Verband fordert Änderungen

Druck auf Dänemarks Landapotheken nimmt zu

Remagen - 01.10.2019, 11:30 Uhr

Nach der Filialexplosion in Dänemark (das Mehrbesitzverbot wurde gelockert) bekommen nun einige Apotheken wirtschaftliche Probleme, weil das Vergütungsbudget überschritten wird. (m / Foto: DAZ.online)

Nach der Filialexplosion in Dänemark (das Mehrbesitzverbot wurde gelockert) bekommen nun einige Apotheken wirtschaftliche Probleme, weil das Vergütungsbudget überschritten wird. (m / Foto: DAZ.online)


In Dänemark hat sich die Anzahl der Apotheken in den letzten Jahren wegen einer Aufweichung des Mehrbesitzverbotes explosionsartig vermehrt. Insbesondere in den Städten gab es viele Neugründungen. Das freut die Patienten, setzt aber die Wirtschaftlichkeit des Sektors immens unter Druck, vor allem in ländlichen Gebieten. Der Apothekerverband fordert deshalb, dass das Vergütungsmodell, das den Gewinn der Apotheken reguliert, geändert werden muss.

Ob Niederlassungsbeschränkungen für öffentliche Apotheken die Versorgung verbessern oder verschlechtern, daran scheiden sich die Geister in vielen Ländern. Dänemark hat sich vor einigen Jahren für eine Lockerung entschieden. Die Dänen sollten einen leichteren Zugang zur Arzneimittelversorgung bekommen, so die Intention des europäischen Schlusslichts in Sachen Apothekendichte. (In Dänemark versorgen im Schnitt nur acht Apotheken 100.000 Menschen). Das hat auch geklappt, aber mit unerwünschten Begleiterscheinungen, wie der dänische Apothekerverband nun mitteilt.

Sieben statt vier Filialapotheken erlaubt, Neueröffnungen meistens in Städten

Um welche Neuregelung geht es? Im Jahr 2015 ist in Dänemark das Apotheken-Modernisierungsgesetz in Kraft getreten, mit dem auch das Mehrbesitzverbot gelockert wurde. Seitdem die Apotheken nun statt vier sieben Filialapotheken haben dürfen, wurden 176 neue Apotheken eröffnet, eine Steigerung um 56 Prozent (2015: 312 Apotheken bzw. Filialen). Allerdings siedelten sich diese vorwiegend in den Großstädten an, wie eine Analyse des Apothekerverbandes (Danmarks Apotekerforening) zeigt. Trotzdem soll sich die Erreichbarkeit der Apotheken für die Bürger in weiten Teilen des Landes verbessert haben.

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Längere Öffnungs- und kürzere Wartezeiten

Die Kehrseite der Medaille: Damit ist auch eine verschärfte Wettbewerbssituation eingetreten. Das Gesetz beinhaltete unter anderem die Möglichkeit, die Öffnungszeiten zu verlängern, die offenbar breit genutzt wird. Im Jahr 2015 waren 175 Apotheken länger geöffnet als gesetzlich vorgeschrieben (mindestens 47 Stunden für Stadtapotheken und mindestens 44,5 Stunden für andere Apotheken und Filialen). Heute haben 307 Apotheken länger auf als sie müssen. Dies entspricht einer Steigerung von 75 Prozent. Auch die Öffnungszeiten über das Wochenende wurden erheblich erweitert. Derzeit haben 169 Apotheken samstags länger als vier Stunden geöffnet, gegenüber 53 vor fünf Jahren. Fast 100 Apotheken sind auch sonntags regulär für die Kunden da. Dabei haben sich nach der Analyse des Verbandes die Wartezeiten für die Kunden deutlich verkürzt, und zwar von fünf auf zweieinhalb Minuten.

So weit zu den positiven Entwicklungen aus Sicht der Patienten und Verbraucher. Aber wie sieht es hinter den Kulissen der Offizinen aus? Der dänische Apothekerverband befürchtet, dass diese Entwicklung gerade die Existenz der Offizinen in ländlichen Gegenden gefährden könnte, denn die Entwicklung vollzog sich, ohne dass das Wirtschaftsmodell der Apotheken entsprechend angepasst wurde. 

