Maßnahmen gegen Lieferengpässe im GKV-FKG

ABDA: Apotheken für Mehraufwand vergüten und besser informieren

Berlin - 13.12.2019, 16:05 Uhr

Lieferbar oder nicht? Apotheken bringen viel Zeit für das Management von Engpässen auf. Die Arzneimittelpreisverordnung erfasst diesen Aufwand nicht.  (b/Foto: gpointstudio / stock.adobe.com)

Lieferbar oder nicht? Apotheken bringen viel Zeit für das Management von Engpässen auf. Die Arzneimittelpreisverordnung erfasst diesen Aufwand nicht.  (b/Foto: gpointstudio / stock.adobe.com)


Die Große Koalition will etwas gegen Arzneimittel-Lieferengpässe unternehmen. Die bisher dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) angehängten Maßnahmen treffen bei der ABDA grundsätzlich auf Zuspruch. Zu eng gefasst findet die Standesvertretung jedoch die Regelung, die Apotheken bei der Nichtlieferfähigkeit von Rabattarzneien ein flexibleres Vorgehen einräumen will. Unter anderem will die ABDA dafür sorgen, dass der Mehraufwand der Apotheken künftig vergütet wird. In ihrer Stellungnahme zum GKV-FKG regt sie aber auch eine Reihe weiterer Maßnahmen an.

Die ABDA hält die bisher in einem Änderungsantrag zum GKV-FKG vorgesehenen Maßnahmen für einen „wichtigen Schritt“ zur Lösung der allgegenwärtigen Probleme mit Liefer- und Versorgungsengpässen. Nachbesserungsbedarf sieht sie an zwei Stellen. Der eine Punkt ist formaler Natur und sicher nicht schwierig umzusetzen: In der neuen Regelung des § 52b Arzneimittelgesetz, die den Jour Fixe zu Lieferengpässen in einen rechtlich verankerten BfArM-Beirat überführen soll, sollte unter den hier vertretenen Verbänden, Organisationen und Behörden statt „Verbände der Apotheker“ die Formulierung „Berufsvertretungen der Apotheker“ stehen. Zugleich lässt die ABDA keinen Zweifel, dass sie den Beirat, der die Versorgungslage kontinuierlich beobachten und bewerten soll, für „eine zielführende Maßnahme“ hält. Und: „Die vorgesehene Einbindung der Apothekerinnen und Apotheker in diesen Beirat ist unbedingt notwendig, da versorgungsrelevante Lieferengpässe vor allem in den öffentlichen und den Krankenhausapotheken zutage treten“.

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Mehr Flexibilität für Apotheker

Umfassender sind die Änderungswünsche im Hinblick auf den neu geplanten Absatz 4c in § 129 SGB V. Der Änderungsantrag sieht derzeit vor, dass – um eine bedarfsgerechte Versorgung mit Rabattarzneien sicherzustellen – Apotheken 24 Stunden nach der Rezeptvorlage ein wirkstoffgleiches, nicht rabattiertes Arzneimittel abgeben dürfen – teurer als das verordnete darf es allerdings nicht sein. Auch wenn die ABDA nichts gegen die hinter dieser Regelung stehende Zielsetzung, den Spielraum der Apotheken bei der Arzneimittelabgabe im Fall von Lieferengpässen zu erweitern, einzuwenden hat: Die Regelung sei „in mehrfacher Hinsicht zu eng gefasst“.

Zum einen sollte die Regelung nicht nur auf rabattierte Arzneimittel beschränkt sein. Zum anderen verschlechtere die 24-Stunden Regelung die Versorgungsmöglichkeiten eher als sie zu verbessern. Der bestehende Rahmenvertrag lässt schließlich schon heute unter bestimmten Voraussetzungen die Abgabe eines anderen Arzneimittels zu. Zwar wird auf die Möglichkeit weitergehender vertraglicher Regelungen hingewiesen – „aber dies sollte auch im Gesetz selbst klargestellt werden“, findet die ABDA. Weiterhin hält sie nichts von der Preisbeschränkung: „Wenn kein Präparat zum Preis des verordneten Arzneimittels oder zu einem Preis darunter lieferbar ist, muss es im Interesse der Patienten auch erlaubt sein, ein teureres Präparat abzugeben“, heißt es in der Stellungnahme. Die ABDA schlägt deshalb vor, einen Satz einzufügen, der die Vertragspartner dazu verpflichtet, Regelungen zu vereinbaren, die im Fall der Nichtverfügbarkeit eines rabattierten Arzneimittels die Abgabe eines anderen, gegebenenfalls auch teureren, Arzneimittels erlauben.

