Arzneimittel-Lieferengpässe

Hennrich: Meldepflicht für Hersteller könnte kurzfristig kommen

Berlin - 31.10.2019, 15:15 Uhr

Nichts mehr da: Die Apotheker müssen einen immer größer werdenden Teil ihrer Arbeit dafür aufwenden, nicht lieferbare Präparate zu ersetzen. Der CDU-Politiker Michael Hennrich erklärt nun, dass als erste Maßnahme bald eine Meldepflicht für Hersteller kommen könnte. (s / Foto: imago images / Steiner)

Nichts mehr da: Die Apotheker müssen einen immer größer werdenden Teil ihrer Arbeit dafür aufwenden, nicht lieferbare Präparate zu ersetzen. Der CDU-Politiker Michael Hennrich erklärt nun, dass als erste Maßnahme bald eine Meldepflicht für Hersteller kommen könnte. (s / Foto: imago images / Steiner)


Wie geht es weiter mit den Arzneimittel-Lieferengpässen? Apotheker beschreiben die Situation als unhaltbar, in den Medien werden Vergleiche mit Drittweltländern angestellt. Die Unionsfraktion hat ein umfangreiches Positionspapier mit vielen Maßnahmen vorgelegt. Das Problem ist nur: Die meisten dieser Ideen brauchen eine lange Zeit, bis sie „wirken“. Auf die Frage, was kurzfristig passieren kann, um die Situation zu verbessern, erklärt der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich nun, dass zunächst die geplante Meldepflicht für Hersteller umgesetzt werden soll.

Derzeit wächst mit jedem neuen Tag der Druck auf die Politik in Sachen Arzneimittel-Lieferengpässe. Das Thema ist längst kein rein arzneimittel- oder gesundheitspolitisches Thema mehr. Fast täglich greifen die Publikumsmedien einzelne Patientengeschichten auf – Fälle, bei denen Patienten teils wichtige Arzneimittel erst später oder gar nicht bekommen. Jüngstes Beispiel: Die RTL-Sendung „Punkt 12“ vom gestrigen Mittwoch, in der eine Reporterin selbst darüber berichtet, dass sie in elf Apotheken vergeblich nach dem Antibiotikum Furadantin (Nitrofurantoin) fragte.

Die RTL-Redaktion schickt daher drei Reporter in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen los, um nach dem Schmerzmittel Ibuprofen 800 (50 Stück) und dem Blutdrucksenker Valsartan zu fragen. Das Ergebnis war auch regional höchst unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen habe es zwar fast keine Probleme mit Ibuprofen gegeben, dafür sei Valsartan gar nicht da gewesen. Immerhin: Die Apotheker waren laut RTL-Bericht stets hilfsbereit und konnten auf andere Präparate ausweichen. In Sachsen hingegen zeigte sich, dass Valsartan noch in einigen Packungsgrößen verfügbar war, dafür kein Ibuprofen. Die Apotheker mussten daher teils ausfüllen und stückeln.

Was kommt kurzfristig, was dauert noch?

Was muss also getan werden, um die Situation möglichst schnell zu entspannen? Der Bundestag hat in dieser Legislaturperiode bereits das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) beschlossen. Darin enthalten sind unter anderem Neuregelungen, mit denen die Lieferbarkeit bei Grippeimpfstoffen verbessert und Krankenkassen verpflichtet werden sollen, die Vielfalt der Anbieter in ihren Rabattverträgen zu berücksichtigen. Aber ist das genug, um auf die vielschichtigen Ursachen der Engpässe zu reagieren?

Aus Sicht der Unionsfraktion nicht. Denn die AG Gesundheit der Union hat in der vergangenen Woche nach Informationen von DAZ.online einstimmig ein Papier beschlossen, das zuvor vom CDU-Arzneimittelexperten Michael Hennrich – unter anderem in Absprache mit den Apothekern – erstellt worden war. Das Papier enthält viele Maßnahmen: Ein Verbot der exklusiven Rabattvertragsausschreibung, neue regionale und kassenübergreifend wirkende Rabattverträge, Export-Verbote, die in gewissen Situationen greifen sollen, eine neue Meldepflicht für Hersteller bei neu auftauchenden Lieferengpässen sowie mehrere Maßnahmen, mit denen es für Hersteller wieder attraktiver werden soll, in Europa zu produzieren.

Hennrich: Export-Verbote prüfen, Meldepflicht zügig einführen

Schaut man sich das Papier an, fällt aber auf, dass die meisten der Ideen eine lange Vorlauf- beziehungsweise Umsetzungszeit benötigen. Sollten sich Union und SPD beispielsweise auf eine solche Umstellung des Rabattvertragssystems einigen, werden sie einem großen Widerstand des Kassenlagers ausgesetzt sein – ob die Änderungen an den Verträgen dann überhaupt noch kommen oder geändert werden, steht noch in den Sternen. Und bis die von der Union geplanten Anreize, in Europa zu produzieren, wirken, vergehen sicherlich mehrere Jahre.

