Mega-Fusion geplant

Alliance Healthcare und Gehe vereinbaren Zusammenarbeit

Berlin - 12.12.2019, 10:30 Uhr

Mega-Fusion im Großhandelsmarkt: Alliance Healthcare und die Gehe wollen sich zusammenschließen. Nach Informationen von DAZ.online gibt es dafür vier hauptsächliche Gründe. (c / Foto: Oleksandr / stock.adobe.com)

Mega-Fusion im Großhandelsmarkt: Alliance Healthcare und die Gehe wollen sich zusammenschließen. Nach Informationen von DAZ.online gibt es dafür vier hauptsächliche Gründe. (c / Foto: Oleksandr / stock.adobe.com)


Paukenschlag im Großhandelsmarkt: Die beiden Pharmahandelskonzerne McKesson Europe (Gehe) und Walgreens Boots Alliance (Alliance Healthcare) haben vereinbart, ihre deutschen Großhandelsgeschäfte zusammenzulegen. Nach Informationen von DAZ.online reagieren die Konzerne damit auf sinkende Margen, zudem sollen Synergien und Effizienzen entstehen. Das neue Joint Venture soll zu 70 Prozent von WBA und zu 30 Prozent von McKessson kontrolliert werden. Kommt der Zusammenschluss zustande, gäbe es einen neuen Platzhirsch im Großhandelsmarkt.

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Gerüchte zu einer möglichen Zusammenarbeit mehrerer Großhändler gegeben. Ende 2017 hatte es dem Vernehmen nach ernstere Gespräche zwischen WBA und Phoenix gegeben, auch in Italien hatte es Hinweise auf eine mögliche Zusammenarbeit der beiden multinationalen Konzerne gegeben. Nun steht aber fest: Die Kooperation soll zwischen WBA und McKesson entstehen. WBA ist hierzulande mit dem Großhändler Alliance Healthcare tätig, die ehemalige Anzag. McKesson Europe hält in Deutschland die Gehe.

Einer Mitteilung der beiden Konzerne zufolge soll das neue Gemeinschaftsunternehmen zu 70 Prozent von WBA und zu 30 Prozent von McKesson gehalten werden. Beide Unternehmen sollen im Aufsichtsrat des Joint Ventures proportional vertreten sein. Die Zusammenarbeit betrifft allerdings nur Geschäftsaktivitäten von WBA und McKesson in Deutschland, in anderen Ländern, in denen beide Konzerne präsent sind, soll alles beim Alten bleiben.

Klar ist: Klappt der Mega-Deal zwischen den beiden Konzernen, entsteht im deutschen Großhandelsmarkt ein neuer Platzhirsch. Aus der Branche heißt es, dass beide Konzerne gemeinsam knapp 30 Prozent des Marktes kontrollieren würden. Ob ein solcher Zusammenschluss kartellrechtlich möglich ist, steht allerdings noch nicht fest. Laut der Mitteilung beider Konzerne steht die Transaktion unter dem Vorbehalt der Fusionsfreigabe und der Genehmigung durch die zuständigen Behörden. Dieser Prozess werde mindestens sechs Monate in Anspruch nehmen.

Vier Gründe für den Zusammenschluss

Nach Informationen von DAZ.online haben die Konzerne vier große Bereiche identifiziert, in denen ein Zusammenschluss der Großhandelstätigkeiten Sinn ergeben würde:

Erstens geht es um das Bestandsmanagement. Dem Vernehmen nach müssen WBA und McKesson Europe in der Regel mehr als 100.000 Produkte vorhalten, die Zahl der in den Apotheken vorgehaltenen Produkte liegt deutlich darunter. WBA und Gehe wollen offenbar den Einsatz ihres Betriebskapitals optimieren und ihre finanzielle Leistung erhöhen, wenn sie im Bestandsmanagement zusammenarbeiten.

Tourenzahl, Anzahl der Großhandelszentren, Regularien

Zweitens geht es um die Lieferpraktiken. Erst kürzlich hatte Gehe-Chef Dr. Peter Schreiner mit Blick auf den Klimaschutz im DAZ.online-Interview angedeutet, dass man die Zahl der Großhandelstouren in Deutschland hinterfragen müsse. Im Schnitt erhält eine Apotheke pro Tag drei Lieferungen. Auch in diesem Bereich sehen beide Konzerne nach Informationen von DAZ.online die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren.

