Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.01.2020, 08:00 Uhr

Unsäglich! Die ABDA traut sich nicht, einen Pharmaziestudenten vor dem Petitionsausschuss fürs Rx-Versandverbot zu unterstützen! (Foto: Andi Dalfert)

Unsäglich! Die ABDA traut sich nicht, einen Pharmaziestudenten vor dem Petitionsausschuss fürs Rx-Versandverbot zu unterstützen! (Foto: Andi Dalfert)


22. Januar 2020

Doch es geht weiter: Auch die Apothekerkammer Hamburg spricht sich dafür aus, Benedikt Bühler die Gutachten zur Verfügung zu stellen. Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen, der zugleich Vorsitzender des ABDA-Haushaltsausschusses ist, macht zudem darauf aufmerksam, dass diese Gutachten schließlich aus Mitgliedsbeiträgen bezahlt wurden und im Interesse der Mitglieder zu verwenden seien. Ja, mein liebes Tagebuch, und die Hamburger Kammer weist  die ABDA darauf hin, dass die Verweigerung der Herausgabe der Beschlusslage der ABDA widerspreche. Zum Schluss ihres Schreibens  bringt die Hamburger Kammer ihr Unverständnis zum Ausdruck, „wie von Seiten der ABDA-Spitze mit Herrn Bühler und den Interessen der apothekerlichen Basis umgegangen wird“. Mein liebes Tagebuch, es ist in der Tat schon mehr als seltsam, welche Taktik, welche Politik die ABDA da fährt. Hätte sie dem Studenten Bühler die Gutachten, die eh schon kursieren, umgehend zur Verfügung gestellt, hätte es keinen Aufschrei gegeben, keinen Eklat. Und sie hätte sich bei vielen ein paar Sympathiepunkte verdient. Aber was hier abgelaufen ist und abläuft, ist eine Politik, die nicht mehr nachzuvollziehen ist.

 

Ein Update zu den Arbeiten rund ums E-Rezept war vom Gematik-Manager Hannes Neumann auf dem Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) zu erfahren. Also, bis Ende Juni will  die Gematik die technischen Spezifikationen festgelegt haben. Bis dann die ersten E-Rezepte von Apotheken und Versandapotheken beliefert werden können, wird es noch bis Ende des Jahres dauern. Mein liebes Tagebuch, wir fügen mal das Wörtchen „mindestens“ hinzu, also mindestens bis Ende des Jahres, denn wir wissen doch alle, dass Termine rund um die IT und EDV noch nie eingehalten werden konnten. Und so wird es wohl auch hier sein. Immerhin, eine Planung steht. Erst ein weiteres Jahr später soll es dann auch für BtM- und T-Rezepte die E-Rezept-Lösung geben. In einem weiteren Schritt sollen dann die Heil- und Hilfsmittelrezepte eingebunden werden – und, Achtung, mein liebes Tagebuch, erst dann soll auch die grenzüberschreitende Einlösung von E-Rezepten ermöglicht werden, sagte der Gematik-Manager. Interessante Aussage, oder? Würde das bedeuten, dass z. B. DocMorris und die anderen europäischen Arzneiversandhäuser erst in zwei, drei Jahren an unserem E-Rezept-System teilnehmen können? Gut möglich. Und überhaupt, diese Versandshops in den Niederlanden müssen erstmal irgendwie an einen deutschen Heilberufsausweis kommen, obwohl sie nicht Mitglied einer deutschen Apothekerkammer sind. Denn nur mit einem Heilberufsausweis kann man sich in die deutsche Telematikinfrastruktur einklinken. Ganz fürsorglich hat da aber unser liebes Bundesgesundheitsministerium bereits wissen lassen, dass man hier an einer Lösung arbeite, um die EU-Versender am deutschen E-Rezept-Verkehr teilnehmen zu lassen.

