Bottroper Zyto-Skandal

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Eltern von Peter S. ein

Berlin - 18.09.2019, 14:45 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelte in zwei Angelegenheiten auch gegen die Eltern des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. Diese Ermittlungen werden nun nicht weitergeführt. (c / Foto: Imago images / Jochen Tack)

Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelte in zwei Angelegenheiten auch gegen die Eltern des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. Diese Ermittlungen werden nun nicht weitergeführt. (c / Foto: Imago images / Jochen Tack)


In Zuge des Strafprozesses gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. waren auch seine Eltern in Verdacht gekommen: Die beiden Apotheker lagerten offenbar im Privatkeller große Mengen Arzneimittel. Außerdem ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die Mutter wegen Beihilfe zu Taten ihres Sohnes – doch die Vorwürfe erhärteten sich bislang nicht.

Im Verfahren gegen den Bottroper Apotheker Peter S. vor dem Landgericht Essen hatten Zeugenaussagen ergeben, dass größere Mengen Arzneimittel im Privatkeller der Eltern des Apothekers lagerten – beide selbst Pharmazeuten. Die Bezirksregierung Münster nahm sich der Vorgänge an. „Da aus unserer Sicht hinreichende Verdachtsmomente für einen unerlaubten Arzneimittelgroßhandel vorlagen, haben wir eine entsprechende Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt“, erklärt eine Sprecherin. Die Staatsanwaltschaft Essen leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein – auch gegen die Mutter: Diese hatte früher selbst die Apotheke geführt und soll auch danach noch genaue Einblicke in die Geschäftstätigkeiten ihres Sohnes gehabt haben.

Mangels hinreichenden Tatverdachts seien die Verfahren gegen die Eltern vor einigen Tagen jedoch eingestellt worden, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft nun jedoch gegenüber DAZ.online. Das betreffe sowohl die Anzeige der Bezirksregierung gegen beide Eltern hinsichtlich der Lagerung von Medikamenten im Privat-Keller „als auch den Vorwurf gegen die Mutter, Beihilfe zu den Taten des Sohnes geleistet zu haben“, sagt sie.

In Hinblick auf den ersten Vorwurf habe das Problem darin bestanden, „dass alleine die Lagerung kein Handelstreiben von Arzneimitteln ist“. S. hatte laut dem erstinstanzlichen Urteil in tausenden Fällen unterdosierte Krebsmittel hergestellt – offenbar auch mit den Mitteln im Keller, die teils abgelaufen gewesen sein sollen. Die Staatsanwaltschaft hatte auch geprüft, ob sich die Eltern des Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel mitschuldig gemacht haben. Dies lehnte die Anklage aber ab, „weil eine absichtliche aktive Übertragung eher fernliegt“, sagt die Sprecherin. „Wenn der Angeklagte sich etwas aus dem Bestand genommen haben sollte, ist das den Eltern nicht zuzurechnen.“

„Alle, die dazu etwas sagen könnten, schweigen“

Bezüglich der Vorwürfe gegen die Mutter, von den Taten des Sohnes gewusst und diesen unterstützt zu haben, erklärt sie: „Es gibt niemand, der den Verdacht erhärtet – weil alle, die dazu etwas sagen könnten, schweigen.“ Auch im Prozess habe kein Zeuge ausgesagt, dass die Mutter Krebsmittel hergestellt oder in Verkehr gebracht hätte – auch wenn es Hinweise gegeben habe, dass sie tiefe Einblicke in die Geschäfte gehabt habe. Peter S. war auch wegen massiven Abrechnungsbetrugs bei den Krankenkassen verurteilt worden, da er laut dem Urteil des Landgerichts vielfach nicht korrekt hergestellte Zytostatika von den Kassen erstatten lies. Eine Mittäterschaft der Mutter sei nicht nachzuweisen, sagt die Sprecherin: Es gebe keine Belege, dass sie gewusst habe, dass und welche der Verordnungen nicht korrekt ausgeführt wurden.

