Antibiotika

Resistenzen: Neuer Test soll in 45 Minuten Klarheit verschaffen

Remagen - 14.11.2019, 12:50 Uhr

Resistent gegen Antibiotika? Ein neuer Test soll rasch Antwort geben. (Foto: Tijana / Stock.adobe.com)

Resistent gegen Antibiotika? Ein neuer Test soll rasch Antwort geben. (Foto: Tijana / Stock.adobe.com)


Forscher von der Universität Strathclyde im schottischen Glasgow haben einen Labortest entwickelt, der in nur 45 Minuten anzeigt, ob ein Bakterium auf ein Antibiotikum anspricht oder nicht. Er könnte sowohl im Krankenhaus als auch in der ambulanten Versorgung bei Ärzten und in Apotheken zum Einsatz kommen. Die Herstellung könnte sogar relativ preiswert sein, meinen die Entwickler.

Antimikrobielle Resistenz (AMR) könnte sich in Zukunft zu einem Problem ungeahnten Auswachses entwickeln. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen und globaler Gesundheitsbehörden, der im Frühjahr 2019 veröffentlicht wurde, könnte sie bis 2050 weltweit zehn Millionen Todesfälle zur Folge haben. Darüber hinaus befürchten die Vereinten Nationen katastrophale Schäden für die Wirtschaft, und zwar in einem Ausmaß wie die globale Finanzkrise 2008/2009.

Allerorten arbeitet die Wissenschaft fieberhaft an Ansätzen, mit denen der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika eingedämmt werden kann, denn dieser gilt als wesentlicher Faktor für die rasant fortschreitende Resistenzentwicklung. Unter anderem wird an besseren diagnostischen Tests und neuen Technologien geforscht, mit denen sich die Wirksamkeit von Antibiotika rasch beurteilen lässt, bevor sie als möglicherweise „unwirksame Schrotschusstherapie“ verschrieben werden.   

Wie die neue Technik funktioniert

Ein Team von der University of Strathclyde in Glasgow hat einen diagnostischen Schnelltest, entwickelt, mit dem die Empfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika innerhalb von 45 Minuten nachgewiesen werden soll. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben die Forscher in der Fachzeitschrift Biosensors and Bioelectronics veröffentlicht.

Die Wissenschaftler verwendeten eine kostengünstige, handelsübliche Siebdruckelektrode, und modifizierten diese mit einer Agarose-basierten Hydrogel-Auflage. Das Bakterienwachstum in diesem Medium wurde mit Hilfe der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS) und der differentiellen Pulsvoltametrie (DPV) überwacht, einem neuen Ansatz zur Messung des Ansprechens auf ein Antibiotikum.

Gängige Krankenhauskeime untersucht

Die Wissenschaftler untersuchten den Unterschied in den Wachstumsprofilen von häufigen bakteriellen Krankenhausinfektionen mit Staphylococcus aureus und dem Methicillin-resistenten S. aureus Stamm (MRSA). Während die meisten S. aureus-Stämme empfindlich auf Antibiotika reagieren, ist MRSA gegen mehrere weit verbreitete Antibiotika resistent und deswegen schwer zu behandeln. Die Ergebnisse zeigten, dass der empfindliche S. aureus-Stamm auf Elektroden mit einem Gel ohne Antibiotikum wachsen konnte, jedoch nicht, wenn der Sensor mit einem Antibiotikum bestückt war. Dagegen konnte der MRSA-Stamm auf den Elektroden, die klinisch relevante Konzentrationen an Antibiotika enthielten, aufgrund seiner Antibiotikaresistenz immer noch wachsen.

Patienten erhalten schneller die richtige Behandlung

„Real konnten wir in weniger als 45 Minuten zwischen den beiden Sorten unterscheiden“, sagt der Hauptautor der Publikation Stuart Hannah. „Das ist eine signifikante Verbesserung gegenüber dem aktuellen Labor-Goldstandard, der bis zu zwei Tage braucht. Schnelle Ergebniserkennung bedeutet, dass bakterielle und virale Infektionen sofort erkannt werden können. Die Patienten bekommen schneller die richtige Behandlung, was für bestimmte Infektionen sehr wichtig ist.“

Der beratende Anästhesist des Projekts David Alcorn vom Royal Alexandra Hospital in Paisley ergänzt: „Alleine die Möglichkeit, eine Infektion schnell zu diagnostizieren, ist schon großartig. Eine Antibiotikaresistenz innerhalb eines so kurzen Zeitraums zu erkennen, könnte sich als ein wunderbares Werkzeug erweisen.“

Nicht tagelang auf einen Laborbefund warten

Schnelle Hilfe verspricht sich der Anästhesist vor allem für Ärzte auf Intensivstationen, in Operationssälen und in Notaufnahmen, die damit wichtige diagnostische Informationen erhalten, um zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament verabreichen zu können. Patienten auf Intensivstationen müssten nicht zuerst ein Breitbandantibiotikum bekommen und zwölf bis 72 Stunden auf ein Ergebnis aus dem Krankenhauslabor warten, erklärt Alcorn weiter. Der Test eröffne die Möglichkeit, schnell von einem Breitbandwirkstoff auf das richtige Medikament umzusteigen.

Auch in der Apotheke einsatzfähig

Die Forscher erwarten von ihrer Entwicklung aber auch einen enormen Einfluss auf die allgemeine Praxis und die alltägliche Gesundheitsversorgung. Wenn der Test für den kommerziellen Gebrauch entwickelt wird, könnte er von Apothekern, praktischen Ärzten und anderen Versorgungseinrichtungen eingesetzt werden, so die Hoffnung.

Technologie kostet nicht viel

Im nächsten Schritt soll die Technologie nun von einem maßgeschneiderten Laboransatz zu einem generischen Prototyp weiterentwickelt werden, der in klinischen Umgebungen mit realen Patientenproben getestet werden kann. Da sie einen kostengünstigen, im Handel erhältlichen Sensor verwendet, der für jede Art von klinischer Probe verwendet werden kann, und auch alles andere leicht in Serie produzierbar ist, sollte es auch billig sein, einen funktionierenden Test herzustellen, meint Hannah.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.