CHMP empfiehlt Romosozumab

Neuer Osteoporose-Antikörper – jetzt doch!

Stuttgart - 14.11.2019, 07:00 Uhr

Nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur bei Romosozumab lange gezögert hatte, hat sie sich im dritten Anlauf nun doch für eine Zulassung des Sclerostin-Antikörpers in Evenity® ausgesprochen. (s / Foto: Kateryna_Kon / stock.adobe.com) 

Nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur bei Romosozumab lange gezögert hatte, hat sie sich im dritten Anlauf nun doch für eine Zulassung des Sclerostin-Antikörpers in Evenity® ausgesprochen. (s / Foto: Kateryna_Kon / stock.adobe.com) 


Erst beim dritten Anlauf hat es geklappt: Der CHMP empfiehlt nun doch, Romosozumab zuzulassen – einen Sclerostin-Antikörper für die Behandlung der schweren Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. An der Wirksamkeit lag es bislang nicht, denn von einer geringeren Frakturrate unter Evenity® war die EMA überzeugt. Zweifel hatte sie bei der kardiovaskulären Sicherheit von Romosozumab – diese konnte der Hersteller UCB Pharma nun wohl ausräumen.

Zur Zulassung empfehlen oder doch lieber nicht? Nachdem die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) bei Romosozumab lange gezögert hatte, hat sie sich im dritten Anlauf nun doch für eine Zulassung des Sclerostin-Antikörpers in Evenity® ausgesprochen. In seiner letzten Sitzung im Oktober 2019 empfahl der bei der EMA ansässige Humanarzneimittelausschuss CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) den Sclerostin-Antikörper auch in der EU zuzulassen. Zweimal zuvor war Romosozumab am CHMP gescheitert, sowohl im Juni als auch im Juli dieses Jahres gab es ein negatives Votum für Evenity®.

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Der CHMP hatte Sorge wegen des kardiovaskulären Risikos von Romosozumab. Zwar war die EMA von der positiven Wirkung von Evenity® hinsichtlich des  Frakturrisikos bei postmenopausalen Frauen mit schwerer Osteoporose überzeugt, jedoch überwog nach Ansicht des CHMP im Juni und im Juli dieser Nutzen die kardiovaskulären Risiken nicht. Ergebnisse der Romosozumab-Studien hatten auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle, unter dem Sclerostin-Antikörper hingedeutet. Zudem gab es bei über 75 Jahre alten Patienten mehr Todesfälle unter Romosozumab als in den Vergleichskollektiven. Nach Aussagen des CHMP im Juni und Juli war zu diesen Zeitpunkten unklar, warum Evenity® das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Da es auch keine Patientengruppe gab, die ein geringeres kardiovaskuläres Risiko zeigte, konnten Maßnahmen zur Risikominimierung nicht ohne weiteres ergriffen werden.

Romosozumab: eingeschränkte Indikation

Diese Zweifel konnte der Hersteller nun offensichtlich ausräumen. Die CHMP-Empfehlung zu Romosozumab steht seit Oktober nun auch für die EU. In einer Erklärung erläutert der CHMP, man habe im Rahmen der erneuten Überprüfung weitere Daten analysiert, Patientenvertreter und Experten zu Osteoporose und Herz-Kreislauferkrankungen hinzugezogen. Der CHMP kam letztlich zu dem Schluss, dass eine Einschränkung der Romosozumabtherapie auf Frauen ohne Herzinfarkte und Schlaganfälle in der Anamnese das Risiko kardiovaskulärer Nebenwirkungen verringert und bei einer solchen Einschränkung die Vorteile von Evenity® die möglichen Risiken überwiegen.

Was noch fehlt, ist die finale Entscheidung der Europäischen Kommission. Erteilt diese die Zulassung, darf Romosozumab zur Behandlung schwerer Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko und ohne Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte eingesetzt werden.

US-Zulassung auch mit Hindernissen

Auch in den USA lief die Zulassung von Romosozumab nicht reibungslos. Eingereicht zur Zulassung hatten Amgen und UCB – Romosozumab stammt aus der gemeinsamen Forschungspipeline von Amgen und UCB – bereits im September 2016, im Juli 2017 forderte die FDA jedoch weitere Daten, nachdem klinische Prüfungen von Romosozumab Herz-Kreislaufprobleme unter dem Antikörper zutage gefördert hatten. Letztendlich gab die FDA erst im April 2019 ihr Einverständnis zur Zulassung von Romosozumab. 

