Haftbefehl wegen mutmaßlichen Totschlags

Falsche Ärztin soll falsche Arzneimittel verabreicht haben

Fritzlar - 01.11.2019, 14:19 Uhr

Fehlerhafte Anästhesien der nun festgenommenen Frau sollen vier Todesfälle verursacht haben. ( r / Foto: vzmaze / stock.adobe.com)

Fehlerhafte Anästhesien der nun festgenommenen Frau sollen vier Todesfälle verursacht haben. ( r / Foto: vzmaze / stock.adobe.com)


Eine Frau soll in einer hessischen Klinik ohne entsprechende Ausbildung Menschen anästhesiert haben. Laut Staatsanwaltschaft starben vier Patienten. Nun wurde gegen die 48-Jährige Haftbefehl erlassen.

Wegen mehrerer Todesfälle in einer nordhessischen Klinik sitzt eine mutmaßlich falsche Ärztin in Untersuchungshaft. Die Frau soll ohne entsprechende Ausbildung Patienten betäubt haben. „Durch fehlerhafte Anästhesien soll sie in vier Fällen den Tod der Patienten verursacht haben; in acht weiteren Fällen sollen Gesundheitsschäden eingetreten sein“, sagte Götz Wied, Sprecher der Staatsanwaltschaft Kassel, am heutigen Freitag. Zuvor hatten Medien darüber berichtet.

Die Frau war von 2015 bis 2018 als Assistenzärztin in einer Klinik in Fritzlar (Schwalm-Eder-Kreis) tätig. Doch die 48-Jährige hatte laut Gutachten nicht die erforderlichen Fachkenntnisse. Sie habe nicht einmal eine ärztliche Zulassung, heißt es. Die Ermittler werfen ihr vor, Fehler bei der Behandlung gemacht zu haben. Beispielsweise habe sie eine Atemnot des Patienten nicht rechtzeitig erkannt und die Verabreichung falscher Medikamente während Operationen zu verantworten.

Zunächst ging es nur um gefälschte Bewerbungsunterlagen

Zunächst war gegen die 48-Jährige nur ermittelt worden, weil sie sich mit gefälschten Unterlagen in der Klinik beworben haben soll. Doch bei einer Durchsuchung im Krankenhaus im Januar dieses Jahres stießen die Behörden auf weitere Beweise. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln nun unter anderem wegen des Verdachts des Totschlags, gefährlicher Körperverletzung, Urkundenfälschung, Betruges und des Missbrauchs von Titeln.

Diese Woche Dienstag kam die Frau dann in Untersuchungshaft. Gleichzeitig gab es Durchsuchungen mit über 50 Polizeibeamten in drei Bundesländern: Neben der Klinik in Hessen wurden die Privaträume der Frau durchsucht, die zuletzt in Kiel (Schleswig-Holstein) wohnte. Außerdem wurden Arbeitsplätze von zwei Medizinern in Hessen und in Brandenburg durchsucht. Es werde geprüft, ob die damals in der Klinik tätigen Ärzte ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, indem sie die Frau als Anästhesistin trotz mangelhafter Leistungen weiter arbeiten ließen.

Ob es weitere Opfer gibt, prüfen die Ermittler. Keine Angaben machen sie dazu, wie die Frau aufflog. Das Krankenhaus selbst bestätigte die Ermittlungen: „Es wurden weitere Akten eingefordert, in denen die Frau eine Rolle spielt“, sagte Geschäftsführer Sven Ricks der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA).

Patientenschützer fordert zentrale Archivierung von Approbationen

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte angesichts der Vorwürfe mehr Transparenz. „Der Krankenhausträger muss von sich aus in der Dokumentation überprüfen, welche Patienten von dieser Ärztin betreut worden sind und ob es Auffälligkeiten in der Nachsorge gab“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Das Krankenhaus hätte von sich aus diese Patienten kontaktieren müssen. „Ob das Geschehen ist, kann ich nicht beurteilen.“ Es sei aber überfällig, dass der Krankenhausträger jetzt die breite Öffentlichkeit informiere: „Wenn Ermittlungen wegen Todesfällen im Raum stehen, sind maximale Transparenz und der Kontakt zur Öffentlichkeit dringend notwendig.“

Zudem sei es angesichts von 17 Landesärztekammern in Deutschland für vermeintliche Ärzte sehr leicht, fehlende Zulassungen zu verschleiern. „Es ist an der Zeit, dass die Approbation eines Arztes zentral archiviert wird und es eine Stelle gibt, wo Krankenhausträger verpflichtet sind, diese abzufragen“, sagte Brysch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse auf die deutsche Ärzteschaft zugehen, „um die Kleinstaaterei in dieser Frage zu beenden“.

Immer wieder schaffen es Betrüger, bundesweit Kliniken zu täuschen. Laut einer Auswertung des Landkriminalamtes in Wiesbaden gab es seit dem Jahr 2014 mindestens zwölf Fälle allein in Hessen, davon sieben in Praxen und fünf in Kliniken.



dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zentralarchiv für Approbierte

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 01.11.2019 um 18:42 Uhr

Wennschon, dennschon, sollte
ein Zentralarchiv für alle Approbierten in medizinischen Berufen eingerichtet werden.
Quasi: "Apotheker, Ärzte, Tierärzte und Zahnärzte in einem Boot."
Der Aufwand hierzu, dürfte wohl nicht so groß sein.
Denn es ist ja wohl geplant, dass die einzelnen LAKs in Zukunft Approbationen erteilen sollen. Die dabei erfassten Daten werden eh elektronisch gespeichert und verwaltet.
Dies hat z. B auch zur Folge das die Arbeit der LAKs erleichtert wird, wenn Mitglieder langfristig in ein anderes Bundesland ziehen, sich hier abmelden und dort anmelden müssen. Ein maschinenlesbarer Personalausweis und Heilberufsausweis müssten dann für die Anmeldung genügen.
Ferner hätte es für mich als Vertretungsapotheker den Vorteil einfacher und ohne großen bürokratischen Aufwand in anderen Bundesländern als Vertretung einspringen zu können.

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