Ersatzkassen

vdek: Rabattverträge verhindern Lieferengpässe

Berlin - 18.10.2019, 16:30 Uhr

Ulrike Elsner, Chefin des Verbandes  der Ersatzkassen (vdek) meint, dass die Lieferengpässe in keinerlei Zusammenhang mit den Rabattverträgen stehen. Ganz im Gegenteil. (Foto: imago images / J. Heinrich)

Ulrike Elsner, Chefin des Verbandes  der Ersatzkassen (vdek) meint, dass die Lieferengpässe in keinerlei Zusammenhang mit den Rabattverträgen stehen. Ganz im Gegenteil. (Foto: imago images / J. Heinrich)


Während Patienten, Ärzte und Apotheker immer intensiver vor den Auswirkungen der Arzneimittel-Lieferengpässe warnen, verharmlost der Verband der Ersatzkassen (vdek) die Situation. In einer Pressemitteilung rechnet der Verband die beim BfArM gemeldeten Defekte klein und erklärt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Rabattverträgen und Engpässen gebe. Vielmehr sei es so, dass die Verträge dabei helfen würden, Engpässe zu verhindern.

Das Thema Arzneimittel-Lieferengpässe dürfte in dieser Legislaturperiode noch einmal politisch angegangen werden. Denn es vergeht kein Tag mehr, an dem sich kein lokales oder überregionales Medium mit den Auswirkungen der Defekte auf die Versorgung beschäftigt. Kurzum: Das Thems ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Unionsfraktion hat daher auch ein erstes Positionspapier erstellt, indem zahlreiche Vorschläge enthalten sind. Unter anderem wollen CDU/CSU exklusive Ausschreibungen bei Rabattverträgen verbieten. Und: es soll geprüft werden, ob die Rabattverträge künftig nicht mehr nur auf regionaler Ebene und kassenübergreifend mit den Herstellern ausgehandelt werden könnten. Damit will die Union auch die Apotheker bürokratisch entlasten.

Bei den Krankenkassen läuten daher die Alarmglocken. Dr. Chistopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, reagierte schon vor etwa zwei Wochen auf die Unionspläne und erklärte, dass sich die Union nicht von der Pharmaindustrie „einlullen“ lassen solle. Nun reagiert auch der Verband der Ersatzkassen (vdek). In einer Pressemitteilung bezieht sich der Verband, dem unter anderem die Barmer und die TK angehören, auf die derzeit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelisteten Engpässe, die derzeit bei etwa 530 liegen. Der vdek kommentiert: „Tatsächlich nicht lieferbar war von den gelisteten Medikamenten jedoch eine wesentlich geringere Zahl. Und: Bei keinem einzigen der nicht lieferbaren Medikamente waren die Arzneimittel-Ausschreibungen der gesetzlichen Krankenkassen der Grund für den Lieferengpass.“

Grafik: vdek

In einer Grafik (s. oben) rechnet der Kassenverband dann vor, dass noch 156 verblieben, wenn man die Präparate abziehe, die bereits wieder lieferbar waren (Löschmitteilung der Hersteller) und diejenigen, die Valsartan enthielten (Rückruf nach dem Valsartan-Skandal). Und weiter: „Ein Großteil davon war jedoch zum Beispiel in anderen Packungsgrößen erhältlich, oder das Arzneimittel konnte von einem anderen Hersteller bezogen werden. Von den so verbleibenden 89 Wirkstoffen lag für 69 Wirkstoffe kein Rabattvertrag der Krankenkassen vor. Hier bestand also auch kein Zusammenhang mit Ausschreibungen der Kassen. Letztendlich verblieben 20 Wirkstoffe, deren Lieferschwierigkeiten von den Herstellern mit Produktionsproblemen begründet wurden.“

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende beim vdek, kommt daher zu dem Schluss: „Die Behauptung, Lieferengpässe hätten mit den Arzneimittel-Ausschreibungen der Krankenkassen zu tun, entbehrt jeglicher Grundlage. Unsere Analyse belegt dies klar und deutlich. Tatsächlich helfen die Rabattverträge der Kassen, Lieferengpässe zu verhindern. Durch die vertraglichen Lieferverpflichtungen erhalten Arzneimittelhersteller eine bessere Planbarkeit, was letztlich die Liefersicherheit und damit die Versorgungssicherheit für die Patienten erhöht.“ Die Verbandschefin erklärte auch, dass ein Lieferengpass nicht automatisch ein Versorgungsengpass sei, bei dem gar keine Medikamente mehr zur Verfügung stehen. Auch das Bundesgesundheitsministerium hatte sich kürzlich so geäußert.