Denn die Zulassungsunterlagen umfassten zunächst nur eine der drei Phase-III-Studien, FRAME (Fracture Study in Postmenopausal Women with Osteoporosis). Diese zeigte an 7.180 postmenopausalen Frauen mit Osteoporose, dass Romosozumab im Vergleich zu Placebo das relative Risiko einer neuen Wirbelfraktur um 73 Prozent senkte. Die Patientinnen erhielten Romosozumab (210 mg monatlich, subkutan) oder Placebo für zwölf Monate – gefolgt von Denosumab für weitere zwölf Monate. Jedoch machten Wirbelsäulenfrakturen nur einen geringen Anteil aller Frakturen aus. 85 Prozent der Knochenbrüche betrafen nicht die Wirbelsäule, und hier war der Unterschied mit nur 24 Prozent zugunsten von Romosozumab kleiner und nicht statistisch signifikant.

Höheres kardiovaskuläres Risiko unter Romosozumab

Die FDA forderte sodann 2017 zusätzlich zu FRAME auch die Daten von zwei weiteren Studien ARCH (Active-Controlled Fracture Study in Postmenopausal Women with Osteoporosis at High Risk) und BRIDGE. ARCH war als direkte Vergleichsstudie von Romosozumab gegen das Bisphosphonat Alendronsäure konzipiert und umfasste 4.093 postmenopausale Frauen mit hohem Frakturrisiko. Head to head mit Alendronat überzeugte Romosozumab in ARCH auf den ersten Blick durchaus und schien die positiven Ergebnisse von FRAME zu bestätigen. Der Antikörper zeigte sich bei Wirbelkörper- und Hüftfrakturen dem Bisphosphonat überlegen. Die Patientinnen erhielten in dieser Phase-III-Studie entweder Romosozumab oder Alendronsäure in den ersten zwölf Monaten ihrer Osteoporosetherapie, gefolgt von einem weiteren Jahr, in dem alle Patientinnen Alendronsäure einnahmen. Romosozumab reduzierte das relative Risiko für vertebrale Frakturen um 48 Prozent (6,2 Prozent unter Romosozumab versus 11,9 Prozent unter Alendronsäure).

USA schließt kardiovaskulär vorerkankte Frauen nicht aus

Allerdings förderte ARCH nicht nur weniger Frakturen an Hüfte und Rücken zutage, sondern auch Hinweise auf ein kardiotoxisches Potenzial von Romosozumab: Patientinnen mit Romosozumab erlitten häufiger ernsthafte kardiovaskuläre schwerwiegende Nebenwirkungen. In der 12-monatigen Behandlungsphase litten 50 Patienten (2,5 Prozent), die mit Evenity® behandelt wurden, an kardialen ischämsichen Ereignissen und zerebrovaskulären Ereignissen im Vergleich zu 38 Patienten (1,9 Prozent) unter einer reinen Alendronat-Behandlung. Letztlich wurde die FDA jedoch auch überzeugt.

Romosozumab

Romosozumab verfolgt einen völlig neuen Therapieansatz bei Osteoporose. Der Antikörper richtet sich gegen Sclerostin, ein Protein das ausschließlich von Osteozyten gebildet und ein negativer Regulator der Knochenbildung ist: Es blockiert die knochenbildende (osteoanabole) Funktion der Osteoblasten. Bei Osteoporose überwiegt bekanntermaßen der Knochenabbau den Aufbau. Durch Blockade von Sclerostin mit Romosozumab soll der Knochenaufbau gefördert werden.

In den Vereinigten Staaten lautet die Indikation für Romosozumab anders als in der EU: Patientinnen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall werden nicht ausgeschlossen wie es die Zulassung in der EU nun vorsieht. Es gibt jedoch einen Hinweis unter „important information“: „Sie können Evenity möglicherweise nicht verwenden, wenn Sie in den letzten 12 Monaten einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten.“ Allerdings schränkt die FDA die Anwendung von Romosozumab für postmenopausale Frauen mit Osteoporose und einem hohen Frakturrisiko anderweitig ein: Romosozumab ist keine Firstline-Therapie. Der Antikörper sollte nur zum Einsatz kommen, wenn andere Osteoporosepräparate kontraindiziert sind, nicht vertragen werden oder kein ausreichendes Ansprechen zeigten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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