„Grobe Verletzung journalistischer Sorgfaltspflicht“

Apothekentest: Hustensafthersteller verfasst offenen Beschwerdebrief

Stuttgart - 04.11.2019, 17:45 Uhr

Andreas und Stefan Thenn, Geschäftsführer von Med Pharma Service, kritisieren in ihrem Brief unter anderem die Darstellung ihres Hustensaftes „Broncho-Sern“. (c / Foto: Screenshot DAZ)

Andreas und Stefan Thenn, Geschäftsführer von Med Pharma Service, kritisieren in ihrem Brief unter anderem die Darstellung ihres Hustensaftes „Broncho-Sern“. (c / Foto: Screenshot DAZ)


Vergangene Woche nahm sich ein Verbrauchermagazin mal wieder die Apotheken vor. In der Sendung „Die Ratgeber“ des Hessischen Rundfunks ging es um die Preisunterschiede zwischen Apotheken und Drogeriemärkten. Andreas und Stefan Thenn, Geschäftsführer von Med Pharma Service, einem der im Beitrag genannten Hersteller, ist nun der Kragen geplatzt. Sie haben einen offenen Brief verfasst. Darin kritisieren sie nicht nur die Darstellung ihres Hustensaftes „Broncho-Sern“, sondern auch die „Diffamierung eines so wichtigen Berufsstandes“ wie den der Apotheker.

„Frei verkäufliche Medikamente wie Hustensaft oder Nasenspray sind in Drogeriemärkten günstiger als in der Apotheke.“ Mit dieser Aussage kündigte die Sendung „Die Ratgeber“ des Hessischen Rundfunks am Montag in der vergangenen Woche ihren Apothekentest an. Hustensaft, Erkältungstee und Meerwassernasenspray wurden für den Preisvergleich herangezogen – mit dem Ergebnis, dass die ausgewählten Produkte in den Apotheken (wie nicht anders zu erwarten) teurer als in den Drogeriemarktketten waren. „Doch sind sie auch genauso gut? Und worin unterscheiden sie sich?“, sollte der Beitrag darüber hinaus klären.

Dafür standen mehrere Passanten als Testkäufer sowie Prof. Gerd Glaeske, Arzneimittelexperte von der Universität Bremen, bereit. Zu Anfang des Beitrages äußern sich die Testkäufer noch sehr positiv und wohlwollend gegenüber den Apotheken: „Medikamente kaufe ich in der Apotheke. Da frage ich nach, da fühle ich mich irgendwie aufgehobener“. Ein anderer spricht von „Urvertrauen“.

Spitzwegerich-Hustensaft von Rossmann versus "Broncho-Sern Sirup" von Truw

Doch dann werden die Preise ausgewählter Präparate auf die Menge bezogen verglichen. Der Spitzwegerich Hustensaft V der Rossmann-Eigenmarke Altapharma kostet 0,95 Euro bezogen auf 100 ml, während der „Broncho-Sern Sirup“ von Truw aus der Apotheke mit 6,60 Euro pro 100 ml zu Buche schlägt. Auch ein H&S Arzneitee wird mit einer Eigenmarke von dm verglichen sowie ein Altapharma-Nasenspray mit dem Bepanthen-Nasenspray von Bayer.

Pharmazeut und Gesundheitswissenschaftler Glaeske klärt die ersten Zweifel der Testkäufer bezüglich Preis und Leistung auf: „Das ist der gleiche Wirkstoff. Es ist der Extrakt aus Spitzwegerich.“ Doch vor dem Hintergrund, dass es sich beim Spitzwegerich Hustensaft V der Rossmann-Eigenmarke um einen Dickextrakt handelt und bei „Broncho-Sern Sirup“ um einen Fluidextrakt, schränkt er ein: „Es ist nicht genau identisch vergleichbar, weil es unterschiedliche Herstellungswege sind für den Extrakt.“ Weil aber das Mittel gleich sei – Spitzwegerich als Wirkstoff in beiden Hustensäften – ist aus seiner Sicht nichts dagegen einzuwenden, den Hustensaft aus der Drogerie zu nehmen, „zumal er deutlich günstiger ist“.

 „Frechheit, dass man abgezogen wird in der Apotheke.“

Die Aussage des Beitrages zu allen Testkäufen: Wer zu Drogerieprodukten greife, könne ein Vielfaches sparen. Die Stimmung der Passanten verschlechtert sich – der Ton gegenüber Apotheken wird rauer: „Das scheint mir schon Nepp zu sein, wenn man es so viel günstiger in der Drogerie bekommen kann.“ „Ich finde es eine Frechheit, dass man so gesehen abgezogen wird in der Apotheke.“

Glaeske versucht am Ende des Beitrages die Preisunterschiede zu erklären. Apotheken hätten als Einzelhandelsunternehmen schlechtere Einkaufskonditionen als große Drogeriemarktketten. Viel weiter holt er jedoch nicht aus. Weshalb Apotheken aufgrund ihres Versorgungsauftrages und der Beratungspflicht beispielsweise einen größeren Aufwand an Fachpersonal haben und in vielen Fällen auch Patienten betreuen und informieren ohne Umsatz zu generieren, bleibt den Zuschauern verborgen.

