Digitale-Versorgung-Gesetz im Bundesrat

Länder lassen TI-Anbindungsfrist für Apotheken passieren

Berlin - 29.11.2019, 17:45 Uhr

Der Bundesrat fürchtet, dass Krankenversicherungen zum Beispiel über Fitness-Tracker ihrer Versicherten gute Risiken selektieren könnten. (b / Foto: imago images / westend61)

Der Bundesrat fürchtet, dass Krankenversicherungen zum Beispiel über Fitness-Tracker ihrer Versicherten gute Risiken selektieren könnten. (b / Foto: imago images / westend61)


Der Bundesrat hat am heutigen Freitag das Digitale-Versorgung-Gesetz gebilligt. Damit hat er den Weg frei gemacht für Gesundheitapps auf Rezept, zudem ist Apotheken jetzt eine Frist zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur gesetzt. Davon unabhängig haben die Länder eine Entschließung gefasst, die Gesundheitsdaten von Versicherten besser zu schützen. Und auch zum Faire-Kassenwettbewerb hat der Bundesrat Stellung bezogen.

Die Neuregelungen des Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sollen vor allem den Zugang zu digitalen Innovationen in der Regelversorgung und die Telematik-Infrastruktur verbessern. Das Gesetz verpflichtet deshalb Apotheken und Krankenhäuser, sich an die Telematikinfrastruktur anzuschließen: Erstere müssen Ende September 2020 angebunden sein, letztere bis 1. Januar 2021. Dies ist Voraussetzung, damit digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte und das E-Rezept verwirklicht werden können. Hebammen und Physiotherapeuten sowie Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können sich freiwillig anschließen.

Ärzte, die sich nicht anschließen, trifft laut DVG ab dem 1. März 2020 ein erhöhter Honorarabzug: Statt bisher einem Prozent sollen es künftig 2,5 Prozent des Honorars sein. Die Ärzte unterliegen bereits seit dem 1. Januar 2019 der Anschlusspflicht – und nicht wenige Nachzügler bekamen die Abzüge bereits zu spüren. Für Apotheker, für die nun erstmals eine Anschlussfrist bestimmt ist, sind solche Sanktionen nicht vorgesehen.

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Gesundheitsapps auf Rezept und E-Rezepte für Heil- und Hilfsmittel

Weitere Änderungen betreffen Telekonsile: Sie werden besser vergütet und sollen sektorübergreifend funktionieren. Über Telekonsil können niedergelassene Hausärzte einen Spezialisten konsultieren, ohne dass der Patient selbst beim Facharzt vorstellig werden muss. Ermöglicht wird dies durch eine Software, die beiden Ärzten Zugriff auf dieselben Dokumente verschafft. Erleichterungen gibt es für Ärzte auch bei der Videosprechstunde: Über entsprechende Angebote dürfen sie künftig auf ihrer Internetseite informieren.

Zudem wird mit dem DVG das E-Rezept für Heil- und Hilfsmittel sowie für die häusliche Krankenpflege eingeführt.

Und: Gesetzlich Versicherte bekommen einen Leistungsanspruch auf Gesundheits-Apps. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird die Aufgabe übertragen, ein amtliches Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen zu führen und auf Antrag der Hersteller über die Aufnahme zu entscheiden. Dann können die Apps ein Jahr lang vorläufig von den Krankenkassen erstattet werden. In dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass die App tatsächlich die Versorgung der Patienten verbessert. Weiterhin wird der Innovationsfonds um fünf Jahre verlängert und mit weiteren 200 Millionen Euro jährlich ausgestattet.

Der Bundesrat hat zu dem Gesetz auch eine Entschließung gefasst. Darin bittet er die Bundesregierung, die Länder am Verfahren des Innovationsausschusses des Gemeinsamen Bundesausschusses zu beteiligen. So könnten die regionalen  Versorgungsstrukturen  über Innovationsanträge besser berücksichtigt werden.

Das Gesetz wird über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Es soll am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Achtung Fitness-Tracker – Sensible Daten nicht kommerzialisieren

Mit einer vom DVG unabhängigen Entschließung will der Bundesrat überdies Gesundheitsdaten besser schützen. Er fordert die Bundesregierung auf, die automatisierte Erhebung der Daten zur Tarifgestaltung in der Krankenversicherung für unzulässig zu erklären – und zwar unabhängig von einer möglichen Einwilligung der Versicherten.

In der Begründung des Antrags heißt es, dass in jüngster Zeit im Bereich  der  Risikolebens-, Unfall-  und Erwerbsunfähigkeitsversicherung sowie der privaten Rentenversicherung Versicherungstarife angeboten würden, bei denen der Tarif  unter anderem durch automatisierte Datenübertragung – beispielsweise durch Fitness-Tracker beeinflusst werden kann. Im Bereich der Krankenversicherung berge dies die Gefahr, dass sich Self-Tracking-Tarife für Versicherungsnehmer mit „guten“ Risiken etablieren, erläutert der Bundesrat. Andere erhielten hingegen weniger günstigere Tarife. Dies widerspreche dem Grundprinzip von Krankenversicherungen, wonach sie Lebensrisiken durch einen Ausgleich im Versichertenkollektiv langfristig übernehmen.

Außerdem fürchten die Länder, dass die sensiblen Daten kommerzialisiert werden. Die Bundesregierung solle deshalb dafür sorgen, dass Big-Data-Anwendungen im Gesundheitswesen mit den notwendigen rechtlichen und technischen Maßnahmen flankiert werden und so den individuellen Schutz der Versicherten gewährleisten.

Es bleibt der Bundesregierung überlassen, zu entscheiden, ob sie das Anliegen des Bundesrates aufgreift und eine Gesetzesänderung auf den Weg bringt.

Erste Beratung des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes

Nicht zuletzt stand heute auch der erste Durchgang für das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) im Bundesrat an. Hierzu haben die Länder recht umfangreich Stellung bezogen. Mit dem Gesetz soll unter anderem der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich reformiert werden. Mit den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums beziehungsweise der Regierungsfraktionen, das Gesetz auch für Maßnahmen gegen Arzneimittel-Lieferengpässe zu nutzen, mussten sie sich allerdings noch nicht befassen. 

In seiner Stellungnahme empfiehlt der Bundesrat unter anderem, die vorgesehene Übergangsfrist für die Erstattungsfähigkeit von Verbandmitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung von zwölf Monaten auf 24 Monate zu verlängern. Zudem sollte überprüft werden, ob die mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung getroffenen Neuregelungen zu Orphan Drugs zu einer Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten führen.

Das GKV-FKG wird im Dezember erstmals im Bundestag beraten. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Und dann?

von Karl Friedrich Müller am 30.11.2019 um 7:23 Uhr

Wenn ich die Frist verstreichen lasse?
Was passiert dann?
Die Digitalisierung macht mir Sorgen, vor allem der fahrlässige Umgang damit.
Bestellen mit Alexa und Co und was weiß ich noch. Aber WhatsApp als Bestellform für unsicher halten wegen der Daten.
Das ist ein Witz!
Die Gesundheitsdaten sind schneller gehackt, als man Spahn sagen kann.
Vollkommen verrückt alles, schizophren

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