Arzneiverordnungs-Report 2019

Kritischer Blick auf patentgeschützte Arzneimittel

Berlin - 24.09.2019, 17:09 Uhr

Die AVR-Autoren Ulrich Schwabe (li.) und Wolf-Dieter Ludwig sehen die Entwicklungen im Arzneimittelmarkt kritisch. (m / Foto: ks / DAZ.online)

Die AVR-Autoren Ulrich Schwabe (li.) und Wolf-Dieter Ludwig sehen die Entwicklungen im Arzneimittelmarkt kritisch. (m / Foto: ks / DAZ.online)


Hände weg von Oxycodon, Morphin ist der Goldstandard

Aber Schwabe ärgert sich auch, dass vermeintliche Innovationen eingesetzt werden, obwohl ältere Arzneimittel noch immer der Goldstandard sind. So appellierte er dringend an die Ärzte, die Finger von dem Opioidanalgetikum Oxycodon zu lassen – das Arzneimittel, das wegen seines Suchtpotenzials seit geraumer Zeit für erschreckende Schlagzeilen in den USA sorgt. „Kehren Sie zurück zu Morphin, das ist evidenzbasierte Medizin!“, betonte Schwabe. In der aktuellen Europäischen Leitlinie für Krebsbehandlungen werde Morphin weiterhin als Opioid der ersten Wahl bei schweren Tumorschmerzen empfohlen.

Noch schlimmer sieht es laut Schwabe aber bei den Nichtopioidanalgetika aus: Hierzulande werde fast nur noch Metamizol verordnet. Dabei sei Metamizol in vielen Ländern wegen tödlicher Agranulozytosen verboten oder nie zugelassen.

Orphan Drugs weiterhin im Aufwind

Professor Wolf-Dieter Ludwig, Onkologe, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und ebenfalls AVR-Herausgeber, kritisierte überdies die seit einiger Zeit zu beobachtende Entwicklung bei Orphan-Drugs. Herstellern werden Anreize gesetzt, Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen zu entwickeln: Zehn Jahre Marktexklusivität etwa, zudem gibt es oft Fördergelder. Als die Regelung eingeführt wurde, war dies sicher ein wichtiger Anschub – aber heute müsse man sich fragen, ob die Anreize noch stimmen. Denn die Umsätze wachsen enorm, 2018 lag der Anteil der Orphan Drugs am GKV-Arzneimittelmarkt bei 8,9 Prozent – dabei, so Ludwig, liege ihr Verordnungsanteil nur bei 0,05 Prozent. 

Besonders kritisch ist aus Sicht des Mediziners, dass Orphan-Zulassungen oft auf einer wackeligen Studienlage beruhen: „Patienten sind hier mitunter erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt.“ Das findet Ludwig auch mit Blick auf die zunehmend häufigen beschleunigten Zulassungen für Arzneimittel. Hier müsse es dringend unabhängige Post-Marketing-Studien geben, so Ludwig. Doch diese Forderung ist noch unerhört.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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