Kammerversammlung Hessen

BMG-Gutachten zur Preisbindung: Funke ist skeptisch

Eschborn - 16.01.2020, 07:00 Uhr

Ursula Funke bleibt für weitere fünf Jahre an der Spitze der Apothekerkammer in Hessen. In ihrer Antrittsrede erklärte sie, dass es dem Berufsstand gelingen müsse, den Benefit durch den Apotheker vor Ort erlebbar, messbar und erfühlbar zu machen. (m / Foto: LAK Hessen)

Ursula Funke bleibt für weitere fünf Jahre an der Spitze der Apothekerkammer in Hessen. In ihrer Antrittsrede erklärte sie, dass es dem Berufsstand gelingen müsse, den Benefit durch den Apotheker vor Ort erlebbar, messbar und erfühlbar zu machen. (m / Foto: LAK Hessen)


Hessens frisch wiedergewählte Kammerpräsidentin Ursula Funke appellierte in ihrer Antrittsrede vor allem an die Kollegen, die anstehenden Veränderungen durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz nicht zu erdulden, sondern zu gestalten und für sich zu nutzen. Dabei müsse es dem Berufsstand vor allem gelingen, den Benefit durch den Apotheker vor Ort erlebbar, messbar und erfühlbar zu machen. Was das Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums zur Rx-Preisbindung angeht ist Funke skeptisch. Den Optimismus der ABDA-Spitze teile sie nicht, erklärte sie.

Ursula Funke bleibt für weitere fünf Jahre an der Spitze der Apothekerkammer in Hessen. Sie wurde am gestrigen Mittwoch im Rahmen der konstituierenden Sitzung wiedergewählt. Auch ihr Vorstand inklusive der Vizepräsidentin bleibt bis auf einen Beisitzer unverändert. Dr. Viola Schneider, Dr. Cora Menkens, Prof. Dr. Mona Tawab, Dr. Otto Quintus Russe und Dr. Sebastian Barzen sprachen die Delegierten erneut das Vertrauen aus. Einziger Neuling im Vorstand ist die angestellte Apothekerin Claudia Wegener, die sich mit einer Stimme Vorsprung gegen den Industrieapotheker und das bisherige Vorstandsmitglied Dr. Reinhard Hoferichter bei der Wahl des fünften und letzten Beisitzers durchsetzte.

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Funke warnt vor Schwarz-Weiß-Denken und Populismus

Im Anschluss an die Wahlen appellierte die alte und neue Kammerpräsidentin eindringlich an die Delegierten, sich trotz der derzeitigen von Wandel und Veränderung geprägten gesamtgesellschaftlichen Situation und einer Welt, die sich gefühlt immer schneller drehe, nicht zu Schwarz-Weiß-Denken oder Populismus hinreißen zu lassen. „Wir müssen und werden die Herausforderungen annehmen“, erklärte Funke. „Wir müssen Neues gestalten, ohne Bewährtes zu vergessen, selber gestalten und aktiv agieren – nicht abwarten und reagieren. Und vor allem nicht jammern, sondern tun.“

Funke verwies auch auf die „nicht einfache politische Situation“, die ihrer Ansicht nach nicht erst seit dem EuGH-Urteil von 2016 besteht, sondern für die der Boden bereits 2003/2004 mit den Veränderungen im ordnungspolitischen Rahmen gelegt worden sei, nämlich mit der Einführung des Arzneimittelversandhandels, dem Wegfall der OTC-Preisbindung und der Erlaubnis zur Filialisierung. Für Funke ist Fakt: Ein Rx-Versandverbot, das ihrer Meinung nach die beste und nachhaltigste Lösung für Gleichpreisigkeit darstellt, wird es mit dem BMG in der aktuellen Besetzung nicht geben.

„Wenn man weiß, wer am Gutachten beteiligt ist, ist man skeptisch“

Hinsichtlich des vom BMG beauftragen Gutachtens zur Auswirkung einer Aufhebung der Rx-Preisbindung zeigte Funke sich skeptisch: „Auch wenn behauptet wird, die Gutachten dienten der Untermauerung der Regelungen zur 
Gleichpreisigkeit im SGB V, bin ich nicht zuversichtlich, dass es das Gesetzesvorhaben stützt“, so Funke. Sie teile den Optimismus des ABDA-Präsidenten nicht, erklärte sie. Die ABDA-Spitze hatte sich nämlich in ihrer ersten Reaktion auf das neue Apotheken-Gutachten für die optimistische Sichtweise entschieden, dass das BMG damit tatsächlich Argumente für die Festpreise sammeln will, um sie in einem weiteren Verfahren anzuwenden, und nicht Argumente für eine weitergehende Deregulierung. Funke begründete auch, warum sie bezüglich des Gutachtens skeptisch ist: „Wenn man weiß, welche Institutionen und Personen daran beteiligt sind, ist man vorsichtig, was es mit dem Gutachten auf sich hat“, erklärte sie. Sie spielte damit vermutlich darauf an, dass eine der maßgeblich am 2HM-Honorargutachten beteiligten Personen, Iris an der Heiden, mittlerweile beim IGES-Institut beschäftigt ist, welches vom BMG mit der Erstellung des neuen Gutachtens beauftragt wurde.

 „E-Rezept ohne Makelverbot ist eine Bedrohung“

Neben der Gleichpreisigkeit gebe es aber noch weitere Punkte im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG), die unbedingt angegangen werden müssen, nämlich unter anderem das Makelverbot. Die Einführung des E-Rezepts ohne Makelverbot sei für Apotheken vor Ort eine riesige Bedrohung. „Dann brauchen wir über Gleichpreisigkeit gar nicht mehr zu reden“, so Funke. „Wir wollten, dass das Makelverbot, wie beispielsweise die Modellprojekte zur Grippeimpfung, ebenfalls in ein im letzten Jahr laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird. Spahn hat das aber abgelehnt.“ Sie appellierte daher an alle Delegierten, wenn klar ist, wie es mit dem VOASG weitergeht, ihre Kontakte in die Politik zu nutzen und zwar insbesondere die zu den Abgeordneten, die mit Gesundheitspolitik nichts zu tun haben. Denen müsse man klar machen, was das für die Versorgung vor Ort, für die Versorgung ihrer Wähler bedeute, wenn das Verbot nicht kommt.

Die Hauptaufgabe für die Apothekerschaft in den nächsten Jahren sieht Funke darin, den Benefit durch den Apotheker vor Ort erlebbar, messbar und erfühlbar zu machen. „Das muss uns als Berufsstand gerade in Zeiten des Wandels gelingen“, so die Kammerpräsidentin. In einer Gesellschaft mit einer immer stärkeren Convienience-Mentalität müsse man klarmachen, welches Erlebnis und welchen Benefit die Menschen haben, wenn sie in die Apotheke kommen. „Wir wissen das alles, aber wir müssen das der Gesellschaft verdeutlichen, die Menschen werden entscheiden, ob es für sie tatsächlich ein Benefit ist oder ob die Bequemlichkeit siegt“, so Funke.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Gutachten

von Roland Mückschel am 16.01.2020 um 10:11 Uhr

Der Spahn will uns bescheissen. Wie immer.
Frau Funke erkennt das klar. Bravo.

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