FDA-Zulassungserweiterung für Xofluza

Baloxavir: Erstes Grippemittel auch für Risikopatienten

Stuttgart - 18.10.2019, 14:00 Uhr

Indikationserweiterung für Xofluza von Roche: Baloxavir hat in den USA als erstes und einziges Influenzapräparat auch die Zulassung speziell für Risikopatienten, bei denen eine Grippe komplikationsträchtiger ist.  (s / Foto: zinkevych / stock.adobe.com)

Indikationserweiterung für Xofluza von Roche: Baloxavir hat in den USA als erstes und einziges Influenzapräparat auch die Zulassung speziell für Risikopatienten, bei denen eine Grippe komplikationsträchtiger ist.  (s / Foto: zinkevych / stock.adobe.com)


Vor einem Jahr erhielt Roche die US-Zulassung für Baloxavir in Xofluza. Das Grippearzneimittel besticht durch ein Single-Dose-Regime mit einem völlig neuen Wirkansatz – auch wenn schon Resistenzen diskutiert werden. Bislang durfte Baloxavir nur zur Therapie der akuten unkomplizierten Influenza ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Künftig ist Xofluza in den USA – als erstes und einziges Grippemittel – auch bei Menschen mit einem hohem Risiko für grippebedingte Komplikationen zugelassen

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde hat die Zulassung von Baloxavir (XofluzaTM), einem Arzneimittel in der Influenzatherapie, erweitert: Nachdem die FDA XofluzaTM im Oktober 2018 in den USA zur Therapie der akuten, unkomplizierten Influenza bei Menschen ab einem Alter von zwölf Jahren, deren Influenzasymptome vor maximal 48 Stunden begonnen haben, zugelassen hatte, folgte sie jetzt Roches ergänzendem Antrag auf Zulassung (supplemental New Drug Application, sNDA) für XofluzaTM bei Risikopatienten. Künftig darf der CAP-Endonuklease-Inhibitor folglich auch bei Menschen mit hohem Risiko für Komplikationen durch eine Grippeinfektion – Erwachsene ab 65 Jahren oder für Menschen, die an Grunderkrankungen wie Asthma, chronischer Lungenerkrankung, krankhafter Adipositas oder Herzerkrankungen leiden – eingesetzt werden.

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Den Weg zur Indikationserweiterung ebnete Roche mit der Phase-III-Studie Capstone 2. Diese verglich die Einmaldosis Baloxavir (40 mg oder 80 mg) mit Oseltamivir (75 mg, zweimal täglich für fünf Tage) und Placebo. Die Patienten waren mindestens zwölf Jahre alt und mussten die CDC-Kriterien für ein hohes Risiko für grippebedingte Komplikationen erfüllen. Das heißt: Sie waren 65 Jahre und älter, waren schwanger oder hatten Grunderkrankungen wie Asthma, COPD, Diabetes, Schlaganfall und Herzerkrankungen, waren immunsupprimiert (HIV/Aids oder durch Therapie) oder hatten Krebs. Der primäre Endpunkt, die Zeit bis zur Besserung der Grippesymptome, wurde erreicht, und Baloxavir zeigte laut Roche eine bessere Wirksamkeit als Placebo.

Reduzierte Ansteckung aber Resistenzen?

XofluzaTM ist laut Roche die erste und einzige von der FDA-zugelassene Behandlungsoption speziell für Patienten mit einem hohen Risiko für grippebedingte Komplikationen. Oseltamivir (TamifluTM) hingegen hat in den USA – wie bislang auch Baloxavir – nur die Zulassung zur Behandlung der akuten, unkomplizierten Influenza, wenn die Influenzasymptome maximal seit zwei Tagen bestehen. Allerdings darf Oseltamivir bereits bei Säuglingen ab einem Alter von zwei Wochen eingesetzt werden, zur Influenzaprävention besteht die Zulassung ab einem Alter von einem Jahr. Jedoch bei Risikopatienten erklärt die FDA: „Die Wirksamkeit von Tamiflu bei Influenza bei Patienten mit chronischen Herzerkrankungen und/oder Atemwegserkrankungen ist nicht nachgewiesen“.

Auch die anderen beiden in den Vereinigten Staaten zugelassenen Neuraminidase-Inhibitoren, haben keine Zulassung für Influenzainfektionen bei Risikopatienten: RelenzaTM (Zanamivir) ist als Inhalationspulver zur Behandlung von akuten, unkomplizierten Influenza-A- und Influenza-B-Erkrankungen ab sieben Jahren zugelassen, RapivabTM (Peramivir) muss injiziert werden und darf bei akuter unkomplizierter Grippe ab zwei Jahren zum Einsatz kommen. Es ist zugelassen bei Patienten, die seit nicht mehr als zwei Tagen symptomatisch sind. „Die Wirksamkeit von Rapivab konnte bei Patienten mit schwerer Influenza, die einen Krankenhausaufenthalt erfordert, nicht nachgewiesen werden“, erklärt die FDA.

