Apothekerforum Brandenburg

ABDA-Jurist Tisch warnt vor Vor-Ort-Offensive der EU-Versender

Wittenberge - 28.10.2019, 16:14 Uhr

Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, war Gast beim diesjährigen Apothekerforum Brandenburg. (c / Foto: Apothekerverband Brandenburg)

Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, war Gast beim diesjährigen Apothekerforum Brandenburg. (c / Foto: Apothekerverband Brandenburg)


Die vergangenen Monate waren für die Apotheker politisch schwierig. Das machte der Vorsitzende des Apothekerverbands Brandenburg, Olaf Behrendt, am vergangenen Samstag in seinem Bericht vor der Mitgliederversammlung deutlich. Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, zeigte zudem die nach wie vor bestehenden Herausforderungen auf. Unter anderem warnt er vor den Multi-Channel-Konzepten großer EU-Versender.

Der Kabinettsentwurf für das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) hat – zum Beispiel mit der Einführung honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen und dem Makelverbot für E-Rezepte – seine positiven Seiten. Allerdings sind viele Apotheker sehr skeptisch, was die geplante Verlagerung der Arzneimittelpreisbindung ins Sozialrecht betrifft, also den Ansatz, die Gleichpreisigkeit lediglich im GKV-Bereich wiederherzustellen. Sie bleiben dabei: Echte und sichere Gleichpreisigkeit funktioniert nur mit dem Rx-Versandverbot. Doch die Haltung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hierzu ist bekannt: Er will das Verbot nicht und verweist darauf, dass es europa- und verfassungsrechtlich nicht machbar sei.

Für die Standesorganisationen der Apotheker ist die Lage nicht einfach. Das wurde auch beim diesjährigen Apothekerforum des Landesapothekerverbands Brandenburg am 25. und 26. Oktober in Wittenberge deutlich. Während am ersten Tag Vorträge zur Apothekenbewertung, pharmazeutischem Wissensmanagement, dem Leben Theodor Fontanes sowie zu pharmazeutischer Chemie im Kino im Mittelpunkt standen, ging es am zweiten Tag vor allem um die Politik.

Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, gab einen Abriss über „die öffentliche Apotheke im Spiegel der politischen Entwicklungen“. Er stellte den Status Quo dar – inklusive der veränderten Lage nach der bereits teilweise in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung und der Apothekenbetriebsordnung.

Sie bringt nicht zuletzt Neues zum Botendienst. Dieser ist nun nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt, und er ist somit zu einem dritten Weg der Regelversorgung geworden – neben der Versorgung durch die Präsenzapotheken und dem Versandhandel. Beim Botendienst kann die pharmazeutische Beratung noch auch im Wege der Telekommunikation mit der Apotheke erfolgen. Und mit weiteren Gesetzesänderungen könnte sich noch mehr verschieben: Sollten PTA mit dem PTA-Reformgesetz mehr Kompetenzen erhalten, könnten sie künftig ohne Aufsicht Rezepte entgegennehmen und abzeichnen – auch im Botendienst. Und der Versandhandel könnte ebenfalls neue Optionen bekommen, wenn es bei der im Kabinettsentwurf vorgesehenen Regelung zu automatisierten Ausgabestationen bleibt. Denn nach der jetzigen Formulierung könnte letztlich eine neue Abgabeform à la Hüffenhardt mit lediglich telefonischer Beratung kommen. Wenn dann noch das E-Rezept mit elektronischer Signatur dazu kommt, ahnt Tisch nichts Gutes. Letztlich würde eine weitere Möglichkeit geschaffen, dass Patienten weder mit den Apothekenräumlichkeiten noch mit dem Personal in Kontakt kommen.

Präsenzapotheke, Botendienst, Versandhandel: Die Grenzen verwischen

Tisch zeigte auf, dass die großen EU-Versender bereits neue Multi-Channel-Konzepte aufbauen. Der Chef der Schweizer Zur Rose-Gruppe, Walter Oberhänsli, habe schon verschiedentlich deutlich gemacht, dass er sich nicht auf den Versandhandel beschränken möchte. Er wolle alle Kanäle bespielen und dabei auch Präsenzapotheken einbeziehen. So habe er bereits Plattformen in Frankreich und Spanien erworben, über die Arzneimittel bestellt werden können, die dann von kooperierenden Präsenzapotheken ausgeliefert werden.

