Großbritannien

NHS-Chef wettert gegen homöopathische „Scheinbehandlungen“

Remagen - 30.10.2019, 12:30 Uhr

Simon Stevens, Chef des Gesundheitsdienstes NHS, hat sich mit der britischen Gesellschaft der Homöopathen angelegt. ( r / Foto: imago images / ZUMA)

Simon Stevens, Chef des Gesundheitsdienstes NHS, hat sich mit der britischen Gesellschaft der Homöopathen angelegt. ( r / Foto: imago images / ZUMA)


In Großbritannien arbeiten sich die Medien mal wieder an der Hömoopathie ab. Der Anlass ist eine Breitseite des NHS-Chefs Simon Stevens gegen die Gesellschaft der Homöopathen. Homöopathika sollen im Rahmen des NHS schon seit fast zwei Jahren nicht mehr erstattet werden, gehören aber offenbar weiterhin zum Therapiealltag.

Die Haltung des National Health Service (NHS) gegenüber der Homöopathie ist hinlänglich bekannt. Viele homöopathische Heilmittel bestünden aus Substanzen, die mit Wasser verdünnt würden, bis keine oder fast keine Substanz mehr in der Lösung enthalten sei, ist auf der Webseite des NHS zur „Homöopathie“ zu lesen. Umfassende Untersuchungen zur Wirksamkeit hätten keine qualitativ hochwertigen Beweise geliefert, dass die Homöopathie als Behandlung irgendeiner Krankheit wirksam sei.

Seit zwei Jahren nicht mehr bezahlt

Im Dezember 2017 hatte der NHS England neue Leitlinien zu Erstattungseinschränkungen herausgegeben. Danach sollten Homöopathika und pflanzliche Arzneimittel nicht mehr zum Repertoire des NHS gehören. Für diese gebe es keine klare oder robuste Evidenz, so die Begründung. Der Britische Homöopathie-Verband beantragte eine rechtliche Überprüfung des Ausschlussverfahrens, jedoch ohne Erfolg. Das höchste Gericht von England und Wales wies die Anfechtung zurück. DAZ.online hatte darüber ausführlich berichtet.

Hunderte von Homöopathen

Ganz sind die Homöopathika deswegen trotzdem nicht aus dem Versorgungsalltag im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes verschwunden. Im letzten Jahr sollen rund 55.000 Britische Pfund für entsprechende Verschreibungen ausgegeben worden sein. Unabhängig davon werden die Mittel selbst bezahlt und in Apotheken abgegeben.

In Großbritannien gibt es Hunderte von Heilkundlern, die die Homöopathie praktizieren. Der Beruf ist nicht reguliert, aber es besteht die Möglichkeit, sich bei einer Organisation registrieren zu lassen, die dann wiederum von der „Professional Standards Authority“ (PSA) akkreditiert werden kann. Damit bekommen die Heilkundler bescheinigt, dass sie bei der Berufsausübung gewisse Standards einhalten. Mit 1.200 Mitgliedern ist die Society of Homeopaths (SoH) die größte Gruppe der registrierten Homöopathen in UK.

NHS-Chef fordert Rücknahme der Akkreditierung

Im April 2019 hatte die PSA die Akkreditierung der SoH verlängert, was schon damals nicht unumstritten war. Nun hat NHS-Chef Simon Stevens die Professional Standards Authority dazu aufgefordert, die Akkreditierung zurückzunehmen.

Grundlage der Praxis „fehlerhaft“

„Es kann ja sein, dass die Society of Homeopaths einige der Verfahrensstandards der PSA erfüllt, aber die Grundlage ihrer Praxis bleibt trotzdem fehlerhaft", zitiert der “Guardian” aus dem Brief vom 22. Oktober. Die Akkreditierung der Gesellschaft sende eine falsche Botschaft an die Verbraucher, nämlich, dass homöopathische Arzneimittel ebenso sicher und wirksam seien wie klinisch getestete Medikamente. „Alles, was der Homöopathie einen Anstrich von Glaubwürdigkeit verleiht, birgt die Gefahr, dass Menschen dazu verleitet würden, ihr hart verdientes Geld für Scheinbehandlungen auszugeben, die bestenfalls nichts bewirken und schlimmstenfalls potenziell gefährlich sein können", erklärt Stevens.

Schüren Homöopathen Impfängste?

Der NHS hat den Homöopathen aber noch aus einem anderen Grund den Kampf angesagt. Sie beschuldigen die alternativen Heilkundler, durch falsche Informationen Impfängste in der Bevölkerung zu schüren. „Dies ist ein wichtiges Thema in einer Zeit, in der es eine Zunahme von Fehlinformationen über Impfstoffe gibt, die eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen", betont der NHS-Chef. Einige davon würden offensichtlich von Homöopathen gefördert.

Erst unlängst hatte sich der NHS vom National Audit Office sagen lassen müssen, dass die Durchimpfungsraten für sechs von sieben Vorschulimpfungen verpasst worden seien. Stevens warnt außerdem davor, dass einige Therapeuten unwirksame „homöopathische Impfstoffe" propagierten, die die Patienten tödlichen Krankheiten wie Masern aussetzen. Die Society of Homeopathy weist die Vorwürfe zurück und besteht darauf, dass sie keine Behandlung fördere, die im Widerspruch zu den NHS-Leitlinien stehe. Dies schließe auch Impfungen mit ein.

Befürworter aus dem Königshaus

Auch in anderen europäischen Ländern weht der althergebrachten Homöopathie in letzter Zeit heftiger Wind um die Nase. In Frankreich hat der Erstattungsauschluss für Turbulenzen gesorgt und auch hierzulande reißen die Diskussionen nicht ab. Immerhin haben die Briten einen Fürsprecher von höchstem Rang, nämlich den Prince of Wales, seit Jahrzehnten erklärter Anhänger der Homöopathie und seit Juni Schirmherr der „Faculty of Homeopathy“, einer anderen Organisation zur Förderung der Homöopathie.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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