Was auf dem BMC-Kongress auch zur Sprache kam: Der Innovationsexperte (sowas gibt es!) der Techniker Kasse (TK), Daniel Cardinal, meinte, dass sich spätestens mit dem E-Rezept das Thema Lieferengpässe erledigt habe. Er ließ es allerdings im Vagen, warum dies so sein könnte, deutete aber an, dass es der Apotheke durch die vorab vorliegenden E-Rezepte früher und schneller möglich sei, die Lieferbarkeit von Arzneimitteln zu überprüfen und gegenzusteuern. Mein liebes Tagebuch, nun, wie innovativ ist das denn? Die Lieferengpässe an sich werden dadurch nicht geringer, man könnte lediglich rascher Abhilfe schaffen. Aber eine Lösung für Engpässe ist das nicht. 

 

Fernbehandlung, Fernverordnung, E-Rezepte, Versandapos – was da noch auf uns zu kommt (oder zum Teil schon da ist), lässt unser Pharmazeutenherz nicht höher schlagen. Einem Bericht und Test der Zeitung „Neue Westfälische“ zufolge können auch ausländische Ärzte im europäischen Binnenmarkt schon heute Patienten online „behandeln“ und Rezepte ausstellen, die dann von Arznei-Versandhäusern beliefert werden. Im Test hatte sich eine Redakteurin der Neuen Westfälischen quasi selbst eine Antibaby-Pille ausgesucht, die sie sich von einem Arzt des Online-Portals „zavamed“ verordnen ließ. Bevor sie ihre Bestellung aufgeben konnte, musste sie nur einen Diagnosebogen ausfüllen. Die Ware sei dann von einem niederländischem Versender gekommen. Mein liebes Tagebuch, vermutlich kam dieser Redakteurin dieses einfache Procedere doch sehr einfach und unkontrolliert vor. Ihr Fazit: Die Frage nach einem Verbot für den Versandhandel von verschreibungspflichtigen Medikamenten stehe wieder im Raum. Richtig, mein liebes Tagebuch, nur so könnte man diese Sicherheitslücken schließen.

 

Wir erinnern uns: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte vor drei Jahren ein Gutachten zum Apothekenmarkt in Auftrag gegeben, um verlässliche Daten zu bekommen. (Den ABDA-Daten wollte man nicht trauen.) Heraus kam das unsäglich Gutachten der Agentur „2hm“, so unsäglich, dass es die ABDA offiziell nicht kommentieren wollte. Vor Kurzem erfuhren wir so nebenbei, dass unlängst auch das Bundesgesundheitsministerium noch ein Gutachten beim IGES Institut in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben hat. Pikanterweise arbeitet eine  frühere 2hm-Mitarbeiterin nun beim IGES-Institut. Ob sie auch an diesem neuen Gutachten mitarbeitet, war allerdings nicht zu erfahren. Also, ein neues Gutachten – das bedeutet ja wohl, dass sich auch dieses Ministerium nicht auf ABDA-Zahlen stützen möchte. Und dabei hat sich die ABDA doch so bemüht, mein liebes Tagebuch, eigene glaubwürdige Zahlen mit ihrem ABDA-Datenpanel auf die Beine zu stellen. Dumm nur, dass auch dieses Ministerium nichts davon wissen will. Auch die Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann (Linke) hatte beim Ministerium nach Details zu diesem neuerlichen Gutachten gefragt, aber das Ministerium gab sich recht einsilbig. Gabelmann zeigt sich irritiert darüber „welche Geheimnisse im Moment um Gutachten gemacht werden“. Und sie fügte noch einen Seitenhieb in Richtung ABDA hinzu: Auch die ABDA verweigere die Herausgabe von Rechtsgutachten an Benedikt Bühler, was sie ebenfalls für inakzeptabel halte. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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12 Kommentare

Lächerlich

von Meusel am 27.01.2020 um 1:37 Uhr

Gegenstand der Lächerlichkeit sind die Apotheker ob ihres amöben und zahnlosen Wurstelnd schon lange.
Die Regierung Schmidt hat nur durch Nichtstun den Turbogang dazu eingelegt - nicht erst vorgestern.
Worum sorgt sich also Schmidt?
Wie dünn muß die Luft im Olymp sein, dass da Gehirne nicht funktionieren...

