Lieferengpässe in den USA

FDA: Neue Qualitätschecks und mehr Geld zur Engpass-Vermeidung

Berlin - 30.10.2019, 15:00 Uhr

Auch in den USA haben Apotheker und Patienten immer häufiger mit Arzneimittel-Lieferengpässen zu kämpfen. Die FDA hat dazu nun einen Plan vorgelegt. (c / Foto: imago images / photothek)

Auch in den USA haben Apotheker und Patienten immer häufiger mit Arzneimittel-Lieferengpässen zu kämpfen. Die FDA hat dazu nun einen Plan vorgelegt. (c / Foto: imago images / photothek)


Dass Arzneimittel-Lieferengpässe kein nationales, also nur auf Deutschland bezogenes, Problem sind, ist schon länger klar: Viele unserer Nachbarstaaten sind sogar schon gesetzgeberisch aktiv geworden. Aber auch in den USA zeigt sich derzeit, dass die Arzneimittelversorgung nur noch beeinträchtigt läuft. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat daher einen Plan zur Reduzierung von Lieferengpässen vorgelegt. Die Behörde beschwert sich über das niedrige Preisniveau bei Generika und will neue Qualitätschecks für Hersteller einführen.

Die US-Arzneimittelbehörde will künftig vehement gegen Arzneimittel-Lieferengpässe vorgehen. Im Juli 2018 hatte die Behörde eine Task Force eingerichtet, die die Ursachen der Defekte ergründen und Maßnahmen zur Vermeidung erarbeiten sollte. Nun hat diese Task Force einen Bericht vorgelegt. Die FDA-Experten haben dazu Hersteller befragt und alle Defekte, die zwischen 2013 und 2017 entstanden sind, genauer untersucht.

Konkret analysiert wurden 163 Arzneimittel, die in diesem Zeitraum nur bedingt oder gar nicht lieferbar waren. Etwa zwei Drittel der entstandenen Engpässe betrafen Arzneimittel zur Injektion. Knapp 70 Prozent der betroffenen Arzneimittel waren laut FDA Präparate, für die es bereits einen generischen Markt gab. Und in den allermeisten Fällen gehe es um Arzneimittel, die im Jahr vor dem Defekt einen recht niedrigen Preis hatten. Im Schnitt lag der Preis im Jahr vor dem Engpass bei 8,73 US-Dollar.

Auch die FDA erklärt in ihrem Abschluss-Statement, dass die Suche nach den Ursachen der Engpässe schwierig gewesen sei. Neben den oben aufgeführten Durchschnittswerten sei aber eine weitere wichtige Entdeckung, dass die Preise wirkstoffgleicher Präparate nur sehr selten anstiegen, wenn bei einem bestimmten Arzneimittel ein Engpass entstand. Und: Während der Engpässe bei einer Firma hätten die anderen Firmen ihre Produktionsprozesse nicht erhöht, um den Engpass abzudecken. Das Fazit der Task Force daher: „Diese Resultate weisen auf einen kaputten Markt hin, in dem die Knappheit von Medikamenten oder das Risiko auf einen Engpass nicht dazu führen, dass die Preise nach grundlegenden wirtschaftlichen Prinzipien ansteigen.“

Ursachen und Lösungsempfehlungen

Die FDA sieht drei größere Problembereiche:

  • Es gebe für Hersteller keine Anreize, weniger profitable Arzneimittel herzustellen. Dabei gehe es insbesondere um Hersteller solcher Generika, die schon länger auf dem Markt sind und zu einem niedrigen Preis verkauft werden. Es seien genau diese Firmen, die unter dem starken Preiswettbewerb leiden. Die FDA klagt über eine „race to the bottom“, also einen Unterbietungswettbewerb.
  • Für Hersteller gibt es keine Anerkennung für die Einhaltung von Qualitätsregeln. Hier nennt die Behörde die US-Richtlinie „Current Good Manufacturing Practices (CGMP)“. Die FDA beklagt, dass den Pharmaunternehmen, die Wirkstoffe von anderen Herstellern kaufen, zu wenige Informationen über die Herstellungspraktiken am Herstellungsort vorliegen. Ebenso wie fehlende Anreize für eine saubere Produktion gebe es keine Strafen bei schlechten Vorkommnissen. Deswegen legten die Firmen keinen besonderen Wert auf Qualitätssicherung. Kostenminimierung sei die Folge.
  • Schließlich beklagt sich die FDA Task Force über die teils selbst erhobenen Richtlinien und Verordnungen. Die regulatorischen und bürokratischen Ansprüche an Hersteller seien oft so hoch angesetzt, dass es für die Firmen nicht attraktiv sei, im Falle eines Engpasses ihr Präparat in den USA auf den Markt zu werfen.

Die Task Force hat auf Basis dieser Problemlage die folgenden Empfehlungen aufgeschrieben:

  • Eine bessere Ursachenergründung: Die Experten empfehlen, die Engpässe besser zu charakterisieren. Zu oft gebe es kein Wissen über die Dauer, die Ursache oder die Auswirkungen der Engpässe auf die Versorgung.
  • Mehr Transparenz bei Preisen: Preismodelle sollten den Experten zufolge untersucht werden: Gibt es beispielsweise Absicherungen in Verträgen bei Nichtlieferbarkeit?
  • Der Vorschlag mit den meisten Auswirkungen ist sicherlich, die Etablierung eines neuen Bewertungssystems für die Qualitätssicherungsmaßnahmen der Hersteller. Die Task Force moniert, dass sich die Firmen darauf beschränken würden, die CGMP-Richtlinien zu erfüllen. Diese beinhalten aber unter anderem „nur“ Standards für die Ausstattung, die Labore, die Herstellungsorte, die Verpackung und die Beschriftung. Diese Umsetzung der Richtlinien sei ein „Minimalziel", das die Hersteller erreichen müssen. Ein Bewertungssystem, in dem weiter gehende Maßnahmen ausgezeichnet werden, gebe es aber nicht. Die Experten empfehlen, dass man diese Qualitätschecks der Branche und auch den Patienten zur Verfügung stellt.
  • Dieses Engagement der Hersteller soll sich auch lohnen: Die Verträge zwischen Herstellern und den Versicherungen und Pharmacy Benefit Managern (PBMs) sollten beispielsweise finanzielle Anreize für eine Über-Erfüllung der Qualitätsrichtlinien enthalten.
  • Die FDA-Experten beschweren sich auch über eine intransparente Datenlage: Bei Engpässen müssten die nachfolgenden und andere Instanzen in der Lieferkette besser informiert werden. Die Task Force bringt daher auch Strafen ins Spiel, die die Hersteller zahlen müssen, wenn sie ihre Daten zu Engpässen nicht weiterreichen.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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