NDMA in Diabetes-Mitteln

EMA und nationale Behörden beraten über Metformin-Kontamination

Berlin/Stuttgart - 04.12.2019, 12:45 Uhr

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA und die nationalen Arzneimittelbehörden beraten derzeit über den Umgang mit in Asien festgestellten Kontaminationen des Diabetes-Mittels Metformin mit dem Nitrosamin NDMA. (s / Foto: privat)

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA und die nationalen Arzneimittelbehörden beraten derzeit über den Umgang mit in Asien festgestellten Kontaminationen des Diabetes-Mittels Metformin mit dem Nitrosamin NDMA. (s / Foto: privat)


Nach den großen Problemen in der Valsartan-Versorgung droht den Arzneimittelmärkten Europas eine neue Arzneimittel-Kontamination. Nach Informationen von DAZ.online berät die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) mit den Behörden der EU-Staaten derzeit über eine in Asien festgestellte Verunreinigungen von metforminhaltigen Arzneimitteln mit dem Nitrosamin NDMA. Die EMA bestätigt den NDMA-Fund in einigen Proben, die NDMA-Konzentration sei aber sehr gering. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte rät den Patienten dazu, die Arzneimittel nicht eigenmächtig abzusetzen.

Als erste berichtete die polnische Tageszeitung „Gazeta Prawna“ am gestrigen Dienstag über die Angelegenheit. Demnach sei geplant, dass die EMA sich am heutigen Mittwoch per Telefonkonferenz mit Vertretern aller Arzneimittelbehörden in der EU über eine mögliche Kontamination des bei Diabetes eingesetzten Arzneimittels Metformin bespricht. Dabei soll es dem Bericht zufolge auch um mögliche Rückrufe gehen. Die Tageszeitung berichtet weiter, dass gleich in zwei Proben die Kontamination mit dem Nitrosamin NDMA festgestellt wurde: Eine dieser Proben stamme aus Asien, die andere aus Deutschland. In Polen soll es bereits einen Nationalen Krisenstab geben.

Das Nitrosamin N-Nitrosodimethylamin (NDMA) ist den Apothekern inzwischen bestens bekannt, weil erst im Sommer des vergangenen Jahres eine Kontamination des Blutdrucksenkers Valsartan mit NDMA festgestellt wurde. Es folgten Rückrufe auf der ganzen Welt. Anschließend wurden auch Kontaminationen mit anderen Nitrosaminen bekannt, auch in anderen Sartanen. Dass dies nun auch mit Metformin so weit kommt, ist aber noch lange nicht gesagt: Denn sowohl die EMA als auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärten gegenüber DAZ.online, dass Patienten ihre Metformin-Arzneimittel vorerst nicht eigenmächtig absetzen sollen.

EMA: Erste Rückrufe in Singapur

Die EMA bestätigte gegenüber DAZ.online, dass in einigen Metforminproben in Singapur NDMA festgestellt worden sei. Die von den polnischen Medien kolportierten Proben aus Deutschland bestätigte die Agentur allerdings nicht. Wörtlich erklärte eine Sprecherin: „Singapurs Gesundheitsbehörde (HSA) hat die Verunreinigung mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in einigen metforminhaltigen Diabetes-Arzneimitteln festgestellt. Resultierend daraus hat die HSA drei der insgesamt 46* getesteten Metformin-Produkte zurückgerufen. Der Rückruf betrifft nur einen kleinen Anteil der metforminhaltigen Arzneimittel in dem Land.“

