Hämophilie A und B

Hämophilie

23.01.2020, 13:00 Uhr

Die Hämophilie A kommt sechsmal häufiger vor als die Hämophilie B und beruht darauf, dass die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII (Antihämophiles Globulin A) stark verringert ist oder gänzlich fehlt. Die seltenere Hämophilie B ist auf einen Mangel an Gerinnungsfaktors IX zurückzuführen. (Bild: DIgilife / stock.adobe.com)

Die Hämophilie A kommt sechsmal häufiger vor als die Hämophilie B und beruht darauf, dass die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII (Antihämophiles Globulin A) stark verringert ist oder gänzlich fehlt. Die seltenere Hämophilie B ist auf einen Mangel an Gerinnungsfaktors IX zurückzuführen. (Bild: DIgilife / stock.adobe.com)


Bei Hämophilie kommt es erblich bedingt zu einer Störung der Blutgerinnung. Meist trifft sie Männer. Hämophilie zählt zu den angeborenen Koagulopathien, wobei man verschiedene Hämophilie-Formen unterscheidet: Die X-chromosomal-rezessiv vererbten Hämophilien A und B sind am verbreitetsten, der häufigste Typ ist Hämophilie A, von der weltweit etwa 320.000 Menschen betroffen sind.  

Erste Aufzeichnungen über Hämophilie finden sich bereits aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Die Erkrankung ist auch als die „Krankheit der Könige“ bekannt, denn es gab vermehrt Fälle von Hämophilie in den europäischen Königshäusern. Im ersten Teil „Hämophilie“ wird die Krankheit beschrieben,  im zweiten Teil die Therapiemöglichkeiten.

Ursache der Hämophilie 

Die Hämophilie A kommt sechsmal häufiger vor als die Hämophilie B und beruht darauf, dass die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII (Antihämophiles Globulin A) stark verringert ist oder gänzlich fehlt. Die seltenere Hämophilie B ist auf einen Mangel an Gerinnungsfaktors IX (Antihämophiles Globulin B, Christmas Faktor) zurückzuführen. Nach diesen Unterschieden richtet sich auch die Auswahl des Arzneimittels. 

Die Informationen über die Bildung der Gerinnungsfaktoren liegen auf dem X-Chromosom. Beide Hämophiliearten werden X-chromosomal rezessiv vererbt, das bedeutet, dass Mütter die Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % auf ihre Söhne übertragen können. Zwar können auch Frauen von Hämophilie betroffen sein, dies sind jedoch sehr seltene Fälle einer spontan erworbenen Hämophilie.

Inzidenz der Erkrankung

In den Behandlungsleitlinien gibt die WFH (World Federation of Hemophilia) die Inzidenz der Erkrankung Hämophilie A mit 1 pro 10.000 Geburten an (entspricht ca. 1 pro 5.000 männlichen Geburten). An gleicher Stelle gibt die WFH für die Hämophilie B eine Inzidenz von 1 pro 30.000 bis 50.000 männlichen Geburten an.

Quelle Abbildung: https://roche-fokus-mensch.ch/hp/haemophilie/begreifen/, letzter Zugriff 13.Januar 2020.

Spontan erworbene Hämophilie

In sehr seltenen Fällen kann ein vorher gesunder Mensch die Blutungskrankheit erwerben. Betroffen sind hier gleichermaßen Männer und Frauen im fortgeschrittenen Alter. Die Ursache der erworbenen Hämophilie liegt in einer Fehlsteuerung des Immunsystems: Es werden Antikörper gegen die Gerinnungsfaktoren VIII und IX gebildet, die dadurch unwirksam in der Gerinnungskaskade werden.

Symptome 

Da die Plättchenfunktion der Thrombozyten nicht beeinträchtigt ist, verläuft die primäre Hämostase (physiologische Stillung der Blutung nach 1–3 Minuten) normal. Erst im weiteren Verlauf der Blutgerinnungskaskade kommt es zu einer Störung. Das Blut gerinnt nur verzögert oder gar nicht mehr, es kommt zu einer Beeinträchtigung des hämostatischen Systems dadurch, dass die sekundäre Hämostase nicht mehr reibungslos funktioniert. 