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Hersteller und Kassen: Konfliktfeld Rabattverträge

Trotzdem sieht die Verbandschefin Handlungsbedarf, denn die Engpässe dürften die Versorgung auch nicht gefährden. Obwohl die Unionsfraktion die oben beschriebenen Maßnahmen zur Änderung des Rabattvertragssystems vorgeschlagen hatte, „begrüßt“ Elsner das Unionspapier „ausdrücklich“. Das Papier enthalte einige gute Ansätze. Darunter den Aufbau einer nationalen Arzneimittelreserve sowie die Ausweitung und Verschärfung der bestehenden Meldepflichten.

So wie ihr Kollege Hermann aus Baden-Württemberg kritisierte Elsner allerdings eine bestimmte Passage des Unionspapiers: „Der Vorschlag, alle Krankenkassen gemeinsam und einheitlich zu regionalen Ausschreibungen zu verpflichten, ist jedoch kontraproduktiv.“ Dadurch würde die Liefervielfalt reduziert und damit die Versorgungssicherheit verringert. „Gegen die Tendenz, die Produktion auf wenige Herstellerbetriebe weltweit zu konzentrieren, brauchen wir Lösungen in einem globalen oder europäischen Kontext“, sagte Elsner.

Industrie und Apotheker fordern Ende der Exklusivverträge

Das sieht die Pharmaindustrie verständlicherweise anders. Bei der Eröffnung der diesjährigen Expopharm in Düsseldorf kritisierten gleich mehrere Verbandsvertreter das derzeitige System. Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), sagte beispielsweise, dass die Preise in Deutschland „ein osteuropäisches Niveau erreicht“ hätten, mit den Rabattverträgen sei die Schraube endgültig überdreht. Mit Mehrfachvergaben sei schon viel geschafft. Ein zusätzlicher Gewinn wäre es, wenn mindestens ein Zuschlag an einen Hersteller mit nachgewiesenem EU-Produktionsstandort dabei sein müsste.

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Wolfang Späth, Vorstandsvorsitzender bei Pro Generika, zollte den Apothekern Respekt, wie sie die Lieferengpässe derzeit im Apothekenalltag meistern und mit „pharmazeutischem Improvisationstheater“ sicherstellten, dass die Patienten versorgt sind. Eine gesetzliche Meldepflicht für die Hersteller ist für Späth aber keine Lösung. So würde mit einer Meldepflicht zwar die Dokumentation besser und transparenter – doch damit gäbe es keine Packung mehr im Markt. Zu befürchten sei vielmehr, dass Hamsterkäufe die Situation noch verschärfen könnten. Auch andere Ideen, wie eine „nationale Reserve“ oder höhere Strafen bei Nichtlieferfähigkeit, sind für Späth nicht die Lösung. Für ihn liegt die Lösung längst auf dem Tisch: Die Politik müsse den Weg ebnen für obligatorische Mehrfachausschreibungen von Rabattverträgen, so Späth.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Kann die noch in den Spiegel sehen - unglaublich dreiste Lügen

von ratatosk am 21.10.2019 um 11:15 Uhr

Man sollte diese Frau wirklich gut bezahlen ! denn wer so schauen kann, wenn er solchen offensichtlichen Unsinn raushaut und nicht vor Scham in den Boden versinkt, ist eigentlich unbezahlbar. Sollte sich auch bei Trump als Pressesprecherin bewerben, da sind solche Fähigkeiten dringend gesucht.

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Glaubensbekenntnis

von Bernd Jas am 19.10.2019 um 15:14 Uhr

„Die Behauptung, Lieferengpässe hätten mit den Arzneimittel-Ausschreibungen der Krankenkassen zu tun, entbehrt jeglicher Grundlage."
An das Wort Logik zu denken und es gar in Ihre Ausflüchte ein zu bauen wagt diese Dame nicht im Entferntesten.
Dann steht ihr Gerede über die Lieferengpässe, auch in keinerlei Zusammenhang mit den Rabattverträgen, was dann endlich logisch wird, wenn sie es zugeben würde.
Glücklicher Weise haben wir das pharmazeutische Improvisationstheater ja von der Rabattvertragspike auf gelernt und müssen für alle Zeiten dafür herhalten. Natürlich für umme.

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Glaubensbekenntnis

von Bernd Jas am 19.10.2019 um 15:14 Uhr

„Die Behauptung, Lieferengpässe hätten mit den Arzneimittel-Ausschreibungen der Krankenkassen zu tun, entbehrt jeglicher Grundlage."
An das Wort Logik zu denken und es gar in Ihre Ausflüchte ein zu bauen wagt diese Dame nicht im Entferntesten.
Dann steht ihr Gerede über die Lieferengpässe, auch in keinerlei Zusammenhang mit den Rabattverträgen, was dann endlich logisch wird, wenn sie es zugeben würde.
Glücklicher Weise haben wir das pharmazeutische Improvisationstheater ja von der Rabattvertragspike auf gelernt und müssen für alle Zeiten dafür herhalten. Natürlich für umme.