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Single-Dose-Regime wie XofluzaTM haben fraglos Vorteile, wenn es um die Adhärenz der Patienten geht. Dieses Argument führt auch Roche gern ins Feld. Allerdings hat die zulassungsrelevante Phase-III-Studie Capstone-1 (multizentrisch: USA und Japan, randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert), veröffentlicht im New England Journal of Medicine im September 2018, die hoffnungsvollen Aussichten etwas getrübt. Die Studie evaluierte die Sicherheit und Wirksamkeit von Baloxavir an 1.436 Patienten ohne Begleiterkrankungen ab einem Alter von zwölf Jahren und erreichte ihren Endpunkt – Zeit bis zur Besserung der Grippesymptome. Allerdings entwickelten sich in der Capstone-1-Studie bei 9,7 Prozent der Baloxavir-Patienten Mutationen, die ein geringeres Ansprechen auf Baloxavir zeigten. Welche klinischen Auswirkungen diese Escape-Mutanten haben, lässt sich derzeit noch nicht absehen, und zwar weder hinsichtlich der Infektiosität noch der Pathogenität der Influenzaviren.

Postexpositionsprophylaxe durch Xofluza

Gute Daten förderte hingegen die Blockstone-Studie zutage: Baloxavir scheint nicht nur in der Akuttherapie der Influenza zu wirken, sondern auch die Ansteckungsgefahr bei Grippe zu reduzieren. Die Studie untersuchte in der Grippesaison 2018/19 die Wirksamkeit von Baloxavir an nicht-infizierten Kindern und Erwachsenen in Japan, die jedoch einem influenzainfizierten Haushaltsmitglied ausgesetzt waren. Menschen, die prophylaktisch eine einmalige orale Dosis Baloxvir erhielten (Dosis nach Kilogramm Körpergewicht), erkrankten signifikant seltener an Grippe als Placebobehandelte. Der Nachweis erfolgte mittels eines Influenzaschnelltests. Bei 1,9 Prozent der Baloxavirbehandelten konnte innerhalb von zehn Tagen eine Influenzainfektion, Fieber und weitere grippetypische Symptome nachgewiesen werden, in der Placebogruppe waren es 13,6 Prozent. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse lag bei Baloxavir bei 22,2 Prozent im Vergleich zu 20,5 Prozent unter Placebo.

Wie wirkt Baloxavir

Baloxavir marboxil nutzt als Virustatikum einen bei Influenzaviren bislang nicht therapeutisch verwendeten Angriffspunkt: Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease und somit einen der ersten Schritte im Replikationszykus des Influenzavirus. Influenzaviren werden mittels Endozytose in die Wirtszelle aufgenommen. Anschließend erfolgt die Freisetzung des viralen Ribonukleoproteins ins Zytosol und in der Folge dessen der Import in den Nucleus. Dort findet – neben der Replikation viraler RNA – die Transkription des Influenzagenoms in virale mRNA statt. 

Ohne CAP, keine mRNA der Influenzaviren

Diese Transkription kann jedoch nicht ohne „Kappen“ beginnen, diese sogenannte CAP-Struktur dient als Primer, als Erkennungssequenz, für die virale RNA-Polymerase. Woher stammt diese CAP-Sequenz? Da Viren bekanntermaßen eine recht reduzierte Ausstattung besitzen, „stiehlt“ die virale Endonuclease diese CAP-Strukturen von der Wirtszelle, sprich der zellulären mRNA.
Zur Erinnerung: Eine Endonuklease schneidet DNA oder – wie im Falle von Influenzaviren – RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges und schafft somit Mehrfachnukleotide als Spaltprodukt.

Baloxavir verhindert virale Proteinbiosynthese

Hier greift Baloxavir marboxil ein: Es hemmt diese CAP-abhängige Endonuklease. Diese 5’-Kappen sind jedoch für mehrere Prozesse bedeutend: Sie schützen zum einen die mRNA vor dem Abbau. Zum anderen sind sie wichtig für den Transport der mRNA aus dem Zellkern hin zum Ribosom, wo die Proteinbiosynthese stattfindet. Somit resultiert als Effekt einer CAP-abhängigen Endonuklease-Hemmung: Eine Proteinbiosysnthese aus der viralen mRNA ist nicht möglich.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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