Vergütungsmodell der Apotheken

Dieses Vergütungsmodell gründet sich auf die sogenannte Bruttogewinn-Vereinbarung, die der dänische Apothekerverband mit dem Ministerium für Gesundheit und ältere Menschen für jeweils zwei Jahre abschließt. Der zentrale Mechanismus der Vereinbarung besteht aus zwei Elementen. Das erste Element, der Gewinnrahmen (Budget), legt fest, wie viel Gewinn die gesamte Apothekenbranche aus dem Verkauf von Arzneimitteln und dem Nebensortiment ziehen darf. Im Jahr 2019 belief sich der Rahmen auf 2,68 Milliarden dänische Kronen. Er soll die Ausgaben für das Gehalt des Apothekenleiters, Miete bzw. Eigentumsunterhalt, Versicherungen, usw. decken. Das zweite Element ist ein Fixaufschlag pro abgegebener Arzneimittelpackung. Wird der Gewinnrahmen in einem Jahr überschritten, so wird als Ausgleichsmaßnahme der Fixaufschlag heruntergesetzt.

Gefährliche Abwärtsspirale

In den letzten Jahren ist dies mehrfach passiert. Die Folge: Der Fixaufschlag, der 2015 noch bei 10,96 Dänische Kronen pro Packung gelegen hatte, beträgt für 2019 nur noch 5,46 Kronen. Er hat sich also in den letzten fünf Jahren halbiert. De facto bedeutet dies, dass die Apotheken in den letzten Jahren sukzessive immer weniger mit der Abgabe von Medikamenten verdient haben. Den Ausfall kompensieren sie durch interne Sparmaßnahmen und durch verstärkte Verkäufe im Nebensortiment. Damit konnten aber offenbar die Gewinne sogar noch gesteigert werden. Das Ergebnis ist aus der Sicht des Apothekerverbandes ein unerwünschter Fehlanreiz und eine gefährliche Abwärtsspirale, zu Lasten der ureigenen Aufgaben der Apotheken, nämlich eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu liefern.

Schließungen von Landapotheken drohen

Die Leidtragenden sind speziell die Apotheken in ländlichen Gebieten, denn sie reagieren besonders empfindlich auf den schrumpfenden Fixaufschlag, weil sie den Umsatz durch den Verkauf im Nebensortiment der Apotheke nur bedingt steigern können. Die Apotheken in den Städten bekommen also bei dem Modell einen größeren Teil vom Kuchen ab als die Landapotheken, bei denen eher mehr Arzneimittel abgegeben werden. „Wenn man in Kopenhagen mehr Sonnencreme verkauft, bekommt der Apotheker in Nérre Snede weniger für die Medikamente“, beschreibt die Präsidentin der Apothekervereinigung Anne Kahns die groteske Situation.

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Wächst der Umsatz im Nebensortiment im gleichen Tempo weiter wie bisher, mit der beschriebenen nachteiligen Auswirkung auf den Fixaufschlag, so droht nach Berechnungen von „Danmarks Apotekerforening“ 35 Apotheken in ländlichen Gebieten die Schließung, weil deren Betrieb nicht mehr rentabel sein wird. 

Neuer Gesundheitsminister soll helfen

Der Apothekenverband hat sich im August mit dem neuen dänischen Gesundheitsminister Magnus Heunicke getroffen, um auszuloten, wie Apotheken in Zukunft Teil der Lösung der Herausforderungen des dänischen Gesundheitswesens sein können. Bei dieser Gelegenheit betonte Anne Kahns gegenüber dem Minister, dass die derzeitige wirtschaftspolitische Steuerung der Apothekenvergütung Gefahr laufe, sowohl die Arzneimittelsicherheit als auch den einfachen Zugang der Dänen zur örtlichen Apotheke zu untergraben. Das Modell müsse bei den anstehenden Verhandlungen über den Finanzrahmen der Apotheker unbedingt angepasst und der Rahmen erweitert werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Schliessungen von Landapotheken.

von Roland Mückschel am 01.10.2019 um 12:19 Uhr

Also irgendwie kann man das auch auf das
deutsche System übertragen.
Die deutschen Landapotheken werden nicht dadurch
gestärkt dass irgendwelche Schwätzer versuchen
die Lage hier zu beschönigen: trotz massenhafter
Schliessungen ist die Versorgung nicht gefährdet, oder ähnlich stimmiges.
Die Landapotheken brauchen den Plan C der Basisapotheker. Mehr Geld für die Vorortversorgung.

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