Gewissensfreiheit von Apothekern

Apotheker durfte Abgabe der „Pille danach“ verweigern

Berlin - 16.01.2020, 17:50 Uhr

Andreas K. vor seiner früheren Apotheke in Neukölln. Heute werden in den Räumen Secondhand-Kleidung und allerlei schöne Dinge verkauft. (c / Foto: ADF international)  

Andreas K. vor seiner früheren Apotheke in Neukölln. Heute werden in den Räumen Secondhand-Kleidung und allerlei schöne Dinge verkauft. (c / Foto: ADF international)  


Nur eine Warnung – wegen eines Datenschutz-Verstoßes

Am Ende verhängte das Berufsgericht aber nur eine „Warnung“ für den Apotheker – die mildeste aller im Berufsrecht vorgesehenen Sanktionen. Und die bezog sich lediglich auf den an eine Patientin geschickten Brief – hier habe er gegen das Datenschutzgesetz verstoßen, weil die Betroffene nicht in die Nutzung ihrer Daten eingewilligt hatte. Nur dies werteten die Richter als vorwerfbare Berufspflichtverletzung. Dass dieses Vorgehen nicht korrekt war, sah auch der beschuldigte Apotheker ein.

Im Inhalt des Briefes konnten die Richter hingegen keine Berufsrechtsverletzung sehen. Darin erläuterte der Apotheker, dass der Wirkmechanismus der „Pille danach“ nicht vollständig geklärt sei und nannte überdies Kontaktdaten für eine Beratung. Das Gericht verweist auf § 16 Abs. 2 Satz 1 Berliner Kammergesetz – diese Norm stehe einer berufsrechtlichen Maßnahme entgegen. Dieser besagt:


Wissenschaftliche, religiöse, künstlerische oder politische Ansichten oder Handlungen können nicht Gegenstand eines berufsgerichtlichen Verfahrens sein.“

§ 16 Abs. 2 Satz 1 Berliner Kammergesetz (2016)


Daraus schließt das Gericht, dass ihm Zurückhaltung auferlegt ist. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Hinweiszettel eine „bloße Lästigkeit“ seien. Die Betroffenen hätten sich ihr leicht entziehen können, indem sie die Apotheke verlassen und den Zettel nicht annehmen oder entsorgen. Auch die Nicht-Abgabe der „Pille danach“ sei keine vorsätzliche Berufspflichtverletzung. Dafür müsste eine „Schuld“ des Apothekers erwiesen sein. Eine eindeutige Rechtslage gebe es zur Frage, ob sich ein Apotheker auf seine Gewissensfreiheit berufen könne, nicht. Auch nicht im Hinblick auf die Frage, ob Gewissensgründe den Kontrahierungszwang, der Apotheken ja eigentlich obliegt, durchbrechen können. „Eine Lösung kann sich verfassungskonform nur durch eine Abwägung der betroffenen Grundrechte im Einzelfall ergeben“, heißt es im Urteil. Und im vorliegenden Einzelfall geht diese zugunsten des Apothekers aus. Dabei verweist es unter anderem auch darauf, dass es in Berlin ausreichend Apotheken gibt, zu denen die Kundinnen ausweichen konnten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

Gewissensfreiheit

von V. M. S. am 23.01.2020 um 12:16 Uhr

Das Recht auf Leben geht immer vor und das Recht auf Gewissensfreiheit sollte im gesunden Maße auch für Apotheker gelten. Die Medizin soll der Gesundheit und dem Wohl der Menschen dienen, so doch auch dem Leben, und nicht gerade ihm entgegenwirken! Die Pille danach ist doch in diesem Sinne nicht etwas, was die Person vor einer Krankheit/einem Leiden bewahren soll oder das Leiden mindern soll - es sei denn man versteht das entstandene Leben als solches. Und ein Kind wie eine Krankheit zu betrachten, die man beseitigen muss... ich weiß nicht, wie ich so eine Einstellung bezeichnen soll... Außerdem sind sich die meisten Leute, die die Pille nehmen (meistens wirklich junge Frauen) gar nicht der negativen Konsequenzen bewusst, sowohl psychisch als auch physisch. Meiner Meinung nach sollte hier vielmehr auch eine Pflicht für die Apotheker gelten, die Kundinnen" (von Patientinnen will und kann ich hier nicht sprechen!) auch vor den negativen, oft bis zum Lebensende anhaltenden Auswirkungen zu warnen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sehr gut! :-) :-) :-)

von Mareike am 22.01.2020 um 18:06 Uhr

Ich finde die Entscheidung des Gerichtes auch sehr gut und akzeptabel! Das Gewissen des Einzelnen gehört unbedingt geschützt!

