Sonder-PZN-Analyse

Pro Generika: Großteil der Lieferausfälle tritt bei Exklusivverträgen auf

Berlin - 26.11.2019, 15:15 Uhr

Einer Studie des Branchenverbandes Pro Generika zufolge ist die Wahrscheinlichkeit der Nichtverfügbarkeit bei Arzneimittel im Ein-Partner-Modell weitaus höher. (b/Foto: imago images / Becker)

Einer Studie des Branchenverbandes Pro Generika zufolge ist die Wahrscheinlichkeit der Nichtverfügbarkeit bei Arzneimittel im Ein-Partner-Modell weitaus höher. (b/Foto: imago images / Becker)


In der Debatte um die Arzneimittel-Lieferengpässe gibt es viele Schuldzuweisungen: Die Apotheker und die Pharmaindustrie meinen, dass durch die exklusiven Rabattverträge ein Austausch bei einem Engpass nur schwer oder gar nicht möglich ist. Die Kassen hingegen verteidigen das Rabattvertragssystem. Nun mischt sich der Branchenverband Pro Generika mit einer Studie des IGES-Institutes ein: Demnach haben Apotheker im Jahr 2017 die Sonder-PZN für Nichtverfügbarkeit in 60 Prozent der Fälle bei Arzneimitteln gesetzt, die einem exklusiven Rabattvertrag unterlagen.

Um eine mögliche Verbindung zwischen der Vertragsform und der Lieferbarkeit von Arzneimitteln zu untersuchen, hat das IGES-Institut im Auftrag von Pro Generika alle Meldungen zu Nichtverfügbarkeiten aus dem Jahr 2017 unter die Lupe genommen. Konkret wurden dazu die Sonder-PZN der bei den Rechenzentren vorliegenden Abrechnungen analysiert, bei denen die Apotheker eine Nichtverfügbarkeit angekreuzt haben. Berücksichtigt wurden allerdings nur Fälle, in denen der Apotheker dann auf ein anderes, nicht-rabattiertes Arzneimittel umsteigen konnte. Komplette Versorgungsengpässe, also Fälle bei denen der Patient nicht beliefert werden konnte, sind nicht Teil der Analyse.

Laut Pro Generika wurden 2017 insgesamt vier Millionen Arzneimittel-Rezepte mit der Sonder-PZN für Nicht-Lieferbarkeit bedruckt. 60 Prozent dieser Arzneimittel stammten demnach aus einem Ein-Partner-Modell. Bei 27 Prozent der nicht lieferbaren Arzneimittel war ein Rabattvertrag mit zwei oder drei Partnern im Hintergrund. Bei weiteren 9 Prozent gab es sogar mehr als drei Vertragspartner.

Sulfasalazin: 10 Prozent der Rezepte nicht mit Rabattarznei belieferbar

Das IGES-Institut hat sich dann auch die Lieferbarkeit bei einzelnen Wirkstoffen angeschaut. Bei Sulfasalazin, das zur Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen angewendet wird, sind die Werte besonders deutlich: Jede zehnte Verordnung konnte nicht mit dem Rabattarzneimittel beliefert werden in der Apotheke. In 90 Prozent aller Fälle ging dies auf einen Exklusiv-Vertrag zurück. Die IGES-Studie zeigt ferner: Rund 17 Prozent aller Sulfasalazin-Verordnungen, bei denen ein exklusiver Vertrag vorhanden war, konnten nicht mit dem Rabattarzneimittel beliefert werden. Gab es zwei oder mehr Vertragspartner, mussten die Apotheker nur in rund 4 Prozent aller Fälle die Sonder-PZN ankreuzen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich laut IGES-Institut auch bei dem Antibiotikum Linezolid. Bei etwa 7,5 Prozent aller Verordnungen konnte das verordnete Rabattarzneimittel nicht abgegeben werden. Auch hier liegen hinter etwa 91 Prozent der Fälle Exklusivverträge. Beim Antidepressivum Doxepin lag die Quote bei 82 Prozent. In einem weiteren Teil der Studie erinnern Pro Generika und IGES daran, wie groß der Anteil der Exklusivverträge bei den einzelnen Kassenarten ist. Demnach sind insbesondere im AOK-System und im BKK-Lager die Exklusivverträge beliebt. Bei der AOK gingen 2017 beispielsweise knapp 120 Millionen Verordnungen auf das Konto eines exklusiven Rabattvertrags. Bei den Ersatzkassen hingegen lagen hinter dem Großteil aller Verordnungen Verträge mit zwei oder drei Partnern.

AOK: Exklusivverträge machen die Versorgung sicherer

Die Krankenkassen sehen das natürlich anders. Erst kürzlich hatte das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) eine Analyse von Verordnungszahlen herausgegeben, die laut AOK zeigt, dass die Exklusivverträge die Versorgung sogar stabilisieren. Die Exklusivität sei hilfreich, da Pharmafirmen so ihre Absatzmengen besser kalkulieren könnten, als wenn sie bei Mehrpartnerverträgen mit mehreren Anbietern konkurrieren müssten, so das WIdO.

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Laut WIdO haben im vergangenen Jahr mehr als 79 Prozent der Patienten, die einen rabattierten Wirkstoff über einen längeren Zeitraum einnehmen müssen, ihr Medikament dauerhaft von demselben Hersteller erhalten. Das WIdO hat daher die „Profile“ von zwei Millionen Patienten untersucht, die den Wirkstoff Ramipril einnehmen. Ramipril wird, gemessen an den Tagesdosen, GKV-weit am meisten verordnet. Danach erhielten 2006 noch über 35 Prozent der Patienten den Wirkstoff innerhalb des Jahres von mehreren Herstellern. 2018 waren es nur noch 14 Prozent, die auf ein anderes Arzneimittel umstellen mussten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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