Papier zu Arzneimittel-Lieferengpässen

Grüne: Rabattverträge nicht antasten, Großhändler für Meldungen vergüten

Berlin - 09.01.2020, 14:00 Uhr

Vier Gesundheitsexpertinnen der Grünen-Fraktion im Bundestag haben ein Papier zur Vermeidung von Arzneimittel-Lieferengpässen entworfen. Demnach sollen Kassen und Apotheker für Mehraufwände entschädigt werden und Großhändler ein zentrales Register mit Daten befüttern. (m / Foto: Külker)

Vier Gesundheitsexpertinnen der Grünen-Fraktion im Bundestag haben ein Papier zur Vermeidung von Arzneimittel-Lieferengpässen entworfen. Demnach sollen Kassen und Apotheker für Mehraufwände entschädigt werden und Großhändler ein zentrales Register mit Daten befüttern. (m / Foto: Külker)


Nach der Union und der SPD hat nun auch die Grünen-Fraktion im Bundestag ein „Autorenpapier“ zu Arzneimittel-Lieferengpässen vorgelegt. Die vier Grünen-Gesundheitspolitikerinnen Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche, Kirsten Kappert-Gonther und Bettina Hoffmann fordern darin insbesondere eine schärfere Meldepflicht. An den Rabattverträgen wollen die Grünen nichts ändern. Die vier Politikerinnen greifen auch einen Vorschlag des Großhändlers AEP auf, nach dem die Großhändler für ein Engpass-Monitoring vergütet werden. Und: Apotheker und Krankenkassen sollen für ihren Mehraufwand entschädigt werden.

In der Grünen-Bundestagsfraktion gibt es nun auch ein Papier zu Arzneimittel-Lieferengpässen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, hat das Papier gemeinsam mit der Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche, der Ärztin und Expertin für Drogenpolitik Kirsten Kappert-Gonther sowie Bettina Hoffmann entworfen, die in der AG Gesundheit für das Thema Umweltgesundheit verantwortlich ist. So wie viele andere Experten erklären auch die Grünen-Expertinnen, dass die Engpass-Problematik aus ihrer Sicht komplexe Ursachen hat und daher ein „ganzes Maßnahmenbündel“ nötig sei.

Eines stellen die Grünen aber klar in ihrem Papier: An den Rabattverträgen wollen sie nichts ändern. „Wir sind der Meinung, dass das derzeitige Rabattvertragssystem ein effektives Mittel ist, um im Interesse der Versicherten eine wirtschaftliche Versorgung mit Arzneimitteln zu erreichen. Darüber hinaus sind die Rabattverträge kein geeigneter Ansatzpunkt, um die Engpass-Problematik zu lösen.“ Damit sind die Grünen ausnahmsweise auf Linie mit dem Bundesgesundheitsministerium. DAZ.online hatte bereits darüber berichtet, dass das BMG keinen größeren Änderungsbedarf am Rabattvertragssystem sieht. Die Fraktionen von Union und SPD hingegen hatten in ihren Papieren solche Umstellungen vorgesehen, wie etwa ein Verbot von exklusiven Ausschreibungen.

Grüne greifen AEP-Vorschlag fast wörtlich auf

Die zentrale Forderung der Grünen-Politikerinnen ist eine massive Ausweitung der Meldepflicht, verbunden mit mehr Transparenz in der Lieferkette. Dabei greifen die Grünen-Politikerinnen fast wörtlich einen Vorschlag auf, den zuletzt der Großhändler AEP unterbreitet hatte. Demnach soll der pharmazeutische Großhandel „eine entscheidende Rolle“ spielen, weil dieser schon frühzeitig in seinen Systemen auf eventuelle Lieferprobleme aufmerksam gemacht werde. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) solle zunächst ein zentrales Register aufgebaut werden. Der Großhandel soll seine Informationen über entstehende oder drohende Engpässe an dieses Register melden – und dafür vergütet werden. AEP hatte einen Anstieg des Großhandelsfixums um 5 Cent pro Packung gefordert. Die Grünen-Politikerinnen legen sich nicht auf einen Wert fest.

Aufwandsentschädigungen für Apotheker und Kassen

Neben der Unantastbarkeit der Rabattverträge stimmen die Grünen dem BMG in einem weiteren Punkt zu: Die Handlungskompetenzen des BfArM sollen erweitert werden. Zur Erinnerung: Mit dem GKV-Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz will das Ministerium das BfArM dazu befähigen, auf Basis der Empfehlungen eines Beirats zum Beispiel ausländische Arzneimittel importieren zu lassen. Die Grünen fordern des Weiteren Vorgaben zur Überprüfung der Einhaltung bereits bestehender Bevorratungsverpflichtungen bei Großhandel und Apotheken sowie eine Ausweitung der Bevorratung oder eine Exportbeschränkung für Großhandel und Apotheken mit Großhandelserlaubnis, die dann vom BfArM erlassen werden können.

Darüber hinaus fordern die Grünen-Expertinnen, dass die Hersteller bei produktions- und betriebsbedingter Nicht-Lieferbarkeit schnell „wirksam“ sanktioniert werden. Auch hier greifen die Grünen einen inzwischen – von den Krankenkassen – bekannten Vorschlag auf: Als „Ausgleich für den Mehraufwand“ sollen Apotheker künftig Aufwandsentschädigungen erhalten, die aus den Sanktionsbeträgen der Hersteller finanziert werden. Auch die AOK Baden-Württemberg und der GKV-Spitzenverband hatten dies schon gefordert. Einziger Unterschied: Im Grünen-Papier wird auch gefordert, dass der „Mehraufwand der Kassen“ von den Herstellern refinanziert wird.

Weil die vier Gesundheitspolitikerinnen das Problem auch auf europäischer Ebene anpacken wollen, fordern sie des Weiteren, dass die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in diesem Jahr dafür genutzt wird, die „Themenkomplexe Arzneimittel-Lieferengpässe und Arzneimittel-Produktion in der EU zu diskutieren und europäische Maßnahmen zu beschließen“. Es müssten Anreize geschaffen werden, die Wirkstoff-Produktion wieder in die EU zu verlagern, Schwerpunkte sollten dabei auf Antibiotika und Impfstoffe gelegt werden. Dazu fordern die Grünen „innovative Vergütungsmodelle“, wie etwa einen globalen Forschungsfonds oder Pay-for-Performance-Modelle.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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