Vergütung des Mehraufwandes und Regelung zum Entlassmanagement

Weiterhin betont die ABDA, dass die Bewältigung von Lieferengpässen mit einem erheblichen Aufwand in den Apotheken verbunden ist, der angemessen vergütet werden müsse. Sie verweist in Ihrer Stellungnahme auf den „Apothekenklima-Index 2019“, wonach 62,2 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker mehr als 10 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um bei Engpässen gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach Lösungen zu suchen.

Schließlich will die ABDA in den neuen Absatz des § 129 SGB V eine spezielle Regelung zum Entlassmanagement unterbringen. Das Verordnungsrecht der Krankenhäuser ist derzeit auf eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen beschränkt (§ 39 Absatz 1a Satz 7 SGB V). Hierdurch werde das Auswahlspektrum bereits für die Regelversorgung relativ eng gefasst, da die kleinste Packungsgröße ungeachtet von Lieferengpässen häufiger nicht verfügbar sei. Jedenfalls bei einem Engpass sei eine Ausnahme erforderlich, die durch die Rahmenvertragspartner näher auszugestalten ist.

Konkret schlägt die ABDA vor, die Neuregelung in § 129 Absatz 4c SGB wie folgt zu fassen:


Eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln ist auch im Fall von Lieferengpässen sicherzustellen. Das Nähere hierzu ist im Rahmenvertrag nach Absatz 2 festzulegen. Gegenstand sind hierbei auch Abweichungen von § 39 Absatz 1a Satz 7 und § 129 Absatz 1 Satz 4. Ferner ist eine Vergütung der Apotheken für den aus Lieferengpässen zulasten der versorgenden Apotheke sich ergebenden Mehraufwand zu vereinbaren.“ 

Aus der ABDA-Stellungnahme zum GKV-FKG vom 12.12.2019


Flankierend regt die ABDA an, die bestehende Regelung, nach der Versicherte, die ein Arzneimittel mit einem über dem Festbetrag liegenden Preis haben wollen, für diese Mehrkosten selbst aufkommen müssen (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SGB V) mit einer Ausnahme zu versehen. Und zwar für den Fall, dass angesichts von Lieferengpässen nur ein solches Arzneimittel verfügbar ist – das soll die Versicherten nicht belasten

Zentrale Online-Datenbank für Engpässe und Exportbeschränkungen 

Darüber hinaus sieht die ABDA weiteren Regelungsbedarf und schlägt vier zusätzliche Maßnahmen vor.

  • Information aller Apotheken über bestehende Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Jedwede Nichtverfügbarkeit sollte mit Grund und voraussichtlichem Zeitraum in einer zentralen Online-Datenbank, auf die alle Apotheken Zugriff haben, bereitgestellt werden.
  • Exportbeschränkungen für versorgungsrelevante Arzneimittel: Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker hatte sich bereis dafür ausgesprochen, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass für Fertigarzneimittel, die für die Versorgung in Deutschland dringend benötigt werden, der Verkauf durch Großhändler und Apotheken ins Ausland beschränkt werden kann.
  • Einhaltung der Vorgaben des § 52b AMG, nach dem pharmazeutische Unternehmer und Großhändler eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln sicherstellen müssen: Es sollen Sanktionen vorgesehen werden, wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden. Der Deutsche Apothekertag hatte sich hier für eine Schaffung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen ausgesprochen.
  • Rabattverträge (§ 130a Absatz 8 SGB V): An der Systematik des Sparinstruments will auch die ABDA festhalten. Es sollten aber Regelungen getroffen werden, die das Risiko für Engpässe minimieren. So müsse es Voraussetzung für die Durchführung von Vergabeverfahren sein, dass mindestens drei pharmazeutische Unternehmer am Markt tätig sind, die das auszuschreibende Arzneimittel anbieten. Der Zuschlag müsse dann an mindestens zwei pharmazeutische Unternehmer erteilt werden. Ist der Wirkstoff des Rabattarzneimittels bei mehreren Wirkstoffherstellern beziehbar, sei die Auswahl der Rabattpartner so zu treffen, dass die ausgewählten Anbieter den Wirkstoff von mindestens zwei unterschiedlichen Herstellern beziehen.

Am 18. Dezember steht die Anhörung zum GKV-FKG im Gesundheitsausschuss des Bundestages an. Die ABDA ist die nicht der einzige Verband, der sich zusätzliche Maßnahmen gegen Lieferengpässe wünscht. Man darf gespannt sein, welches Paket am Ende geschnürt wird.

Die ABDA-Stellungnahme im Volltext finden Sie hier. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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