Fragliche Umsatzsteuer auf Herstellerabschlag

Argumente für und gegen das Unterschreiben von Verzichtserklärungen

Süsel - 13.12.2019, 09:00 Uhr

Sollten Apotheken Verzichtserklärungen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer auf Herstellerabschläge unterzeichnen oder nicht? (s / Foto: imago images / Westend61)

Sollten Apotheken Verzichtserklärungen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer auf Herstellerabschläge unterzeichnen oder nicht? (s / Foto: imago images / Westend61)


Verband Mecklenburg-Vorpommern betont bestandskräftige Bescheide

Ebenfalls am Mittwoch informierte der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern zu den Schreiben der AOK Niedersachsen. Nach Rücksprache mit dem Deutschen Apothekerverband und der Steuerberatung Treuhand Hannover halte der Verband die Ansprüche der Krankenkassen für unbegründet. Denn anders als von den Krankenkassen angenommen, finde eine Entlastung der Herstellerabschläge um die Umsatzsteuer statt. Damit bezieht sich der Verband offenbar auf ein Schreiben der Treuhand Hannover. Außerdem betreffe die Verjährung nur das Jahr 2015. Doch der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern geht davon aus, dass die Bescheide für 2015 „ganz überwiegend bereits bestandskräftig“ sein dürften. Daraufhin empfiehlt der Verband, die Apotheker sollten den Krankenkassen mitteilen, dass sich der begehrte Verjährungsverzicht auf eine nicht mehr änderbare Steuerfestsetzung beziehe. Die Abgabe der Verzichtserklärung sei daher nicht zielführend.

Verband Westfalen-Lippe: Einschränkungen bei möglicher Erklärung

Auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe gab in einem Mitgliederrundschreiben unverbindliche Empfehlungen zum Thema, setzte dabei aber einen anderen Schwerpunkt. Dort heißt es: „Um einen Rechtsstreit mit der Krankenkasse und das damit einhergehende Kostenrisiko zu vermeiden, könnte es sich als sinnvoll erweisen, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben.“ Dabei sollten allerdings einige Punkte unbedingt beachtet werden, rät der Apothekerverband Westfalen-Lippe:

  • Unter keinen Umständen sollte sich der Verzicht auf bereits verjährte Forderungen beziehen.
  • Der Verzicht sollte sich ausschließlich auf Forderungen zu noch änderbaren Umsatzsteuererklärungen beziehen. Forderungen aus nicht mehr abänderbaren Umsatzsteuererklärungen sollten ausdrücklich ausgeschlossen werden. Dies werde im Textentwurf der AOK Niedersachsen nicht berücksichtigt und müsse dort unbedingt ergänzt werden.
  • Auf die Einrede der Verjährung sollte nur zeitlich begrenzt verzichtet werden.
  • Eine Erklärung, dass sich die Apotheke gegenüber der Krankenkasse verpflichtet, Einspruch gegen eine Umsatzsteuererklärung einzulegen, sollte nicht abgegeben werden.
  • Die Erklärung sollte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht hinsichtlich der in Rede stehenden Forderungen abgegeben werden.

Zusätzlich zu diesen Empfehlungen weist auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe darauf hin, dass die Absprache mit dem eigenen Steuerberater unabdingbar sei.

Warnung: Weitere mögliche Folgen

Alle diese Überlegungen beziehen sich auf mögliche Forderungen der Krankenkassen und die Konsequenzen für die Umsatzsteuer. Zusätzlich wäre allerdings noch zu beachten, ob sich daraus weitere Folgen für die Apotheken ergeben, insbesondere für deren Vorsteuer. Damit hat sich Rechtsanwalt und Steuerberater Stefan Kurth, Kanzlei Schneider und Partner, Dresden, befasst, der schon vor den jüngsten Entwicklungen das Urteil des Finanzgerichts Münster analysiert hatte, auf das sich die Krankenkassen jetzt beziehen. Kurth erklärte gegenüber DAZ.online zu den umsatzsteuerlichen Fragen: „Im Kern haben die Krankenkassen keinerlei Ansprüche. Die Auffassung des FG Münster würde jedoch dazu führen, dass die Zahlungen des Herstellers kein Entgelt Dritter beim Verkauf an die GKV darstellen, sondern eine Entgeltkorrektur auf der vorherigen Handelsstufe - nämlich des Verkaufes des Herstellers an Apotheke oder Großhandel. Die Apotheke als wirtschaftlich Begünstigter wäre in diesem Fall zur Vorsteuerkorrektur auch rückwirkend verpflichtet. Hierin liegt die eigentliche Gefahr der Diskussion. Vor solchen Ansprüchen schützen nur bestandskräftige Bescheide.“ Diese Auffassung zeigt einmal mehr, wie vielschichtig das Thema ist und noch werden kann.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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Post von der AOK Hessen

2 Kommentare

DAV gefragt

von Dr.Diefenbach am 13.12.2019 um 9:19 Uhr

Insofern kann man eine UMGEHENDE juristische Stellungnahme des DAV erwarten.Dieses Imstichlassen "draussen" ist das Letzte was man gebrauchen kann.Und dass unterschiedliche Auffassungen existieren,DAS muss doch zur Folge haben ,dass eine einheitliche Vorgehensweise von oben vorgegeben wird!! Zumal teilweise zwei (!) Tage zur Antwort bleiben sollen,was allein schon inakzeptabel ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Unseriöses Vorgehen einer dubiosen Schar

von Andreas P. Schenkel am 13.12.2019 um 19:12 Uhr

Hab ich das richtig verstanden, manche GKV "gewähren gnädigst" nur zwei Tage zur Abgabe der Erklärung? Das ist ein überdeutliches Zeichen, dass die Forderung unseriös ist.

Im Internet gibt es das Phänomen, dass man Netz-Server mit soviel Arbeit durch Anfragen überlasten kann, dass man ihre ordnungsgemäßen Funktionen mehr oder weniger lahmlegt. Andersherum gedacht: Wenn die Apothekerschaft mal nicht auf Zuruf hüpft, sondern fröhlich pfeifend in den Winterhimmel grinst ..... Wenn also kaum jemand eine solche Verzichtserklärung unterschriebe, tja ob unsere Kumpels, die Kässelein, das Rumgeklage noch fristgerecht für alle Apotheken Deutschlands in bei Gerichte hängige Klagen umsetzen können? Eine blöde Wette zwar, aber dennoch ein charmanter Gedankengang.

Ceterum censeo, dass der DAV in künftigen Vertragswerken einen Preis > 0 € für das Factoring der Herstellerabschläge sowie eine angemessene Delkredere-Bepreisung dem GKV-Zwangsabschlag gegenübersetzen soll. Vermutlich niemand sonst in D macht das Inkasso inklusive Forderungsausfallrisiko für jemand anderen für total umme!

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