Thenn-Brüder wehren sich

Das wollen die Brüder Andreas und Stefan Thenn so nicht stehen lassen. Die Geschäftsführer der Berliner Med Pharma Service finden die Darstellung ihres Hustensaftes „Broncho-Sern“ in der Sendung des Hessischen Rundfunks unangemessen. In einem offenen Brief an den Intendanten des Hessischen Rundfunks, Manfred Krupp, sowie an dessen Fernsehdirektorin, machen sie ihrem Unmut Luft: „Von Anfang an wurde im Rahmen der Moderation des Beitrages eine klare Wertung der Produkte transportiert.“ Andreas und Stefan Thenn sehen durch das Vorenthalten wichtiger Informationen und daraus abgeleiteter Falschinformationen darüber hinaus „eine grobe Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht“. Daher adressieren sie in dem Schreiben, das der DAZ vorliegt, auch den Landesverband Hessen des Deutschen Journalistenverbandes.

Sie rechnen vor, dass die Anwender bei Einnahme der für einen Erwachsenen empfohlen Tagesdosis ihres Apothekenpräparates ein höheres Äquivalent an Spitzwegerichkraut einnehmen als mit dem Drogerieprodukt. Dementsprechend sei ein Vergleich auf der Basis Preis pro Volumen „in hohem Maße unwissenschaftlich und wettbewerbsverzerrend“.

„Der Laie kann keinen Unterschied erkennen, deswegen gibt es Apotheken" 

Und weiter heißt es: „Explizit stellt der Beitrag heraus, dass der Laie keinen Unterschied erkennen kann. Das ist der Grund, warum es Apotheken gibt: Hier arbeiten ausgebildete Fachleute, die den Unterschied erkennen und den Kunden auch bei einem vermeintlich einfachen Präparat wie z.B. Hustensaft beraten können.“

Die Brüder Thenn kritisieren die journalistische Arbeitsweise des Fernsehsenders:


Für den hessischen Rundfunk als gebührenfinanzierte Anstalt des öffentlichen Rechts können wir nur schwer nachvollziehen, wie eine derartige Diffamierung eines so wichtigen Berufsstandes ohne Einordnung gesendet werden kann. […] Es ist in den letzten Jahren gängige Praxis geworden besonders billige Produkte in Ratgebermagazinen vorteilhaft dazustellen. Ob das pauschal die Interessen der Verbraucher widerspiegelt sei dahingestellt. Mit schlecht recherchierten Falschinformationen bewährte Produkte und die Apotheke als wichtiges Element der Gesundheitsversorgung zu schädigen, kann nicht im Interesse der Verbraucher sein.“

Offener Brief von Andreas und Stefan Thenn


Neben dem offenen Brief will Med Pharma Service auch die Fachkreise per Pressemitteilung und Außendienst über die Kontroverse informieren.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Arno Hakk

von Dr.Diefenbach am 06.11.2019 um 12:10 Uhr

NÖ,alles nicht nötig-bei mir ist alles klar,WIESO Diskriminierung?Ich wundere mich halt täglich über unsere gesellschaftlichen Verlogenheiten.Übrigens hilft beim Stress mit den "anderen" eine Runde Cabriofahren durch den Taunus oder Odenwald.Maximal 8o km/h-wunderbar.WOZU dann Benzos??

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Öffentlich rechtliche "Anstalten" und Apotheken

von Dr.Diefenbach am 04.11.2019 um 20:38 Uhr

"es sind nicht nur diese permanent herabwürdigenden Kommentare,die uns ärgern müssen,sondern vor allem EINES:Die Sender von ARD und ZDF sind sich nicht zu schade,die teuersten Werbeminuten GENAU für die Produkte "bereitzuhalten"die in den genial unabhängigen intellektuellen "Fachmagazinen" dann niedergemacht werden.Somit finanziert die Industrie diese miserable PR.Die Apotheken kommen kurz vor den Nachrichten im teuren Spot vor,um viertel nach Acht gibts dann Saures.Und zu einem Herrn Glaeske:Er wird offenbar allmählich alt ,kennt nicht mehr unbedingt die aktuelle Literatur ,wohl nicht mal die Unterschiede einer Extraktherstellung(siehe obiges Beispiel) und daraus folgernd die möglichen WIRKunterschiede.Herr "Kollege",Ihnen sei zB mal die Literatur unserer Professoren wie T.Dingermann zu solchen Themen empfohlen,damit auch Sie wieder aktuell in Form sein können.Dass Redakteure gerne polemisch recherchieren,ist darüber hinaus auch bekannt"

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AW: Öffentlich rechtliche "Anstalten&

von Arno Hakk am 05.11.2019 um 1:58 Uhr

Also ich finde auch, dass Werbekunden einen Einfluss auf die Programmgestaltung haben sollten, das wird ja vom Presserat so gefordert.Schlimm ist aber auch, dass die Pharmaindustrie und Apotheken gezwungen werden im öffentlich-rechtlichen ihre Werbung zu schalten.

P.S.: Ich rieche hier ein bisschen Altersdiskriminierung.

Woher der Zorn? Benzos helfen :)

Qualitätsjournalismus

von Dr. Arnulf Diesel am 04.11.2019 um 19:58 Uhr

Die GEZ-Anstalten sind schon lange auf dem Niveau angekommen, daß eine bekannte Musikband besang: Der gut recherchierte Inhalt besteht aus Angst, Haß, Titten, Wetterbericht.

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