Wer kann über ungeborenes Leben in der Apotheke entscheiden?!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Respekt für die Entscheidung des Gerichts

von E. Geitner am 19.01.2020 um 23:32 Uhr

Großen Respekt empfinde ich für die Entscheidung des Gerichts, weil es die Würde und Gewissensfreiheit des Angeklagten achtet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Pille danach

von Antje Bauer am 18.01.2020 um 16:15 Uhr

Finde es sehr schlimm, sollen Frauen wieder heimlich abtreiben???
Am besten diese Apotheke nie wieder betreten.
In welchem Land leben wir eigentlich noch?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Pille danach

von Mareike am 22.01.2020 um 18:17 Uhr

Die "Pille danach" wirkt sicher auch nidationshemmend.
Warum wirkt sie sonst zu 90% und höher?!
Dadurch ist sie abtreibend.
Das Risiko einer Abtreibung wird durch den Anwender, der sich in einer wichtigen Frage damit auseinandersetzen sollte (und es ist sicherlich eine ethische Frage!), bewusst in Kauf genommen.

Die Pharmaindustrie wirbt bewusst einseitig und irreführend mit der Hauptwirkung Eisprungverschiebung.

Das Leben beginnt bei der Befruchtung. Dort wird die einmalige Seele eines jeden Menschen eingehauch vor der Nidationt!!! Damit ist eine nicht durch die Natur verursachte Nidation vorsätzliche Tötung des Menschen.

AW: Pille danach

von Andreas am 24.01.2020 um 16:36 Uhr

@Mareike: Wenn die Seele bei der Befruchtung «eingehaucht» wird, was passiert dann mit den Seelen der ca. 30% Spontanaborten während des ersten Trimesters?

Was hat sich der Seeleneinhaucher bei diesen Fällen gedacht?

AW: Pille danach

von Friedrich am 24.01.2020 um 19:39 Uhr

@Andreas

Unterstellt, Sie haben Ihre Fragen nicht rein rhetorisch gestellt, sondern sind vielmehr an einer ernsthaften Beantwortung interessiert, versuche ich, eine Antwort zu geben.

Jede menschliche Seele ist unsterblich, also vom biologischen Vorgang des Spontabort unbeeinträchtigt. Eine kirchliche Lehre über das Schicksal ungeborener Seelen kenne ich nicht, ich denke, dass diese Seelen bei ihrem Schöpfer geborgen sind (Psalm 139:13-16).

Zu Ihrer zweiten Frage: der Dreieinige Gott hat sich im Hinblick auf Spontanaborte nichts "gedacht" und damit meine ich: es ist nicht Gottes Wille, dass es Spontanaborte gibt. Spontanaborte sind wie alle anderen die Entstehung eines Menschen im Mutterleib verhindernden Vorgänge auch nicht nach Gottes Willen (vgl. wiederum Psalm 139). Dass es dennoch dazu kommt, ist die Konsequenz des menschlichen Sündenfalls.
Es mag Sie von der Warte des kritischen Rationalismus (ich gehe davon aus, dass Sie dieser Weltanschauung folgen) intellektuell nicht befriedigen, dass der Sündenfall als Antwort herhalten soll. Gleichwohl ist es schlichtweg eine Tatsache, dass kein Mensch (außer Jesus Christus) jemals das Doppelgebot der Liebe (du sollst Gott lieben mit ganzen Herzen, mit ganzer Kraft und aller deiner Vernunft und deinen Nächsten wie dich selbst) jemals vollständig erfüllt hätte. Jeder, der sich in dieses Doppelgebot vertieft und mit dem Ist-Zustand dieser Welt vergleicht, kommt nicht darum herum, die Gefallenheit des Menschen in Sünde zu erkennen.
Und das wünsche ich nicht nur Ihnen, sondern auch mir.

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