Foto: Külker)


Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer hat ein Imageproblem. Spätestens seit der Übernahme des US-Chemiekonzerns Monsanto steht Bayer wegen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat in der Kritik. Um die Reputation des Konzerns zu verbessern, kommt jetzt einer der erfahrensten und effektivsten Lobbyisten des Gesundheitswesens: Max Müller, derzeit noch Chefstratege bei DocMorris. Bei Bayer wird sich Müller nicht nur um Glyphosat, sondern auch um andere Nachhaltigkeitsthemen kümmern. Sein neuer Chef war wegen eines fragwürdigen Wechsels in den Lobbyismus ebenfalls aufgefallen.

Liest man die DocMorris-Pressemitteilung vom heutigen Dienstag, entstehen gleich mehrere offene Fragen: Der Abgang von Max Müller ergibt – zumindest von außen betrachtet – wenig Sinn. Man fragt sich: Warum lässt Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli seinen wichtigsten Lobbyisten ziehen? Die Erfolge von Müller sind schwer zählbar. Aber bei einem genaueren Blick wird deutlich, was der 44-jährige Lobbyist für die Niederländer erreicht hat. So ist es sehr wahrscheinlich, dass Müller in Sachen Rx-Versandverbot seine politischen Kontakte in Bewegung setzte. Sein fast freundschaftlicher Kontakt zu Ex-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries lässt erahnen, was die Ablehnung der SPD-Bundestagsfraktion gegen das Rx-Versandverbot in der vergangenen Legislaturperiode mit erzeugte. 

Mindestens ebenso wichtig und wirksam ist Müllers Konzept zur Außendarstellung von DocMorris. Dass mehrere deutsche Gerichte den Niederländern und ihren Rx-Boni Rechtswidrigkeit bescheinigten, dass DocMorris mehrfach gerichtlich angeordnete Ordnungsgelder missachtete und dass gerade vor wenigen Monaten ein neues dazu kam, weil der Konzern weiterhin mit seinen Absenderadressen „schummelt“, ist alles wenig bekannt in der Bevölkerung. Denn Müller hat es geschafft, das Image des Konzerns inzwischen mit modernen und „coolen“ Themen zu belegen: Er hat DocMorris als Inbild der Digitalisierung inszeniert und schafft es derzeit, mit einer bundesweiten Posterkampagne das Thema „E-Rezept“ in den Köpfen der Menschen mit den grün-weißen Konzernfarben zu belegen. Der Apothekenmarkt befindet sich im Wandel – dass es überhaupt zu diesem Wandel kam, liegt nicht zuletzt an Max Müller.

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Zukünftig soll der gebürtige Hannoveraner seine Fähigkeiten aber nicht mehr zum Aufbrechen des Apothekenmarktes einsetzen, sondern für den Pharmakonzern Bayer. Warum ergibt ein Wechsel von Müller zu Bayer Sinn? Um diese Frage zu beantworten, genügt ein Blick in die Berichterstattung rund um den Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern in den vergangenen Monaten und Jahren. Das Thema Glyphosat, also die Monsanto-Übernahme, dominiert: Es gibt Klagen und Schadenersatz-Zahlungen in den USA, nach wie vor gibt es Studien, die von einer möglichen Kanzerogenität berichten, und ob es sich gelohnt hat, knapp 60 Milliarden Euro für Monsanto auszugeben, wird ebenfalls hinterfragt. Doch Glyphosat ist nicht die einzige Baustelle für Bayer: Auch im Arzneimittelbereich hatte der Pharmakonzern mit seinem OTC-Präparat Iberogast zuletzt nicht nur für gute Schlagzeilen gesorgt.

Public Affairs und Sustainability

Und genau hier kommen Müllers Fähigkeiten, Ideen und auch Kontakte ins Spiel: Bayer will wieder positive Geschichten erzeugen. Dazu passend auch Müllers Einsatzbereich: Einem Konzernsprecher zufolge arbeitet Müller im Bereich „Public Affairs und Sustainability“. Übersetzt hören sich Müllers neue Aufgabenbereiche zunächst recht harmlos an: So soll sich der DocMorris-Vorstand künftig um die Beziehungen zur Politik (Public Affairs) und Nachhaltigkeitsthemen kümmern. Schaut man sich diese Bayer-Abteilung etwas genauer an, wird klar, worum es geht.