Über die genaue Konzentration von NDMA in den betroffenen Metformin-Produkten gab die EMA keine Auskunft. Allerdings gab es von der Pressesprecherin eine vorsichtige Entwarnung: „Nach Informationen, die den EU-Behörden vorliegen, liegt die NDMA-Konzentration in den betroffenen Proben innerhalb des Bereiches, dem Menschen bereits durch Ernährung, durch die Umwelt sowie durch die körpereigene NDMA-Produktion ausgesetzt sind.“ Laut der EMA-Sprecherin sind die nationalen Behörden bereits dabei, die Hersteller zu bitten, ihre Metformin-Produkte zu testen und die Ergebnisse an die EMA zu melden. „Obwohl das Risiko, das von NDMA in diesem Fall ausgeht, sehr gering ist, sollten Verunreinigungen in Arzneimitteln vermieden werden.“ Wenn man doch erhöhte NDMA-Level in Präparaten feststelle, werde man die nötigen Maßnahmen einleiten. Wichtig ist der EMA, dass keine Panik in der Bevölkerung entsteht. Die Sprecherin weist daher darauf hin, dass Patienten ihre Metformin-Produkte weiter einnehmen sollen.

Metformin: Wenig Ausweichmöglichkeiten

Auch ein BfArM-Sprecher wollte sich nicht zu möglichen Rückrufen in Europa äußern. Und er verwies ebenfalls darauf, dass Patienten ihre Medikation in keinem Fall absetzen sollten. Der Behördensprecher wörtlich: „Das BfArM befindet sich hinsichtlich Metformin in enger Abstimmung mit der EMA und den in Deutschland für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden. Mit Blick auf diese noch laufende Abstimmung können derzeit noch keine abschließenden Aussagen zu möglichen weiteren Maßnahmen getroffen werden. Patienten sollten Metformin jedoch nicht absetzen.“

Sollte es doch zu einer größeren Rückruf-Aktion auch in Europa kommen, könnte es für die Apotheker in diesem Fall schwerer werden, alternative Präparate an ihre Patienten abzugeben als in der Valsartan-Krise.

Metformin ist laut der sich derzeit in Überarbeitung befindenden Nationalen Versorgungsleitlinie bei Menschen mit Typ 2 Diabetes mellitus die Pharmakotherapie der ersten Wahl. Als erste Stufe gilt für Typ-2-Diabetiker die Basistherapie – unter anderem mit Ernährungstherapie, erhöhter körperlicher Aktivität, Schulungen und Rauchentwöhnung. Erreichen die Patienten hiermit nicht ihre Zielwerte – HbA1c zwischen 6,5 Prozent und 7,5 Prozent innerhalb von drei bis sechs Monaten – wird eskaliert. Laut der Leitlinie zunächst mit einer Pharmakomonotherapie, diese ist, wenn keine Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten bestehen, Metformin. Dies ist jedoch nicht der einzige Platz von Metformin in der Diabetesbehandlung, es ist auch ein häufiger Kombinationspartner, wenn zusätzliche Antidiabetika (orale Antidiabetika oder Insulin) erforderlich sind. Zudem wird Metformin beim Polyzystischen Ovarsyndrom off-Label eingesetzt.

Laut Arzneiverordnungs-Report ist die Verordnung von Metformin in Deutschland seit über 20 Jahren kontinuierlich gestiegen, stagniert aber seit 2011 auf einem Niveau von etwa 600 Millionen DDD (Defined Daily Dose). 2018 gab es wieder eine geringfügige Zunahme auf 606,1 Millionen DDD. Mit 9,2 Millionen Verordnungen stand die Arzneimittelgruppe im Ranking der verordnungsstärksten Wirkstoffe auf Platz 11 (AVR 2019). 

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*Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass in Singapur 3 von 463 Proben NDMA-belastet waren. Die EMA hat sich hier korrigiert: Demnach wurden nicht 463 Arzneimittel untersucht, sondern nur 46.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Geht es noch?

von Bernd Jas am 04.12.2019 um 17:12 Uhr

Wir sind gerade auf (bei uns) 111 rekordverdächtige LAGERdefekte gekommen. Das bedeutet es fehlen uns 213 Packungen dieser Defekte. Dazu kommen noch die täglichen Nicht-Lagerdefekte (ca. 30 - 40), die wir jedoch mit viel Aufwand alternativ versorgen können.

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