Damit löse Oberhänsli „das Problem der letzten Meile“, die für den Versandhandel das teuerste sei, erklärte Tisch. Die Apotheken seien dann nur noch Zusteller – und würden auch nur dafür bezahlt. Ein anderer Punkt: die „Prescription Corner“, in der Rx-Arzneimittel in einem Bereich eines Supermarkts ausgegeben werden. Das gehe hierzulande im Moment nicht, betonte Tisch, auch nicht mit den jetzt vorliegenden Reformplänen. Denn es ist nicht erlaubt, außerhalb von Großhandlungen oder Apotheken Arzneimittel zu lagern. Aber: In der Schweiz gibt es bereits Modellversuche von Zur Rose in Migros-Märkten. Und in Deutschland gebe es immerhin schon Strukturen, die für eine Weiterentwicklung bereits stünden, wenn sich das Gesetz ändert: So biete DocMorris seine Boni schon seit Jahren auf Rewe-Kassenzetteln an.

Was ist jetzt nötig?

Und so hat die ABDA auch weiterhin sehr konkrete Forderungen. Unter anderem müsse das Verbot der Lagerung von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken erhalten bleiben. Automatisierte Ausgabestationen müssten ausnahmslos an Apothekenbetriebsräume gebunden bleiben, damit nicht entsprechende Einrichtungen von Versandanbietern Platz griffen. Auch dürften Ausgabestationen nicht automatisiert bestückt werden, um kein weiteres Hüffenhardt heraufzubeschwören. Wichtig ist der ABDA zudem, dass das Makel-Verbot für E-Rezepte noch kommt – und zwar eines, das nicht nur Krankenkassen und Ärzte, sondern auch Dritte adressiert. Und: All diese maßgeblichen Regelungen müssten in ihrer Wirkung auf Versender erstreckt werden, so Tisch. Denn was nutzen neue Reglementierungen, die am Ende nur die nationalen Apotheken betreffen?

Tischs Fazit: „Es ist eine spannende Zeit mit unglaublichen Herausforderungen“. Die ABDA habe sich viel Mühe gegeben, um Verbesserungen zu erreichen – das sehe man in ihren Stellungnahmen zu den Gesetzen und Verordnungen. Aber ab einem bestimmten Punkt würden solche Gesetzgebungsverfahren unkontrollierbar, so der ABDA-Jurist. Dann, wenn sich auch weitere interessierte Gruppen in den Diskussionsprozess einbringen. Denn unterschiedliche Marktbeteiligte hätten eben auch unterschiedliche Interessen. Jetzt müsse die Politik entscheiden. Dennoch hoffe die ABDA, weitere Verbesserung erreichen zu können. „Da wartet noch sehr, sehr viel Arbeit“, so Tisch. Sein abschließender Rat: Die Apotheker sollten „mit Bewusstsein für die Schwierigkeit der Lage, aber nicht ohne Optimismus in die Zukunft schauen“.

Hat Spahn seinen Amtseid richtig verstanden? 

Dass die Lage in den vergangenen zwölf Monaten nicht einfach war – und es nach wie vor nicht ist –, machte auch der Vorsitzende des Brandenburger Apothekerverbands, Olaf Behrendt, in seinem Bericht zur Mitgliederversammlung deutlich. Er skizzierte kurz die Entwicklungen seit dem Deutschen Apothekertag 2018: Vor einem guten Jahr hatte Spahn noch keine konkreten Vorschläge im Gepäck, wie er die Schieflage beenden will, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 in die Apothekenlandschaft gebracht hat. Im Dezember des vergangenen Jahres erklärte er dann der ABDA-Mitgliederversammlung, das im Koalitionsvertrag verankerte Rx-Versandverbot nicht umsetzen zu wollen und legte Eckpunkte für seine Reformideen vor. In der Folgezeit wurde hart gerungen – wie kann ohne Rx-VV die Gleichpreisigkeit wiederhergestellt werden? Und reicht es, wenn das nur im GKV-Bereich geschieht? „Noch nie gab es so viele außerordentliche Sitzungen und Telefonkonferenzen“, erklärte Behrendt. Und die Stimmung bei den Beteiligten sei dabei „nicht auf dem besten Level“. Verband und Kammer in Brandenburg forderten schon im vergangenen März, zum Rx-Versandverbot zurückzukehren