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Bestürzend

von Reinhard Rodiger am 26.01.2020 um 13:39 Uhr

„Wir machen uns lächerlich, wenn wir jetzt sagen, das war alles nicht so gemeint‘.“

Eine Führung, die nicht in der Lage ist, potentiell weiterführende Initiativen (Bühler,Dr.Diefenbach etc.) souverän zu unterstützen macht sich selbst und alle Betroffenen nicht nur lächerlich, sondern lähmt. Mehr noch, sie verspielt Vertrauen verkennt ihre Aufgabe und hielt sich nicht an die eigenen Prioritäten und verfolgt hinterrücks diffuse Ziele. Es geht geht um verlorene Glaubwürdigkeit. Das macht sie bestürzend mit aller Konsequenz deutlich.

Diese Lähmung ist umgehend nur durch ein Misstrauensvotum aufzulösen.11 haben schon gehandelt.Das ist schon die Mehrheit.Sie muss umgesetzt werden.




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AW: Bestürzend ... auch noch ein Misstrauensvotum... das wäre der Ehre zu viel ...

von Christian Timme am 26.01.2020 um 17:09 Uhr

Keine sofortige Neuwahl könnte Schlimmeres gebären als das was sich hier seit vielen Jahren in einer Endlosschleife bereits gezeigt hat ... wer mit dem eigenen "Sensemann" auch noch diskutiert ... kann nur ein Apotheker sein. Sorry ...

AW: Bestürzend- wenn niemand aufsteht

von Reinhard Rodiger am 26.01.2020 um 17:37 Uhr

Die Sache mit der Ehre trifft die, die aufstehen sollen und es nicht tun. Misstrauen ist unmissverständlich auszudrücken,um eine Katharsis herbei zu führen.Über die Methode ist zu diskutieren.Sie ist schon davon abhängig, wer und wieviele sich outen. Dabei haben Sie recht, es müssen schon andere sein.Ohne Sense wird es nicht gehen.

UNERTRÄGLICHKEITEN

von Dr.Diefenbach am 26.01.2020 um 12:37 Uhr

Ich sage schon einmal heute:Ich teste mal die Realität der Delegierten und nicht nur,ob man gross auf die ABDA Führung schimpft und dann doch den Mund hält.Mir reicht dieses Hinterzimmerglücksspiel .ich werde auf unserer DV im März einen Antrag an die Hessen stellen,dass ich auf Abstimmung über ein Misstrauensvotum gegen den ABDA-Präsidenten(dessen Intellekt ich schätze,aber immer beleidigt das geht gar nicht) und seinem farblosen Vertreter bestehe.(von ihm hörte man bisher.NICHTS!!!!!).Ich werde sicher zu hören bekommen,dass das "NICHT GEHT",das ist mir aber schlicht egal.Denn würgt man das ab,darf man schlecht markig eine Gegenfront bzgl. der Spitzenposition in der ABDA aufbauen....Und an Königswegen bin ich auch nicht interessiert.Politisches Geschlängel ist die Umkehrung des Schluckvorganges.....

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von Anita Peter am 26.01.2020 um 12:14 Uhr

Liebe ABDA warum solltet ihr nicht mal schnell eure Meinung ändern? Politiker wie Hennrich ändern ihre Meinung auch von Heute auf Morgen um 180 Grad. Einfach Nase in den Wind halten und danach die eigenen Überzeugungen ausrichten.

Und das RXVV hätte von Anfang an die Forderung Nr.1 sein müssen, und das Boni Verbot über das SGB die Handlungsoption. Aber nein, die ABDA weiss mal wieder alles besser.

Der Karren wird immer tiefer in den Dreck gefahren, aber die ABDA glaubt immer noch auf dem richtigen Weg zu sein. So borniert muss man erstmal sein.

