Neues Apotheken-Gutachten

Spahn lässt Aufgabe der Rx-Preisbindung erforschen

Berlin - 08.01.2020, 10:15 Uhr

Eigene Pläne: Obwohl die Bundesregierung eigentlich ein Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich plant, lässt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seit November die partielle und komplette Aufhebung der Rx-Preisbindung untersuchen. (m / Foto: Schelbert)

Eigene Pläne: Obwohl die Bundesregierung eigentlich ein Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich plant, lässt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seit November die partielle und komplette Aufhebung der Rx-Preisbindung untersuchen. (m / Foto: Schelbert)


Warum ein zweites Gutachten?

Dass das BMG nun ein weiteres Gutachten in Auftrag gibt, überrascht auch, weil es in der Bundesregierung schon ein einigermaßen aktuelles Gutachten gibt. Dieses hatte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Auftrag gegeben, um die wirtschaftliche Situation der Apotheken zu verstehen – mit Blick auf eventuelle Umstrukturierungen des Apothekenhonorars. Seit Ende 2017 ist das Gutachten öffentlich, wurde aber bislang in keine Gesetzgebung eingebunden. Die Analyse enthält allerdings nicht nur Aussagen zum Apotheken-Honorar, sondern äußert sich auch deutlich zum Versandhandelskonflikt und zur Rx-Preisbindung.

In dem Kapitel des BMWI-Gutachtens, das sich dem Rx-Versandhandel widmet, beschweren sich die Agentur-Mitarbeiter insbesondere darüber, dass in der Diskussion um das Rx-Versandverbot und rund um die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung die Ausgangslage vor dem Urteil vergessen werde. Denn vielen Apotheken sei es schon davor wirtschaftlich sehr schlecht gegangen. Welche Standorte das sind, sei nur schwer zu bewerten. Und eine pauschale Finanzierung wirtschaftlich gefährdeter Apotheken sei „nicht zulässig“. Und so kamen die BMWi-Gutachter zu dem Schluss:


Die wirtschaftliche Lage der Vor-Ort-Apotheken ist bereits mit Stand 2015 für 47 Prozent aller Apotheken-Unternehmen als schlecht anzusehen. Der europäische Versandhandel kann daher rein zeitlich nicht für die wirtschaftlich schwierige Lage vieler Apotheken verantwortlich gemacht werden. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten betreffen insbesondere städtische Kreise (5200 von 7600 Apotheken) und stehen damit nicht in direktem Zusammenhang mit einer flächendeckenden Versorgung. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind vor diesem Hintergrund weder durch das Verbot des Versandhandels noch durch die allgemeine Vergütung über die AMPreisV zu beheben.“

BMWi-Gutachten von 2017


Etwas mehr als 450.000 Euro hatte das Bundeswirtschaftsministerium erst vor wenigen Jahren für dieses ausführliche Gutachten zum Apothekenmarkt ausgegeben. Das BMWi hatte Ende 2017 noch erklärt, dass die nächste Bundesregierung die Analyse nutzen werde – und trotzdem sieht das BMG nun erneut den Bedarf, eine Analyse zu erstellen. Die knappe Begründung eines Sprechers: „Bei diesem Gutachten wird eine andere Fragestellung betrachtet als bei dem bereits erstellten Gutachten des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.“

Apotheker nicht eingebunden in Datenerhebung

Und so bleibt eine weitere spannende Frage: Auf welcher Datenbasis errechnet das IGES Institut die Auswirkungen einer Deregulierung? Die Agentur 2HM hatte hierfür selbst Apotheken befragt, weil man eine von den Apothekern unabhängige Datenbasis erstellen wollte. Doch nach Informationen von DAZ.online ist die Apothekerschaft in die Erstellung dieses neuen Gutachtens nicht eingebunden. Ein BMG-Sprecher dazu: „Grundlage für das Gutachten sind insbesondere frei zugängliche statistische Daten.“ Weil die Apotheker die Datenerhebung der BMWi-Gutachter heftig kritisiert hatten, gab die ABDA selbst ein eigenes Datenpanel in Auftrag – um gegenüber der Politik die wirtschaftliche Situation der Apotheken besser beschreiben zu können. Da es schon bald zwei Gutachten der Bundesregierung zum Apothekenmarkt geben wird, dürfte das ABDA-Datenpanel allerdings dramatisch an Bedeutung verlieren.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

