Bedarfsplanung in Österreich

Wettbewerbsbehörde will Praxisapotheken und Apotheken gleichstellen

Remagen - 21.10.2019, 10:15 Uhr

In Österreich gibt es mal wieder großen Ärger rund um die ärztlichen Praxisapotheken. Die Bundeswettbewerbsbehörde will mehr Wettbewerb zwischen Apotheken und Praxisapotheken. (c / Foto: Imago Images / Chromorange)

In Österreich gibt es mal wieder großen Ärger rund um die ärztlichen Praxisapotheken. Die Bundeswettbewerbsbehörde will mehr Wettbewerb zwischen Apotheken und Praxisapotheken. (c / Foto: Imago Images / Chromorange)


Österreichs öffentliche Apotheken müssen in ihrem Konkurrenzkampf mit den ärztlichen Praxisapotheken („Hausapotheken“) einen weiteren herben Dämpfer hinnehmen. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese hinsichtlich der Regelungen für die Bedarfsprüfung den öffentlichen Apotheken gleichgestellt werden sollen. Damit soll die Versorgung im ländlichen Raum verbessert werden.

Seit Anfang 2017 analysiert die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den österreichischen Gesundheitsmarkt. Im Mai 2018 war der erste Teilbericht „Der Markt für öffentliche Apotheken“ erschienen. Dieser hatte mögliche Wettbewerbsbeschränkungen im Hinblick auf die Bedarfsprüfung, das Fremdbesitzverbot und Filialapotheken sowie die Vorschriften über den Betrieb von Apotheken (unter anderem Öffnungszeiten, Angebot von Dienstleistungen, Online Handel, Apothekenvorbehalt für OTC-Arzneimittel) unter die Lupe genommen.

Zankapfel „ärztliche Hausapotheken“

Nun wurde der zweite Teilbericht zum Thema „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ veröffentlicht. Er liefert eine Bestandsaufnahme der regionalen Versorgung mit Apotheken und Allgemeinmedizinern in Österreich und untersucht unter anderem, inwieweit Wettbewerbsaspekte mit dem Ärztemangel im ländlichen Raum zu tun haben könnten. Ein besonderes Augenmerk legten die Wettbewerbshüter dabei auf die Beschränkungen für die ärztlichen Hausapotheken und die Frage, ob diese unter dem Blickwinkel der Gesundheitsversorgung gerechtfertigt sind. Hierin liegt in Österreich seit Jahren ein erhebliches Konfliktpotenzial, das nun mit voller Macht wieder aufbricht. Die BWB spricht von der „ungebrochenen rechtlichen Brisanz im Verhältnis öffentliche Apotheken und ärztliche Hausapotheken.“

1438 öffentliche Apotheken und 794 ärztliche Hausapotheken

Wie in dem Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde nachzulesen ist, gibt es in Österreich derzeit 1438 öffentliche Apotheken, davon 29 Filialapotheken, und 794 von Kassenärzten geführte Hausapotheken. Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern werden überwiegend über Hausapotheken versorgt. Von den rund 3800 Allgemeinmedizinern mit einem Kassenvertrag betreiben etwa 21 Prozent eine Hausapotheke. In Gemeinden mit bis zu 1000 Einwohnern sind es 74 Prozent, in Gemeinden von 1000 bis 5000 Einwohnern 44 Prozent. In rund 38 Prozent der österreichischen Gemeinden gibt es weder eine öffentliche noch eine Hausapotheke. Etwas über 60 Prozent davon befinden sich im ländlichen Raum. Im Zeitraum von 2009 bis 2018 wurden in Österreich 155 öffentliche Apotheken neu eröffnet, vorwiegend in Gemeinden mit wachsenden Bevölkerungszahlen. Für die Versorgung auf dem Land hilft das demnach nicht unbedingt viel. Außerdem soll es gerade in der Größenklasse von 1000 bis 5000 Einwohnern durch die Neueröffnung öffentlicher Apotheken zu einer Verdrängung bestehender Hausapotheken gekommen sein. So viel zum Status quo und jüngeren Entwicklungen.

Hausapotheke als Anreiz für Landarzt-Dasein

Die Bundeswettbewerbsbehörde kommt nun zu dem Ergebnis, dass der Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke die Attraktivität des Landarzt-Daseins wesentlich erhöhen könnte und damit auch die flächendeckende Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Das ist im Prinzip bereits bekannt, bekommt aber durch das Urteil des BWB eine neue politische Brisanz. Der Wettbewerb mit den niedergelassenen öffentlichen Apotheken werde derzeit durch eine „sehr restriktive Regelung“ im Apothekengesetz beschränkt, meint die Behörde und empfiehlt deshalb eine weitgehende Deregulierung der Bestimmungen betreffend ärztliche Hausapotheken.

