Masernschutzgesetz

Bundesrat beschließt Wiederholungsrezepte und Apotheken-Impfungen

Berlin - 20.12.2019, 12:30 Uhr

Im Bundesrat wurde am heutigen Freitag das Masernschutzgesetz beschlossen. Für die Apotheker bringt es Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen und Wiederholungsrezepte mit sich. (m / Foto: imago images / Jeske)

Im Bundesrat wurde am heutigen Freitag das Masernschutzgesetz beschlossen. Für die Apotheker bringt es Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen und Wiederholungsrezepte mit sich. (m / Foto: imago images / Jeske)


Der Bundesrat hat am heutigen Freitag das Masernschutzgesetz beschlossen. Das zustimmungspflichtige Gesetz enthält für die Apotheker einige wichtige Passagen. Konkret sollen die Pharmazeuten künftig Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken mit Krankenkassen vereinbaren können. Und: Ärzte sollen künftig sogenannte Wiederholungsrezepte verordnen können, die Apotheken dann mehrfach beliefern können. Das Gesetz soll größtenteils im März 2020 in Kraft treten.

Zuletzt hatte es noch Spekulationen über einen möglichen Vermittlungsausschuss gegeben, weil der Kulturausschuss der Länderkammer sich dafür ausgesprochen hatte. Der Gesundheitsausschuss hingegen hatte dem Plenum empfohlen, das Masernschutzgesetz passieren zu lassen. Und so ist es nun auch gekommen: Bei der Abstimmung gab es keine Mehrheit für einen Vermittlungsausschuss. Somit kann das Gesetz wie geplant zum 1. März 2020 in Kraft treten. Mitte November hatte bereits der Bundestag zugestimmt.

Spahn: niedrigschwelliges Angebot durch Apotheken-Impfungen

Vor dem Beschluss sprachen noch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu dem Thema. Lucha wies auf die schweren Folgen hin, die Maserninfektionen haben können. Von 100.000 Masern-Fällen bei Kindern komme es in 20 bis 30 Fällen zur sklerosierenden Panenzephalitis, die „immer sterblich“ verläuft, so Lucha. Derzeit liege auch eine „dramatische Studie“ vor, nach der eine Maserninfektion das Immunsystem dauerhaft schwächt. Lucha weiter: „Impfstoffe sind die sichersten Arzneimittel, Masern sind gefährlicher als die Impfung.“ Lucha erinnerte daran, dass es in seinem Bundesland eine traditionell niedrige Impfquote gebe und appellierte, dass man Verschwörungstheorien der Impfgegner, die „Hoheit des wissenschaftlichen Beweises“ entgegensetzen müsse.

Auch Spahn sagte, dass die Masern keine „harmlose Kinderkrankheit“ seien, sie sind nicht therapierbar. Die Masernimpfpflicht sei zwar ein Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, „aber Freiheit ist nicht immer nur selbstgezogen, sondern es geht auch um Verantwortung für die anderen“, sagte der Minister. Spahn nannte sein Gesetz eine „historische Entscheidung“, weil es für die westdeutschen Bundesländer die erste Impfpflicht seit 1874 (damals Pocken) mit sich bringe. Kurz ging er auch auf die geplanten Grippeschutzimpfungen in Apotheken ein. Auch durch die Grippe gebe es noch „viel zu viele Todesfälle“, so Spahn. Es sei daher wichtig, „niedrigschwellige Angebote“ zu schaffen.

Hier nochmals die Übersicht einiger relevanter Inhalte des Gesetzes:

  • Die Kassen müssen mit einzelnen Apothekern oder Gruppen von Apotheken oder den Landesapothekerverbänden – wenn diese sie dazu auffordern – Verträge zu Modellvorhaben vereinbaren, bei denen Apotheker Erwachsene gegen Grippe impfen. Die Apotheker müssen allerdings ärztlich geschult werden. Hier lesen Sie mehr über die Modellvorhaben.
  • Bei den Wiederholungsrezepten haben die Ärzte weiterhin die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie sie verordnen. Grundsätzlich soll es den Medizinern aber möglich sein, Rezepte auszustellen, die es insbesondere Chronikern erlauben, sich mehrfach die nötige Medikation in der Apotheke abzuholen. Hier lesen Sie mehr über die Wiederholungsrezepte.

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Wie ist die Masernimpfpflicht ausgestaltet?