warum

von pi mal x am 12.01.2020 um 11:44 Uhr

warum die Banane krumm reden, wieso nicht einfach die Preisbindung aufheben, im Versand ist doch alles wirklich ALLES so viel günstiger! Wozu Fachgeschäfte wozu Beratung? Für wen Apotheken-Arbeitsplätze, alles überflüssiger Luxus! Geizistgeil regiert die Deutschen. Die alten Säcke, die früher mal die Preisbindung auf Bücher, auf Tierarzneimittel, auf Arzneimittel im Humanbereich ausgeklügelt haben, sterben ja glücklicherweise weg. Die ware sooo borniert, wollten, dass in Hamburg dasselbe bezahlt werden soll wie in München, dass ein kranker Mensch nie überlegen musste, wohin mit meiner Verordnung, da der Preis überall identisch sein muss. Nein, wir machen lieber Schnäppchenjagd mit Aktionärsreichtum- passt doch viel besser in die heutige Zeit! Postbote kommt und bringt mir meine e Rezept bestellung von docdirect verordnet- alles vom SOFA aus!! Danke, liebes Sozialministerium, dass wieder mal der 2. Schritt vor dem 1. getan wurde. Kürzlich beglücktest du mich durch die schöne Hochglanzbroschüre, die erklärt dem Kunden schon wie e Rezept sauber funktioniert ohne dass meine EDV Firma es mir sagen kann- wie geil ist das denn. Also jedenfalls Preisbindung wer braucht solche alten Zöpfe, die gehört weg, Wettbewerb, wichtig, Postzustellung, wichtig, Arzneimittelpreisverordnung: SINNLOS! Weg mit den Regeln! Catch as catch can und die ewiggestrigen Apotheker mit ihren Dinosaurier Allüren- die ersetzt glaubich jetzt Alexa. Oder Siri oder wie die alle heißen. Mit digitaldementem Gruß Pi

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Jens Spahns Black Years als „möglichen Auswirkungen“ ...

von Christian Timme am 09.01.2020 um 6:07 Uhr

„ Das Gutachten befasst sich mit den möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung bzw. der Gewährung von Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“ ... alles klar?

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AW: Jens Spahns Black Years als „mö

von pi mal x am 12.01.2020 um 11:49 Uhr

und nicht zu vergessen: die Gutachter dürfen mindesten dreihunderttausend Euro für ihr Gutachten abrechnen. Wir könnten denen als nächstes auch den Auftrag erteilen, sie sollen mal die zeitgemäße Anpassung der Demokratie an die Diktatur des Sonnenkönigs berechnen. Deren Auswirkung wär sicher gut für alle

Aufgabe

von Roland Mückschel am 08.01.2020 um 12:09 Uhr

Vielleicht sollte die Apothekerschaft auch mal die
Aufgabe von Spahn erforschen lassen?

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AW: Aufgabe

von Conny am 08.01.2020 um 13:38 Uhr

Was soll es da zu forschen geben . Spahn und Max Müller arbeiten schon immer zusammen. Wie oft wurde Frank ebert und ich gelöscht, zensiert wenn kritische Kommentare zu der Verbindung geschrieben wurden. Es war alles so klar , nur die lieben Schreiber hier, und die Delegierten waren auf beiden Augen blind.

Abda einbinden

von Conny am 08.01.2020 um 10:49 Uhr

Wieso sollten diese Komiker eingebunden werden?. Wir sind am Tiefpunkt der Beachtung angekommen.. Danke Schmidt, danke Becker. Diese Beiden haben alles vermurkst was man vermurksen kann. Ps : Danke auch an alle naiven Delegierten !

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Toll!

von Christiane Patzelt am 08.01.2020 um 10:42 Uhr

Das Mäxchen spielt die Flöte und die Nation tanzt dazu -- na dann, ihr Tanzbärchen, frohes Disruptieren!

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2. Gutachten

von Dr. Radman am 08.01.2020 um 10:37 Uhr

Max Müller entfaltet hier seine Wirkung. Dreimal dürfen wir raten, was dabei rauskommt.

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