Laut Internetseite gehören zum Nachhaltigkeitsbereich bei Bayer drei Kernthemen: Gesundheitsversorgung, Ernährungssicherung sowie der Umwelt- und Klimaschutz. „Wir richten unsere Aktivitäten stärker danach aus, mehr Menschen in allen Weltregionen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Nahrung zu ermöglichen sowie Lösungen für die Herausforderungen des Klimawandels und zum Schutz der Umwelt zu entwickeln“, heißt es dazu. Passend dazu sorgte der Konzern erst im Dezember für Aufsehen: Bayer gab das Versprechen ab, bis 2030 klimaneutral zu sein. Etwas weiter unten in der Pressemitteilung ging es dann unter anderem darum, Bauern und Verbrauchern in ärmeren Ländern Zugang zu „Innovationen, Wissen, Partnerschaften und Gesundheitsprodukten“ zu ermöglichen.

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Müllers neuer Chef: Matthias Berninger

Wie wichtig es dem Konzern ist, Bayer wieder mit positiven Themen zu besetzen, sieht man auch an einer Personalentscheidung, die schon im vergangenen Jahr getroffen wurde: Im Januar 2019 wurde bekannt, dass Matthias Berninger neuer Leiter der oben genannten Abteilung für Public Affairs und Sustainability werden sollte. Berninger saß 13 Jahre lang für die Grünen im Bundestag, er arbeitete auch im Verbraucherschutzministerium für die damalige Ministerin Renate Künast. 2006 gab er dann sein Mandat auf und wechselte in den Lobbyismus – zum Süßwarenhersteller „Mars“. Während seine alten Fraktionskollegen im Bundestag gegen die Glyphosat-Verwendung kämpfen, kämpft Berninger in Interviews nun für das Pflanzenschutzmittel.

Einem Konzernsprecher zufolge soll Max Müller in Berningers Abteilung arbeiten. Eine genaue Stellenbezeichnung sei noch nicht gefunden, so der Sprecher. Während Berninger in der US-Bundeshauptstadt Washington D.C. arbeitet, soll Müller in Berlin und Brüssel tätig werden. Das wiederum zeigt, dass Bayer nach der Monsanto-Übernahme nicht nur in den USA Politiker „bespielen“ und für eine verbesserte Reputation kämpfen will, sondern auch in Europa und in Deutschland. Denn für Bayer steht nicht nur in den USA viel auf dem Spiel: Die europaweite Zulassung des Mittels läuft noch bis Ende 2022. Erst 2017 hatte das EU-Parlament zwar eine Verlängerung der Zulassung beschlossen, aber danach „ein vollständiges Verbot von Herbiziden auf Glyphosatbasis“ gefordert. Auch im Bundestag war lange über die Zulassung des Pflanzenschutzmittels diskutiert worden. Man wird sehen, inwiefern Müller und seine neuen Kollegen diesen Sachstand noch beeinflussen können.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Imageproblem

von Frankie goes to Hollywood am 29.01.2020 um 21:52 Uhr

Klar und dann holt man sich so einen Unsympathling?
Griff ins Klo. Bayer hat es drauf.
LOL

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Max Müller

von pille62 am 29.01.2020 um 9:37 Uhr

.........warum arbeitet der eigentlich nicht für uns.
Vier Wochen von Max Müller bearbeitet und Jens Spahn glaubt, das das RXVV eine gute Sache ist.
ABDA Vorstand auf einen Vorstand verkleinern, das frei gewordene Geld +ganz viel oben drauf für Max Müller ausgeben, denn der macht für Geld fast alles.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

In einigen Jahren....

von gabriela aures am 28.01.2020 um 19:46 Uhr

...wird die Welt glauben, Glyphosat wäre so harmlos wie Biodünger.
Man muß man MM neidlos zugestehen: er kann die wirklich einflußreichen Leute in Entscheider-Positionen, die Medien und auch große Teile der Bevölkerung überzeugen.
Der Mann ist völlig schmerzfrei bezüglich seiner moralischen
Agenda.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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