  • Kinder und Mitarbeiter in Kitas und Schulen, Personal in medizinischen Einrichtungen und auch Menschen und Personal in sogenannten Gemeinschaftseinrichtungen müssen künftig gegen Masern geimpft sein. Darunter fallen auch Asylbewerberheime, Flüchtlingsunterkünfte und auch Ferienlager.
  • Nachgewiesen werden kann die Impfung beziehungsweise Immunität durch den Impfausweis oder durch ein Attest vom Arzt, dass man schon einmal Masern hatte. Ausgenommen sind Menschen, die einen ärztlichen Nachweis vorlegen können, dass bei ihnen eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht ratsam ist und Menschen, die vor 1970 geboren sind, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Masern schon durchlitten haben.
  • Kinder, die schon in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden, und Personen, die dort bereits tätig sind, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen.
  • Nichtgeimpfte Kinder können vom Besuch der Kindertagesstätte ausgeschlossen werden. Nichtgeimpftes Personal darf in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen keine Tätigkeiten aufnehmen.
  • Künftig sollen alle Arztgruppen (außer Zahnärzte) Masernimpfungen verabreichen dürfen.
  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll verstärkt über Schutzimpfungen informieren. Dafür werden Mittel in Höhe von zwei Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt.
  • Damit der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) wieder verstärkt freiwillige Reihenimpfungen in Schulen durchführen kann, werden die Krankenkassen verpflichtet, mit dem ÖGD Vereinbarungen über die Erstattung der Kosten für diese Impfungen zu treffen.
  • Die vorgesehenen Neuregelungen zur Impfdokumentation antizipieren, dass in Zukunft möglicherweise auch Apotheken Schutzimpfungen durchführen könnten. Es ist vorgesehen, dass im Impfausweis beziehungsweise der Impfbescheinigung künftig nicht mehr der Name und die Anschrift „des impfenden Arztes“ zu vermerken ist, sondern „der für die Schutzimpfung verantwortlichen Person“. Der hier einschlägige § 22 Infektionsschutzgesetz selbst regelt aber auch weiterhin nicht, welche Personen unter welchen Voraussetzungen Schutzimpfungen durchführen dürfen, heißt es in der Begründung der Kabinettsvorlage. Sollen künftig also auch Apotheker impfen dürfen, muss dies noch explizit an geeigneter Stelle geregelt werden.
  • Wer gegen die Impfpflicht verstößt, dem droht ein Bußgeld. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte von bis zu 2500 Euro gesprochen. Zuständig für Überwachung und Bußgelder sind die örtlichen Gesundheitsämter. Kitas, Schulen und andere Einrichtungen müssen Impfsäumige an sie melden. Laut Bundesgesundheitsministerium geht es bei der Impfpflicht nicht nur um den Schutz Einzelner vor Masern, sondern auch um den sogenannten Gemeinschaftsschutz – also eine Verhinderung der Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung. Bei mindestens 95 Prozent der Bevölkerung sei dafür Immunität erforderlich. Deutschland habe das bislang nicht erreicht.

ABDA freut sich über den Bundesratsbeschluss

Obwohl sich die ABDA noch vor wenigen Monaten vehement gegen impfende Apotheker wehrte, begrüßt man bei der Standesvertretung nun den Beschluss des Bundesrates. „Wir wollen dazu beitragen, dass mehr Menschen in Deutschland gegen Grippe geimpft werden. Apotheken sind niedrigschwellige Anlaufstellen für Millionen Menschen, die kompetente Gesundheitsberatung vor Ort suchen“, sagt Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA. „Was in Amerika oder Frankreich möglich ist, kann auch hierzulande funktionieren. Regionale Modellprojekte sind der richtige Weg, um auszuprobieren, ob und wie das Ziel erreicht werden kann, über Apotheken noch mehr Menschen mit der Impfung zu erreichen. Klar ist auch, dass das fachlich gut vorbereitet sein muss. Die Apotheker sind sich ihrer Verantwortung und etwaiger Risiken durchaus bewusst.“

Laut Deutschem Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) ließen sich 2018 nur 184 pro 1000 Versicherte gegen Grippe impfen. Für 70 Millionen gesetzlich Versicherte wurden demnach nur 13,4 Millionen Impfdosen (2018) verbraucht.

Teils heftiger Widerstand gegen Apotheken-Impfungen

Nicht in allen Teilen des Gesundheitswesens und der Apothekerschaft bewertet man die neue Impfmöglichkeit für Apotheker positiv. Die Ärzte protestieren schon seit Monaten gegen ein solches Vorhaben. Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt hat bereits mehrfach angekündigt, dass er sich im Umkehrschluss für dispensierende Ärzte starkmachen wolle.

Und auch in der Apothekerschaft ist das Vorhaben nicht nur beliebt: Die Landesapothekerkammer Brandenburg und die Landesärztekammer des Landes haben kürzlich eine Resolution beschlossen, nach der es in Brandenburg keine solchen Modellvorhaben geben soll.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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