„Die Staatsanwaltschaft Essen hat die Bezirksregierung Münster über die beabsichtigte Einstellung des Verfahrens unterrichtet“, erklärt die Aufsichtsbehörde. Sie will jedoch nicht weiter aktiv werden. „Da sich die Verdachtsmomente im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht hinreichend bestätigt haben, ist auch keine Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens beabsichtigt.“

Porwoll: Ich wurde nicht gefragt

Allerdings sagt der frühere kaufmännische Leiter der Apotheke Martin Porwoll, der zusammen mit der PTA Marie Klein den Fall ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hatte, er sei in dieser Sache nicht befragt worden. „Die Staatsanwaltschaft hat mich in Bezug auf die Ermittlungen gegen die Eltern niemals kontaktiert“, erklärt er gegenüber DAZ.online. „Insofern hat sie mich auch nicht zu den abgelaufenen Wirkstoffen im Privatkeller der Eltern befragt.“

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe erklärt auf Nachfrage, sie habe weder von einem Verfahren gegen die Eltern noch von einem Verfahrensabschluss Kenntnis. „Damit gibt es für uns auch keine Handhabe für die Bewertung eines berufsrechtlichen Überhangs“, erklärt ein Sprecher.

Neue Ermittlungen gegen Eltern nicht ausgeschlossen

Während das Strafverfahren gegen Peter S. aufgrund von Revisionen der Verteidigung und von Nebenklägern derzeit zum Bundesgerichtshof geht, führt die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsverfahren gegen frühere Mitarbeiter des Apothekers. Doch auch gegen die Eltern könnte womöglich wieder ermittelt werden. „Wenn sich in den Verfahren neue Gesichtspunkte ergeben, können wir die Ermittlungen wieder aufnehmen“, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Vergleichsstudie zu Heilungsraten verzögert sich

Von Patienten, die Krebsmittel aus der Apotheke von Peter S. erhalten haben, war vielfach die Durchführung einer sogenannten Fallkontrollstudie gefordert worden, die die Krankheitsverläufe von ihnen mit jenen von Patienten vergleicht, die aus anderen Apotheken beliefert wurden. Eine Voruntersuchung der AOK Rheinland/Hamburg hatte teils leichte Auffälligkeiten gezeigt. Das Landesgesundheitsministerium in Düsseldorf hatte diese schließlich in Auftrag gegeben. „Nach derzeitigem Stand ist mit Ergebnissen der Vergleichsstudie nicht vor Ende 2019 zu rechnen“, erklärt eine Sprecherin von Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann. „Nach Abschluss der Studie wird das Auftragsinstitut die Ergebnisse in geeigneter Weise veröffentlichen.“

Am gestrigen „Tag der Patientensicherheit“ hatte sein Ministerium eine Pressemitteilung verschickt: „Patientinnen und Patienten erwarten zu Recht, dass sie im Krankenhaus und in der Arztpraxis gut und sicher versorgt werden“, erklärte Laumann in der Mitteilung. „Politik, Ärzteschaft, Krankenhäuser“ seien sich „ebenso wie Krankenkassen, Patientenvertretungen und Industrie“ einig, dass die Patientensicherheit und Patientenorientierung Leitgedanken bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sein müssten. Apotheken oder auch den Bottroper Skandal erwähnte das Ministerium dabei jedoch mit keinem Wort.

„Für Minister Laumann spielt das Thema Patientensicherheit in allen Bereichen des Gesundheitswesens eine wichtige Rolle“, erklärt die Ministeriumssprecherin auf Nachfrage – „insbesondere in Apotheken und bei Arzneimitteln“, heißt es nun. Bei den in der Pressemitteilung genannten Orten und Berufsgruppen habe es sich um eine „beispielhafte Aufzählung“ gehandelt, die andere Berufsgruppen nicht ausschließe.

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* Hinweis der Redaktion: Die Angaben von Martin Porwoll wurden nachträglich eingefügt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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