Durch die fehlenden Gerinnungsfaktoren können bei den Betroffenen schon geringe Traumen zu schwersten Blutungen, vor allem in Muskeln und Gelenken, führen, was charakteristisch für das Krankheitsbild ist. Es kann auch zu spontanen Blutungen kommen, die ohne sichtbare Wunden auftreten. Ferner besteht die Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen im Magen-Darm-Bereich und im Gehirn. Bei schwerer Hämophilie leiden Patienten nach Verletzungen unter verlängerten und stärkeren Blutungen, die bei größeren Wunden lebensbedrohlich sein können.

Unterschiedliche Schweregrade

Hämophilie lässt sich in unterschiedliche Schweregrade einteilen. Als Maß gilt hier, wie stark die Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII bzw. IX im Vergleich zu einem gesunden Menschen verringert ist. Im Idealfall liegt die Aktivität eines Gesunden bei 100 Prozent, dieser Wert dient als Basiswert. Darauf Bezug nehmend wird die Restaktivität des Gerinnungsfaktors von Hämophilie-Patienten gemessen. Je geringer die Restaktivität ist, umso langsamer gerinnt das Blut und umso stärker sind die Symptome ausgeprägt.

Werte zwischen 1 und 5 % bedeuten eine mittelschwere Hämophilie. Wenn im Blutplasma keine Faktor-VIII- bzw. IX-Aktivität feststellbar ist, spricht man von einer starken Hämophilie.

Etwa 50 bis 60 Prozent der Menschen mit Hämophilie leiden an einer schweren Form dieser Störung.

Schweregrad der HämophilieGerinnungsfaktor RestaktivitätSymptome
Normale Aktivität50-100 %Keine
Leichte Hämophilie5-15 %Leicht erhöhte Neigung zu Hämatomen
Mittelschwere Hämophilie1-5%Große Hämatome nach leichten Verletzungen
Schwere HämophilieWeniger als 1%Spontane Blutungen

Für Betroffene gibt es zwei Patientenverbände: Einmal die seit 1992 tätige Interessengemeinschaft Hämophiler, ein bundesweit tätiger Patientenverband, der die Interessen von Patienten und ihrer Angehörigen vertritt. Ferner die Deutsche Hämophiliegesellschaft, eine Interessengemeinschaft für Patienten, die an einer angeborenen oder erworbenen Blutungskrankheit leiden, ihrer Angehörigen sowie ihrer medizinischen und sozialen Betreuer.

Deutsches Hämophilieregister

Das Paul-Ehrlich-Institut führt in Zusammenarbeit mit den beiden Patientenverbänden sowie der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung, die sich klinisch und wissenschaftlich mit der Prävention, Diagnose und Therapie von Störungen der Blutgerinnung sowie thrombotischen Krankheitsbildern beschäftigt, das Deutsche Hämophilieregister (DHR).

Beim DHR werden seit 2008 medizinische Daten von Patienten mit angeborenen oder erworbenen Formen von Hämophilie A, Hämophilie B aber auch mit von-Willebrand-Syndrom oder anderen Gerinnungsfaktormangelerkrankungen gesammelt. Etwa 130 Einrichtungen melden jährlich Daten von insgesamt fast 8.500 Patienten.

Seit dem 1. August 2019 ist die Datenerfassung des DHR erweitert worden und mit internationalen Registern und der Guideline der Europäischen Arzneimittelagentur harmonisiert worden. Das Ziel ist, beste Voraussetzungen zu schaffen, die erfassten Forschungsdaten international zu vergleichen. Damit sollen die aktuell auf den Markt strebenden innovativen Therapieoptionen, wie z. B. modifizierte Faktorpräparate, monoklonale Antikörper oder Gentherapie, erfasst und deren Entwicklung langfristig beobachtet und erforscht werden können.

Mehr zur Therapie im zweiten Teil: Behandlungsmöglichkeiten der Hämophilie

Welche Arzneimittel erhalten Hämophilie-Patienten?

Hämophilie - Therapie

 

Quellen:

https://www.roche.com/de/research_and_development/what_we_are_working_on/haemophilia/about-haemophilia.html

https://roche-fokus-mensch.ch/hp/haemophilie/begreifen/

https://www.pei.de/DE/regulation/melden/dhr/dhr-node.html

https://www.dhr.pei.de/dhr/index.html

https://www.wfh.org/en/home

Mutschler: Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie

11., völlig neu bearbeitete Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart



Lars Peter Frohn, Apotheker, Autor DAZ.online
radaktion@daz.online


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