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Glaubensbekenntnis

von Bernd Jas am 19.10.2019 um 15:14 Uhr

„Die Behauptung, Lieferengpässe hätten mit den Arzneimittel-Ausschreibungen der Krankenkassen zu tun, entbehrt jeglicher Grundlage."
An das Wort Logik zu denken und es gar in Ihre Ausflüchte ein zu bauen wagt diese Dame nicht im Entferntesten.
Dann steht ihr Gerede über die Lieferengpässe, auch in keinerlei Zusammenhang mit den Rabattverträgen, was dann endlich logisch wird, wenn sie es zugeben würde.
Glücklicher Weise haben wir das pharmazeutische Improvisationstheater ja von der Rabattvertragspike auf gelernt und müssen für alle Zeiten dafür herhalten. Natürlich für umme.

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Respekt

von Jan Kusterer am 19.10.2019 um 8:55 Uhr

vor soviel Unverfrorenheit. Was bringt es unseren Patienten wenn der Hersteller sagt er sei lieferbar und wir uns um die paar Packungen beim Großhändler zerfleischen, wie eine Horde Kinder um einen Traubenzucker den man in ihre Mitte wirft. Auf Meinungen reagiert man mit einer datenfundierten Gegenmeinung. Also ABDA, präsentiert Daten, so valide und EMOTIONAL wie möglich.

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Nicht lieferbar

von Hermann Eiken am 18.10.2019 um 22:18 Uhr

Ein Witz, was da der VdeK erzählt. Jede Apotheke kann doch in ihrer Apothekensoftware nachschauen, wieviele Lieferdefekte im Moment vorliegen. Wir arbeiten z.B. mit der Software von Pharmatechnik. Seit Monaten schwanken dabei die Nichtlieferbarkeitszahlen bei uns in der Apotheke zwischen 230 und 280 Präparaten mit eher steigender Tendenz. Das VdeK Gutachten ist für die Tonne. Und die Dame vom VdeK sollte sich lieber nicht den Mund verbrennen, indem sie etwas als Wahr erzählt, wovon sie wohl selbst besser weiß, dass es nicht stimmt. Die Rabattverträge sind nicht allein an den Lieferschwierigkeiten schuld, aber zu einem sehr großen Teil. Wir müssen die Produktion wieder nach Europa rückverlagern, und die Krankenkassen müssen in ihrer Macht beschnitten werden. Wir als Apotheken können unserer Aufgabe, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen mittlerweile ja gar nicht mehr nachkommen. Daran haben die Krankenkassen einen mächtigen Anteil!

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Datenbasis des BfArM hat mit der Realität nichts zu tun!

von T. La Roche am 18.10.2019 um 19:42 Uhr

Ich habe wegen der Lieferengpässe eigentlich keine Zeit so etwas zu hinterfragen...irgendwie gehe ich davon aus, dass das irgendjemand macht.
2 klicks und mal locker rübergeschaut...ja, wenn man das mal so rechnet wie der vdek, dann kann man nur sagen...mit der Realität hat das nichts zu tun!! Wirkstoff wird mit Defektmeldungen einzelner Firmen verwechselt: Warum finde ich nur 2 Firmen, die Venlafaxin nicht liefern können? Keine einzige kann 37,5 oder 75 oder 225mg liefern. Das sind schon mal über 60 fehlende Defektmeldungen. Und das nur für einen einzigen WIrkstoff.
Ibuprofen Retard...weiter 20 fehlende Defektmeldungen.
Wenn ich nun mein komplettes Warenlager durchgegen würde.. komme ich mit Sicherheit auf über 2000 fehlende Defektmeldungen. 300 davon schicken wir jeden Tag viermal raus. Ja, sicherlich...Allopurinol 100mg gibt es noch einen einzigen Hersteller, der liefern kann. Aber wo tauchen die Hersteller in der Liste auf, die nicht liefern können.
Die BfArM-Liste ist gelinde gesägt für den Papierkorb!
Warum schafft es die Apothekerschaft nicht einen fähigen Apotheker abzustellen, der bei 2-3 Großhändlern die Nichtlieferfähigkeit erfasst und daraus über intelligente Listen ein echtes Abbild der alltäglichen Katastrophe dokumentiert.
Wenn ein Hersteller behauptet, er könne liefern...dann möge er sich melden und liefern!
Stattdessen beschäftigen sich 19000 Apotheken jeden Tag damit und der vdek darf hier einfach so einen Unsinn behaupten.
Das BfArM schaut sich die 2-3 Defektmeldungen der ehrlichen Hersteller an und hat überhaupt keine Ahnung, was in diesem Land gerade tatsächlich passiert.
Unfassbar dilettantisch das Ganze!

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