Im September legte dann der Bundesrat seine Stellungnahme zum VOASG vor – ebenfalls mit der Forderung nach einem Rx-Versandverbot. Behrendt schilderte die Situation auf dem diesjährigen DAT, an dem über zwei Tage über einen Antrag diskutiert wurde, in dem diese Länder-Stellungnahme aufgegriffen werden sollte. Am Ende einigte man sich auf eine Formulierung, die bei Spahn, der einen Tag darauf beim DAT erschien, allerdings nicht gut ankam. Seine Botschaft war nun: Wenn die Apotheker meinen, mit den Ländern besser zu fahren, könnten sie auf das Initiativrecht des Bundestags zur Gesetzgebung setzen – doch er selbst werde dann seine Arbeit am VOASG einstellen. Ein Verhalten, das viele irritierte. Auch Behrendt unterstrich: „Die Hauptversammlung der Apothekerinnen und Apotheker ist nicht dazu da, den Minister zu amüsieren, sondern die eigenen Forderungen vorzubringen“. Was der Gesetzgeber dann daraus mache, stehe im frei. „Wenn sich aber ein Minister hinstellt und sagt, ‚dann stelle ich meine Arbeit ein‘, dann hat er vielleicht seinen Amtseid nicht richtig verstanden“, so der Verbandschef.

Doch nun heißt es ohnehin abwarten, schließlich wartet der VOASG auf eine Stellungnahme der EU-Kommission. Ein wenig optimistisch stimmte Behrendt der „Mission Letter“ der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die künftige EU-Gesundheitskommissarin. Darin weise sie unter anderem darauf hin, dass das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden müsse.

Reimporte, Securpharm und E-Rezept

Behrendt sprach überdies weitere Punkte an, die in den vergangenen Monaten bewegten. Das große Problem der Lieferengpässe etwa. Die Apotheken täten alles, um die Versorgung aufrecht zu erhalten – doch nun sieht der Verbandschef auch die Politik in der Pflicht. Ein weiteres Ärgernis sei die misslungene neue Importförderklausel, die nun dazu führe, dass mehr Importe abgegeben werden denn je. Was das neue Fälschungsschutzsystem Securpharm betrifft, erklärte Behrendt, das dieses immerhin reibungsloser laufe als zunächst befürchtet – zumindest der Apothekenserver funktioniere gut, der Herstellerserver allerdings weniger. Auch die geplante Patienten-Web-App des DAV sei auf einem guten Weg. Behrendt verwies darauf, dass schon in den nächsten Wochen ein Modellprojekt in Berlin starten werde, bei dem Spahn demnächst ein erstes E-Rezept einlösen werde.

Abschließend betonte der Verbandsvorsitzende, dass es gerade jetzt wichtig sei, Kräfte zu bündeln. Glücklicherweise sei der vor einigen Jahren mit der Landesapothekerkammer laufende Kleinkrieg mittlerweile überwunden und die Zusammenarbeit hervorragend. Aber auch mit den Berliner Kollegen arbeite man gut zusammen und habe schon einiges angestoßen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Warnungen

von Roland Mückschel am 29.10.2019 um 9:43 Uhr

Danke Herr Tisch für Ihre Warnungen.
Ich hatte mich immer gefragt wofür ich Sie
bezahle.
Jetzt weiss ich es.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ach

von Christiane Patzelt am 28.10.2019 um 19:25 Uhr

Herr Tisch - wenn Sie Ihren Job vorm EuGh-Urteil vernünftig gemacht hätten, müssten Sie jetzt hier nicht Dinge erzählen, die meine Tochter schon mit 4 Jahren sehen kann!

Sie und die ABDA sind doch die Beerdigungsgesellschaft unserer vor-Ort-Apotheken und haben uns täglich das Arsen gereicht!
Sie haben so richtig Glück, dass ich in München war...

Und soll ich Ihnen noch was für Ihre künftige Gruselrede sagen? Die OTC werden innerhalb der nächsten 8 Jahre in die Drogerien/Supermärkte verschwinden und die Kette ist noch schneller Gesetz! Abgabeautomaten? In 4-6 Jahren sind die überall....Aber Hauptsache, Sie kehren täglich in Ihr Apothekerhaus in Berlin, wo noch nie ein tatsächlich täglich in der Apotheke stehender Apotheker/in einen Fuß reinsetzen durfte -- reicht ja, wenn wir den Bums bezahlen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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