Mindestentfernungen sollen aufgehoben werden

Bislang wird für die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in Gemeinden ohne öffentliche Apotheke nur erteilt, wenn es innerhalb von sechs (bzw. vier) Kilometern Entfernung von der Praxis keine Apotheke gibt. Diese Mindestentfernung soll ersatzlos gestrichen werden. Für so genannte „Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden“ gilt eine Sonderregelung. Hier können ärztliche Hausapotheken auch dann eine Bewilligung bekommen, wenn es bereits eine Konzession für eine öffentliche Apotheke gibt, aber auch hier muss die Entfernung bis zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer betragen. Auch diese Einschränkung soll wegfallen. Stattdessen wird die rechtliche Gleichstellung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken befürwortet. Außerdem sollen die strukturellen Besonderheiten des ländlichen Raums bei der Bedarfsprüfung für neue Apotheken berücksichtigt werden.

Hausapotheken auch für Primärversorgungseinheiten

Die BWB empfiehlt darüber hinaus, auch den Primärversorgungseinheiten (PVE) das Führen einer Hausapotheke zuzugestehen. Bislang sieht das Gesetz lediglich vor, dass PVE Kooperationen mit öffentlichen Apotheken eingehen können. Die Möglichkeit der Einrichtung von Primärversorgungseinheiten wurde in Österreich im Jahr 2017 bundesgesetzlich geregelt. Derzeit gibt es bereits 18 solcher Versorgungseinheiten. Bis Ende 2021 sollen es 75 sein.

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Mehr Flexibilität für die Patienten

Zur Begründung führt die Bundeswettbewerbsbehörde an, dass eine größere Auswahlmöglichkeit der Patienten aus wettbewerblicher Sicht zu begrüßen sei. Im Gegensatz zu öffentlichen Apotheken verfügten niedergelassene Allgemeinmediziner in der Regel über flexiblere Öffnungszeiten. Besonders im ländlichen Raum sei es aus wettbewerblichem Verständnis überdies nicht nachvollziehbar, warum ein Patient mit diagnostizierter Krankheit noch mehrere Kilometer bis zur nächsten öffentlichen Apotheke zurücklegen müsse, um dort seine notwendigen verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu bekommen.

Versorgung auch in Zukunft hauptsächlich über Offizinapotheken

Angesichts dessen, dass das Angebotssortiment von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken sich grundlegend unterscheidet, geht die BWB davon aus, dass auch in Zukunft der überwiegende Anteil an Arzneimitteln über öffentliche Apotheken abgegeben wird. Schließlich habe eine durchschnittliche öffentliche Apotheke in Österreich rund 6000 unterschiedliche Medikamente und in Summe rund 24.000 Arzneimittelpackungen auf Lager und eine ärztliche Hausapotheke nur einen Bruchteil davon, heißt es in dem Bericht.

Ärzte sollen nicht „in die eigene Tasche wirtschaften“

Die Bundeswettbewerbsbehörde erkennt durchaus an, dass für selbstdispensierende Hausärzte „theoretisch ein Anreiz bestehen könnte“, dem Patienten tendenziell teurere oder quantitativ mehr Arzneimittel mit höheren Umsatzmargen zu verschreiben und abzugeben. Sie betont jedoch, dass auch Allgemeinmediziner mit einer ärztlichen Hausapotheke bei Rx-Medikamenten Beschränkungen wie etwa dem Erstattungskodex (EKO) oder den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise („Ökotool“) unterlägen. 

Ärztekammer freut sich

Für die Österreichische Ärztekammer ist die Schlussfolgerung der Bundeswettbewerbsbehörde hinsichtlich der ersatzlosen Streichung von Mindestentfernungen zu Apotheken für die Errichtung einer ärztlichen Hausapotheke selbstverständlich Wasser auf die Mühlen. Die Empfehlungen der Experten entsprächen exakt den Vorstellungen, die die Ärztekammer schon seit langem einfordere, heißt es in einer postwendenden Pressemitteilung der Österreichischen Ärztekammer. „Im Mittelpunkt muss immer die Versorgung der Patienten, insbesondere in strukturschwachen ländlichen Regionen stehen. Dazu gehören der Hausarzt und die Apotheke, die zurecht in kleineren Gemeinden beim Arzt angesiedelt ist, um alten und kranken Menschen lange Anfahrtswege zur nächsten Apotheke zu ersparen“, kommentiert Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte Johannes Steinhart erwartet nun von der Politik, dass sie den diesbezüglichen Empfehlungen der Experten auch „raschest möglich“ nachkommt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Kompetenz in Ö ?

von ratatosk am 23.10.2019 um 9:05 Uhr

Gleichgestellt ? wenn die Praxis das Angebot bequem nur auf den eigenen selbst verschriebenen Bedarf optimieren kann, sowohl in Bezug auf Breite, Rabatte und Bedarf ?
Nein, auch hier sind alimentierte Beamte berufen den Wettbewerb, den sie selbst nicht mal ansatzweise kennen ! zu fördern. - oder es werden andere Interessen mit solchem Unsinn zu verschleiert .Eben wie bei uns.

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