Aber Hennrich hat nun in einem Interview mit dem „RBB Inforadio“ erklärt, dass zumindest die geplante Meldepflicht für Hersteller schnell umgesetzt werden könnte. Interessant ist auch, dass Hennrich zumindest andeutet, dass auch das geplante Export-Verbot für Großhändler und Apotheker zügig eingeführt werden könnte. Hennrich wörtlich:


Ein wichtiger Aspekt ist, dass wir mehr Transparenz bekommen, was im Markt passiert. Wir hören immer wieder, dass Arzneimittel ins europäische Ausland exportiert werden, weil sie in der Tat in Deutschland mittlerweile sehr günstig sind. Da haben wir die Bitte an das Bundesgesundheitsministerium, zu analysieren, wo da die Probleme liegen. Die zweite Maßnahme ist in der Tat, dass es zu Meldeverpflichtungen für die Unternehmen kommt. Wenn ein Mangel auftritt, könnten wir die Unternehmen verpflichten, das den Behörden zu melden. Das kann eine Maßnahme sein, die dazu führt, dass man Liefersicherheit in Deutschland hat. (…) Das ist eine Maßnahme, die wir relativ kurzfristig umsetzen können. Da sind wir auch im Gespräch mit dem Ministerium. (…) Diese Meldepflicht ist eine Maßnahme, die wir in den nächsten Wochen oder Monaten umsetzen können“

Michael Hennrich im RBB Inforadio


Dass Rabattverträge kategorisch Schuld an den Lieferengpässen sind, schließt Hennrich aber aus. „Es ist kein deutsches Phänomen, es ist ein Phänomen, das wir weltweit beobachten. (…) Ich höre auch immer wieder, dass die Rabattverträge für die Engpässe beschuldigt werden. Das Gegenteil ist aber der Fall: Ich glaube, dass wir ein Mehr an Versorgungssicherheit bekommen.“ Auf die Kritik der Apotheker an den Verträgen angesprochen, erklärt Hennrich dann aber, dass er trotz seiner grundsätzlichen Unterstützung für die Verträge auch durchaus Änderungsbedarf sehe und verweist auf die oben genannten Maßnahmen im Unionspapier.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Pranger

von Holger am 02.11.2019 um 11:07 Uhr

Meldepflicht kann nur ein erster Schritt sein, damit die Insuffizienz wenigstens transparent wird. Darüber hinaus braucht es mindestens noch eine den Apotheken und Großhändliern äquivalente Lagerverpflichtung der Pharmazeutischen Unternehmer. Beides ließe sich relativ leicht und rasch festlegen.

Herstellung in Europa ist ne nette Idee. Aber erstens wird es Ewigkeiten dauern, das umzusetzen. Zweitens müsste es auch entsprechend kontrolliert und Verstöße auch sanktioniert werden. Drittens würden die Kosten natürlich erheblich steigern, weil das Lohnniveau in Moldawien oder Albanien eben höher ist als in Malaysia oder Bangladesh - da werden die Ausschreibungen der Krankenkassen dann lustig.

Wie wäre es denn, die Erteilung einer Zulassung an die Verpflichtung zur Lieferung einer jährlichen Mindestmenge zu knüpfen?

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Defektserver

von Dr. Arnulf Diesel am 31.10.2019 um 18:44 Uhr

Um das Chaos zumindest mit deutscher Gründlichkeit zu verwalten, schlage ich ein volldigitales DefektPharm System vor. Schnittstelle zur WaWi ist schnell programmiert. 3 Server: 1 für die Apotheken, 1 für die Hersteller und Großhändler, 1 für Kassen und Regierung. Ich zahle auch gerne 20 Euro monatlich dafür....

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LIeferengpässe - selbst von Politik und GKV selbst gezimmert !

von ratatosk am 31.10.2019 um 18:41 Uhr

Leider wieder mal die übliche Bürokratenmasche !
Was man verbraucht muß eben hergestellt werden, nicht gemeldet oder darüber diskutiert etc.
Hennrich spielt hier nur den Retter, da das was hermacht.
Herstellung zumindest in Europa, wer in D das wollte, wäre ziemlich behumpst, da der Antrag was zu machen schon Jahre dauern würde. Tragisch, ist aber leider so..
Kassen entmachten, einfache Festverträge, keine intrasparenten Hinterzimmermauschelauen, Würdigung echter Lieferfähigkeit wäre nötig! nicht einen Zettel auf dem steht, daß man es könnte.

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