Regierungswechsel in Österreich

Apotheker beharren auf Zuschüssen für Notdienste

Remagen - 09.01.2020, 10:39 Uhr

Anders als in Deutschland, wo es seit einigen Jahren zur Unterstützung den Nacht- und Notdienstfonds gibt, finanzieren Apotheken in Österreich die Dienstbereitschaft komplett aus eigener Tasche. (m / Foto: imago images / CHROMORANGE)

Anders als in Deutschland, wo es seit einigen Jahren zur Unterstützung den Nacht- und Notdienstfonds gibt, finanzieren Apotheken in Österreich die Dienstbereitschaft komplett aus eigener Tasche. (m / Foto: imago images / CHROMORANGE)


Die österreichische Apothekerkammer nutzt anlässlich des Regierungswechsels im Alpenland erneut die Gelegenheit, auf eine öffentliche Finanzierung der Nachtdienste zu pochen. Sollte das nicht passieren, so müssten die Dienste reduziert werden, meint Kammerpräsidentin Mursch-Edlmayr.

Analog zum ärztlichen Notdienst soll in Österreich auch der Bereitschaftsdienst der Apotheken aus Mitteln der öffentlichen Hand unterstützt werden. Das fordert die Präsidentin der österreichischen Apothekerkammer Ulrike Mursch-Edlmayr in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Austria Presse Agentur (APA), das „Der Standard“ aufgreift. Es gehe sich wirtschaftlich nicht mehr aus, dass die Apotheken den Bereitschaftsdienst selbst finanzieren, meint die Apothekerin. Alternativ zur öffentlichen Finanzierung kann sie sich auch vorstellen, die Vergütung der Apothekerleistungen durch die Krankenkassen zu erhöhen. In dem soeben begonnenen neuen Jahr will Mursch-Edlmayr mit den Vertragspartnern Verhandlungen darüber führen. Sollte beides nicht möglich sein, dann müssten die Apotheken ihre Bereitschaftsdienste reduzieren, so ihre Ankündigung.

Verschiedene Auswege aus dem Dilemma

Das Anliegen schwelt in der österreichischen Apothekerkschaft schon länger. Bereits im März 2016 hatte der Apothekerverband bei der Vorstellung der Betriebsergebnisse der Apotheken auf das Problem aufmerksam gemacht und finanzielle Erleichterungen reklamiert. Der Service wurde seinerzeit mit einem Kostenaufwand von 33 Millionen Euro beziffert, wovon die Apotheken mit 30 Millionen den Löwenanteil schulterten. Konkret hatte der Apothekerverband 15 Millionen Euro als Unterstützung gefordert.

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Bei der Vorlage der Bilanz für 2018 im März 2019 hatte der Verband den Finger erneut in die Wunde gelegt und mehr unternehmerische Freiheit bei der Entscheidung über die Nachtdienst-Dichte ins Gespräch gebracht. In diesem Zusammenhang kritisierte der Verbandsvorsitzende Jürgen Rehak auch die Unsitte, dass der wichtige Apotheken-Notdienst in der Nacht häufig zum „Late-Night-Shopping missbraucht” werde. Um zu sparen, schlug Rehak eine Reduzierung der Wiener Nachtapotheken im Bereitschaftsdienst nach 22 Uhr von 40 auf 15 vor.

Bereitschaftsdienst kostet im Jahr 36 Millionen Euro

Heute spricht die österreichische Apothekerkammer von insgesamt rund 36 Millionen Euro jährlich für die Finanzierung der Bereitschaftsdienste, die die Apotheken alleine zu tragen hätten. Nach Angaben der Kammer leisten rund 265 Apotheken in ganz Österreich jede Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen Bereitschaftsdienste. Sie wechseln sich dabei ab, so dass jede mehrmals pro Monat an der Reihe ist. Welche Apotheke aktuell Dienst versieht, ist telefonisch unter 1455 zum Ortstarif zu erfahren. Smartphone-Besitzer können sich die nächste dienstbereite Apotheke inklusive Wegbeschreibung und sämtlicher Medikamenteninformationen über die kostenlose „Apo-App Apotheken und Medikamente“ der Österreichischen Apothekerkammer anzeigen lassen: https://www.apoapp.co.at/.

Weitere Wünsche an die neue Regierung

Nun geht es darum, das dicke Brett „Notdienstfinanzierung“ bei der neuen Regierung weiter zu bohren, obwohl „Alt-“ und „Neukanzler“ Sebastian Kurz diese „Baustelle“ nicht fremd sein dürfte. Die Kammerpräsidentin nutzt das Interview aber auch dazu, der neuen Regierung noch ein paar weitere Wünsche vorzutragen. Dazu gehört die Stärkung der öffentlichen Apotheke vor Ort und ein Bekenntnis der Politik zur Apotheke als sicherer Gesundheits- und Arzneimittelversorger. Weiterhin tritt Mursch-Edlmayr für die „Implementierung der Apotheke als zentrale Versorgungsstufe im Gesundheitssystem“ ein, vor allem im Rahmen der „betreuten Selbstmedikation“.

Überdies beharre sie darauf, dass die ärztlichen Hausapotheken nicht den Bestand der Apotheken in ländlichen Regionen gefährden dürften, schreibt „Der Standard“ weiter. Für sie sei die Hausapotheke die schlechteste und am wenigsten nachhaltige Lösung. Mursch-Edlmayr schlägt in diesem Punkt allerdings eher moderate Töne an. Sie hält diese Frage nur für ein „Nebenthema“, und ihre Gesprächsbasis mit ihrem Ärztekammer-Kollegen Thomas Szekeres bezeichnet sie als „sehr gut und vertrauensvoll“.

Gratulation an Rudolf Anschober

Anlässlich der Vereidigung der neuen schwarz-grünen Regierung hatte die Apothekerkammer Rudolf Anschober zur Ernennung zum Bundesminister für Gesundheit und Soziales gratuliert. Der 59-jährige Grünen-Politiker ist von Hause aus Lehrer und Journalist und war von Oktober 2003 bis zu seiner jetzigen Ernennung als Landesrat Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung.

„Mit Rudi Anschober hat die neue Bundesregierung ein überaus engagiertes, pragmatisch agierendes Mitglied mit langjähriger politischer Erfahrung und großer sozialer Kompetenz“, so Mursch-Edlmayr's Einschätzung. „Ich freue mich auf eine gute, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm und seinem Team.“ Die Apothekerkammer werde ihre Angebote für noch mehr Arzneimittelsicherheit und innovative Dienstleistungen für die Gesundheit der Bevölkerung in die Regierungsarbeit einbringen, sagte die Kammerpräsidentin zu. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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