Drittens geht es WBA und der Gehe um die in den vergangenen Jahren stark zugenommenen Regularien für den pharmazeutischen Großhandel. Konkret müssen die Grossisten sich schon seit einigen Jahren an die europäische GDP-Richtlinie halten, in diesem Jahr kam das Fälschungsschutzsystem Securpharm dazu, das allerdings auch Apotheker und Hersteller umsetzen müssen. Hinzu kommen dem Vernehmen nach Kostenpunkte wie Mindestlohnsteigerungen, die geplante CO2-Steuer sowie höhere Datenschutzregularien. Diese Punkte führen in den Konzernen zu höheren Ausgaben, die offenbar nicht durch steigende Einnahmen gedeckt werden können: Die Großhandelsbranche beschwert sich schon seit Jahren darüber, dass die Vergütung der Grossisten seit 2011 gleich geblieben ist. Kurzum: Die Profitabilität im Großhandelsgeschäft sinkt.

Viertens gibt es in Deutschland ein sehr dichtes Netz an Großhandelsverteilerzentren. Laut dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) bedienen allein seine Mitgliedsunternehmen, zu denen Alliance Healthcare und Gehe gehören, die Apotheken aus insgesamt 111 Zentren. Auch hier sehen beide Konzerne die Möglichkeit, Effizienzen zu schöpfen. Ob dies zu Schließungen einzelner Großhandelszentren führen könnte, war zunächst aber nicht herauszufinden. Zur Erinnerung: Insbesondere bei Alliance Healthcare hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Beschwerden der Mitarbeiter gegeben. Die Mitarbeiter waren teilweise in den Streik getreten, weil der Service offenbar ausgedünnt wurde.

Barra: Wir sichern den Erfolg beider Unternehmen

Ornella Barra, Co-Chief Operating Officer von WBA, sagte zu der Kooperation mit der Gehe: „Die Zusammenführung unserer Großhandelsaktivitäten ist die richtige Entscheidung, um den langfristigen Erfolg beider Unternehmen zu sichern. Von diesem strategischen Schritt werden alle Beteiligten langfristig profitieren. Wir wollen ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen gründen und damit zum Erfolg unserer Kunden und des deutschen Gesundheitswesens beitragen.“

Kevin Kettler, Vorstandsvorsitzender der McKesson Europe AG, erklärte: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit WBA. Mit dieser Partnerschaft tragen wir auch zu einer soliden Aufstellung der Arzneimittelverteilung in Deutschland bei. Dieser Zusammenschluss bietet uns die Gelegenheit, auf ein komplexes Marktumfeld zu reagieren und den operativen Erfolg des Unternehmens zu sichern.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Co-Chief Operating Officer Ornella B. sagt:......

von Marco Luckhardt am 12.12.2019 um 13:51 Uhr

..."Wir wollen .....zum Erfolg des DEUTSCHEN Gesundheitswesens beitragen.".......;.)LACH....ja nee,is klar!!!

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Kartell

von Armin Heller am 12.12.2019 um 13:08 Uhr

Also wenn die Kartellbehörden das durchwinken, dann können die auch gleich ihren eigenen Laden dicht machen nach Hause gehen. GEHE, ALLIANCE,PHOENIX, NOWEDA, SANACORP, das wars mehr ernstzunehmende Player gibt es doch in diesem Oligopol nicht. Bleibt zu hoffen, dass die Behörde wie seinerzeit 2001 hart bleibt, als Sanacorp die Anzag übernehmen wollte. Die Nummer hier ist ja nochmal um einiges brisanter.

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Weniger Touren - Umweltschutz ??

von ratatosk am 12.12.2019 um 11:30 Uhr

Die Abschaffung von Touren hat nichts mit Umweltschutz zu tun, sondern mit Gewinnmaximierung! Für Großkonzerne normal, die Politik und die Experte fordern so was ja immer wieder. Bisher ist dies an der Konkurrenzsituation oft gescheitert, jetzt bekommt man in sehr vielen Gegenden dafür freie Hand, zum Schaden der Patienten. Durch die Politik ist es aber wohl unvermeidlich geworden.
Wenn es so weitergeht mit dem Zusammenbruch der Versorgung mit ganzen Wirkstoffklassen, brauchen wir aber bald wie früher in der DDR eher einmal am Freitag einen Lieferwagen voll, dann schauen wir, was gerade mal gekommen ist.

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