Tatort Münster

Zyankali: Gibt es die Tatort-„Mordwaffe“ in der Apotheke?

Stuttgart - 04.11.2019, 16:45 Uhr

Dürfen Apotheken Kaliumcyanid überhaupt beziehen und abgeben? (c / Bild: Willi Weber / WDR)

Dürfen Apotheken Kaliumcyanid überhaupt beziehen und abgeben? (c / Bild: Willi Weber / WDR)


Im gestrigen Tatort (ARD) ging es um den Mord des Marktleiters Hannes Wagner. Der 65-Jährige wurde vergiftet, wie Tatort-Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) kurz darauf feststellte. Mit Kaliumcyanid alias Zyankali. Im Verlauf des Krimis gerät auch ein ehemaliger Apothekenmitarbeiter ins Visier der Ermittler. Doch dürfen Apotheken Kaliumcyanid überhaupt beziehen und abgeben?

Kaliumcyanid (KCN), „der Laie sagt Zyankali“, wie auch Tatort-Rechtsmediziner „Boerne“ anmerkte, ist das Kaliumsalz der Blausäure und ein starkes, rasch wirksames Gift. Zyankali ist sehr giftig beim Einatmen, Verschlucken und bei Berührung mit der Haut. Die tödliche Dosis (LD) liegt bei circa 2 bis 3 mg pro kg Körpergewicht (je nach Empfindlichkeit, Magenfüllung und Azidität).

Durch die Aufnahme von Nahrungsmitteln, die Cyanide enthalten (beispielsweise Bittermandeln oder im aktuellen Tatort mit Kaliumcyanid versetztes Lakritz), kann das in der Regel glykosidisch gebundene Cyanid enteral resorbiert werden und auf diesem Wege in die Blutbahn gelangen. Innerhalb der Zellen entfaltet die Blausäure ihre Wirkung über die Bindung am zentralen Eisen(III)-Ion des Häm-a3-Kofaktors der Cytochrom-c-Oxidase in der Atmungskette der Mitochondrien. Die höhere Bindungsaffinität der Blausäure im Vergleich zum Sauerstoff verhindert eine weitere Sauerstoffbindung. Daraus resultiert eine Deaktivierung der Cytochrom-c-Oxidase und führt zur Blockade der Atmungskette. Der Tod durch „inneres Ersticken" tritt innerhalb weniger Minuten ein. Daneben komplexiert Blausäure auch das Eisen in Hämo- und Myoglobin.

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Bei einer Cyanidvergiftung wird der Methämoglobinbildner 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) als Antidot eingesetzt. Er oxidiert Eisen-II im Hämoglobin, wodurch Methämoglobin mit Eisen-III entsteht. Dieses dreiwertige Eisen bindet das Cyanidion. Bei der Behandlung wird etwa ein Drittel des Hämoglobins umgewandelt. Dies genügt, um den größten Teil des Cyanids zu binden.

Die Hälfte aller Menschen kann Bittermandelgeruch nicht riechen

Zurück zum „Tatort“. „Wenn etwas mit Kaliumcyanid versetzt wurde, dann riecht es nach Bittermandel“, klärt Boerne seinen Kollegen, Hauptkommissar Thiel, über die Leiche gebeugt auf. Im Mülleimer der Küche werden sie nach einer Weile dann fündig: In einer Lakritzdose riecht es nach Kaliumcyanid. „Erbärmlich“, findet Kollegin Nadeshda Krusenstern, die ebenfalls am Tatort ist, den Geruch. Thiel hingegen riecht absolut gar nichts. Das sei genetisch bedingt, merkt Boerne an. Thiel sei nicht in der Lage, Bittermandel wahrzunehmen. Aber keine Sorge: „Das teilen Sie mit der Hälfte der Menschheit.“

Der sogenannte Bittermandelgeruch der Blausäure wird von 20 bis 60 Prozent aller Menschen nicht und von allen anderen Betroffenen nur bei niedrigen Anfangskonzentrationen etwa ab 2 bis 5 ppm wahrgenommen (Lähmung der Geruchsnerven).