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ABDA-Präsident

von Lars Janzen am 26.01.2020 um 11:28 Uhr

Helmut Schmidt hat einmal gesagt: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen." Aber wer als ABDA-Präsident keine Visionen hat, kein Durchsetzungsvermögen und keinen langen Atem (oder wie wir hier im Norden sagen würden "klarer Kurs und klare Kante"), ist für diese Position einfach nicht geeignet!
Meinungen ändern sich, und Politiker kommen und gehen. Jens Spahn ist das Thema Rx-Versandverbot nur solange wichtig, wie er für die Gesundheitspolitik verantwortlich ist. Um das Beispiel von Friedemann Schmidt aufzugreifen: Schaut man sich an, dass inzwischen sogar der ADAC ein Temoplimit auf Autobahnen nicht mehr generell ablehnt und dass Herr Scheuer aufgrund seiner desolaten Leistung sicher nicht mehr ewig Verkehrsminister sein wird, dann sieht man, was in der Politik alles möglich sein kann. Und auch bei uns Apothekers wäre ein klarer Kurs (Rx-Versandverbot) und eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit (wir wollen den Bürgern nichts wegnehmen, sondern erhalten, was heute bei uns noch selbstverständlich ist - eine flächendeckende, kompetente Arzneimittelversorgung rund um die Uhr) die richtige Strategie gewesen.
Herrn Bühler Respekt und Anerkennung für diese klarsichtige Petition und viel Erfolg morgen im Petitionsausschuss!

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Schmidt und Abda

von Conny am 26.01.2020 um 11:03 Uhr

Meinen Beitrag habe ich heute lieber selbst zensiert.

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Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit: Stellung der Vertrauensfrage ist notwendig

von Klaus Gärtner am 26.01.2020 um 8:59 Uhr

Der Basis fehlt es an Verständnis für die Aktionen der ABDA-Führung. Den Kammern fehlt es an Verständnis für die Aktionen der Führung. Und wir sind soweit, dass ein Gutachten, welches die ABDA-Führung unter Verschluss halten möchte, durch die Indiskretion von gesamt 11 Personen weitergeleakt wird. Diesen 11 Personen war es völlig egal, was der Chef denkt.

Wären wir im Deutschen Bundestag, müsste die Bundeskanzlerin in einer vergleichbaren Situation die "Vertrauensfrage" stellen. Einfach, um die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung wieder herzustellen.
Da kann es dann zu zwei Situationen kommen:
1.) Der Bundestag spricht der Kanzlerin das Vertrauen aus. Damit hat die Kanzlerin ihre Reihen geordnet und wieder hinter sich gebracht
2.) Der Bundestag spricht der Kanzlerin das Vertrauen nicht aus. Daraufhin wird der Bundestag aufgelöst und es kommt zu Neuwahlen.

Beide Varianten führen dazu, dass die Handlungsfähigkeit der Regierung wieder hergestell wird.

Es ist zwingend erforderlich, dass sich auch der gesamte Vorstand der ABDA und Herr Schmidt zeitnah der Vertrauensfrage stellen. Gegenwärtig ist diese Führung nicht mehr handlungsfähig. Nahezu jeder, der sich außerhalb dieses Kreises befindet, hat zutiefstes Misstrauen gegenüber dieser Führung.

Es muss geklärt werden, ob die Apothekerschaft noch hinter Friedemann Schmidt und dem Vorstand der ABDA steht.

PS: Jeder selbstständige Apotheker würde einen Mitarbeiter fristlos entlassen, der interne Dokumente seiner Apotheke an nicht befugte Personen weitergegeben hat - übrigens: völlig zu Recht.

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Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr ...

von Christian Timme am 26.01.2020 um 8:54 Uhr

... entweder kann die Apothekerschaft auf 17x2 Mitgliedsorganisationen oder die ABDA verzichten. Den „Rest“ kennt nun wirklich jeder. „Es hätte ... „ wurde ja bereits von ... „Schlimmer geht immer“ ... ersetzt. Gibt es noch eine Steigerung? .... höhere Beiträge für die Mitglieder? ...

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AW: Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr

von Ulrich Ströh am 26.01.2020 um 9:49 Uhr

Stimmt!
Wenn es zu 11 ! Indiskretionen innerhalb des
ABDA -Führungszirkels kommt....
dann sagt das viel über den aktuellen Zustand dieser Berufsvertretung aus.

AW: Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr ...

von Christian Timme am 26.01.2020 um 14:26 Uhr

Permanent Record ... DAT können wir auch sagt sich die AB ... DA in 2020 ...

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