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Chemikalien

von Andreas Groos am 04.11.2019 um 20:09 Uhr

Ich in meinen jungen Jahren von über 55 muss bestätigen,dass die Abgaberegelungen immer im Wandel sind.
Zur Zeit meines Studiums galten noch die Gifteordnungen der Bundesländer; ab den 90er Jahren wurden dann grundlegende Veränderungen wirksam: das ChemG von 1980, die Gefahrstoffverordnung von 1986 und der Aufsplittung in die GefStoffV von 1993 (ab 1.11.1993) und die ChemVerbotsV von 1993 (ab 1.11.1003) - Auch hier hatte die EWG bereits ihren bedeutenden Einfluss gezeigt - sonst wäre die Kennzeichnung immer noch Schwarz/Weiß oder Rot/Weiß ...
Neue EU/EG-Verordnungen kamen hinzu, an deren Inhalten keiner mehr vorbeikommt.
Die fehlerhafte Abgabe hat seit Jahrhunderten zu Todesfällen geführt, so dass sich keiner beschweren darf, dass bestehende Regeln immer wieder angepasst werden.
...
Egal, was im Internet passiert, die Apotheken sind noch kein Internet und haben auch. wenn es ein Privileg seit 1894 ist, eine hohe Verantwortung, die nicht ignoriert werden darf.
Andreas

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Chemikalien

von Roland Mückschel am 05.11.2019 um 12:26 Uhr

Nun ja Herr Groos, sie können das ja alles unbenommen
machen.
Ich verspüre hingegen kein Privileg noch die hohe Verantwortung.
Ich fühl mich nur als Fussabtreter der Gesellschaft.
ich bin ein paar Jahre älter als sie, hatten Sie nie
ein äusserst ungutes Gefühl bei Abgabe einer
Brezellauge? Ging ihnen nicht die Bilder von
laugetrinkenden Kindern durch den Kopf, trotz
Ermahnungen an die Mutter bzgl Sorgfalt?
Hat bei Ihnen schon mal ein Arztsohn die Zutaten für
Nitriersäure und Glycerin geholt?

Chemikalien

von Roland Mückschel am 04.11.2019 um 17:23 Uhr

Gar nichts mehr abgeben, wir sind doch keine
Chemikalienhandlung.
Das Geschreibsel dazu verstehe ich zwar, brauche
ich mir aber nicht antun.
Also nichts.
Not my problem.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Chemikalien

von Dr. Andreas Groos am 04.11.2019 um 18:18 Uhr

Möglichst alle Kompetenzen/Privilegien abgeben, die eine Apotheke hat.
Das ist die neue Zukunft?
Andreas Groos
PTA-Fachschule Siegen

AW: Chemikalien

von Hummelmann am 04.11.2019 um 19:22 Uhr

Das hat rein gar nichts mit dem freiwilligen Abgeben von Kompetenzen/Privilegien zu tun.
Wir haben für die Abgabe von Gefahrstoffen seit mehr als 15 Jahren eine gebührenpflichtige Software im Einsatz, die uns bei der korrekten Beschriftung und Dokumentation unterstützt.
Dann kommt der Gesetzgeber. Erst dürfen wir Isopropylalkohol 70% zur Desinfektion der eigenen Rezepturflächen nicht mehr selbst herstellen. Man hält uns offensichtlich nicht mehr für fähig ein Alkohol-Wasser-Gemisch herzustellen. Dann nimmt man uns die Berechtigung steuerfreien Ethanol einzukaufen, weil wir die jährliche Mindestmenge nicht verbrauchen. (Interessant: Steuerbetrug vermutet man offensichtlich in erster Linie bei den Apotheken, die besonders wenig Alkohol benötigen. Das muss man sich erst mal durch den Kopf gehen lassen...).
Am Ende teilt uns die Apothekerkammer mit, dass wir ab 1.Juni 2019 die Sachkunde zur Abgabe von Chemikalien verlieren, wenn wir nicht regelmäßig gebührenpflichtige Fortbildungen nachweisen können. Selbstverständlich bietet uns die eigene Kammer aber keine Fortbildungen an, sonder verweist auf die "auf dem Markt verfügbaren Fortbildungsangebote externer Anbieter zur Aufrechterhaltung der Sachkunde".
Das bedeutet, ich darf zwar an der Universität angewandte Chemie studieren und drei Staatsexamen ablegen. Dann darf ich auch Chemikalien in Rezepturen einarbeiten und selber Arzneimittel herstellen. Aber dennoch fehlt mir die Sachkunde um Salzsäure zu verkaufen, wenn ich nicht alle sechs Jahre eine gebührenpflichtige Fortbildung besuche.
Das Ergebnis:
Dann verkaufe ich eben keine Substanzen mehr. Kauft Euch doch Eure Gefahrstoffe ohne Rat und Belehrung im Internet. Oder mit den Worten von Danny Glover alias Roger Murthaugh: "Ich bin zu alt für diesen Scheiß."

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