Arzneiverkauf auf Amazon Marketplace

NRW-Datenschutzbehörde überprüft Versandapotheken

Berlin - 13.09.2019, 07:00 Uhr

Versandapotheken, die auch Handelsplattformen wie den Amazon Marketplace nutzen, sind ins Visier der NRW-Datenschützer geraten. (Foto: BVDVA)

Versandapotheken, die auch Handelsplattformen wie den Amazon Marketplace nutzen, sind ins Visier der NRW-Datenschützer geraten. (Foto: BVDVA)


Der Verkauf nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf dem Amazon Marketplace durch deutsche Versandapotheken ist rechtlich nicht ganz banal. Schließlich gibt der Kunde bei einer Arzneimittelbestellung sensible Daten preis – und wer gesundheitsbezogene Daten speichern oder nutzen will, bedarf einer entsprechenden Einwilligungserklärung. Ob der OTC-Verkauf über den Marketplace zulässig ist, beschäftigt derzeit die Gerichte. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen hält den Verkauf offensichtlich für unzulässig – und schreibt nun Versandapotheken in NRW an.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) sowie die Rechtsanwaltskanzlei Zirngibl, die dem BVDVA rechtsberatend zur Seite steht, informieren derzeit auf ihren Webseiten, dass Versandapotheken in Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen Post von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) erhalten haben. Die Behörde verlange von ihnen Auskunft zum Verkauf von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Internetplattform Amazon. 

Laut Rechtsanwalt Dr. S. Dennis Engbrink hält die LDI NRW den Verkauf aus datenschutzrechtlichen Gründen für unzulässig, weil Gesundheitsdaten ohne eine besondere Einwilligung der Kunden verarbeitet würden. Dabei berufe sie sich auf ein Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom März vergangenen Jahres. Das Gericht hatte erstinstanzlich (nicht rechtskräftig) entschieden, dass der Vertrieb apothekenpflichtiger Medikamente über den Amazon Marketplace wegen der Verletzung von datenschutzrechtlichen Vorschriften unzulässig sei, solange nicht sichergestellt werde, dass der Kunde beim Bestellvorgang seine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten erteile.

Dieses Urteil hatte der Münchener Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen einen Versandapotheker aus Gräfenhainichen erwirkt. Dagegen hat der unterlegene Versandapotheker Berufung eingelegt. In einem anderen Gerichtsverfahren, ebenfalls von Vogel gegen einen Versandapotheker in Sachsen-Anhalt geführt, hatte das Landgericht Magdeburg die Klage dagegen abgewiesen. Hier hielt man den Münchener Apotheker mit Blick auf seine datenschutzrechtlichen Rügen bereits für nicht klagebefugt: Die DSGVO sei „ein abschließendes Sanktionssystem, welches nur der Person, deren Rechte auf informationeller Selbstbestimmung verletzt worden sind, oder der Aufsichtsbehörde oder der Klage eines Verbandes eine Rechtsdurchsetzung erlaubt“. 

Soweit sich Vogel darauf berief, der Versandapotheker habe gegen weitere Verbote verstoßen, hielten die Richter die Klage zwar für zulässig, in der Sache aber für nicht begründet. Kommende Woche Dienstag wird sich das Oberlandesgericht Naumburg gleich mit beiden Fällen befassen und über beide Berufungen verhandeln. Wie die Entscheidung ausfällt, ist noch nicht absehbar – und der Weg zum Bundesgerichtshof steht anschließend beiden Seiten offen. 

Datenschutzbehörde prüft unabhängig und stichprobenartig

Für LDI NRW war das Dessauer Urteil dennoch schon einmal Anlass „als unabhängige Datenschutz-Aufsichtsbehörde“ tätig zu werden. Ein Sprecher bestätigte gegenüber DAZ.online, dass das LDI derzeit „stichprobenartige Überprüfungen bei Apotheken in NRW“ durchführe, die verschreibungsfreie Medikamente mittels der Plattform Amazon Marketplace bewerben und veräußern. Angesichts der noch laufenden Überprüfung will sich die Behörde allerdings noch nicht zu Einzelheiten äußeren.

BVDVA: Auskunftsverlangen erst nach anwaltlicher Beratung beantworten

Die Versandapotheken sind jedoch alarmiert. Auch Rechtsanwalt Engbrink mahnt: „Durch das Vorgehen der Datenschutzbehörde wird das Vertriebsmodell von Versandapotheken gefährdet, die auf Internetplattformen apothekenpflichtige Produkte verkaufen“.

Er rät den betroffenen Versandapotheken, sich insbesondere vor einer Antwort auf ein sogenanntes Auskunftsverlangen der Datenschutzbehörde juristisch beraten lassen. Denn es gebe durchaus Risiken, gegen die man eine „Abwehrstrategie“ entwickeln sollte. So könne die Behörde zum Beispiel die Datenverarbeitung untersagen, die auf ein „Amazon-Verkaufsverbot“ hinausliefen, zudem Bußgelder verhängen oder den Vorgang zum Anlass nehmen, die Apotheke umfassend einer Prüfung zu unterziehen, ob sie die Vorgaben der DSGVO einhält. Diesen Rat gibt auch der BVDVA den Versandapotheken auf der eigenen Webseite weiter.

Laut Engbrink sprechen gute Gründe gegen die Annahme, dass beim Verkauf von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten auf Amazon „Gesundheitsdaten“ im Sinne der DSGVO verarbeitet werden. Wenn man so argumentiere, müsste beispielsweise auch der Verkauf von laktosefreier Milch ohne besondere Einwilligung des Kunden datenschutzrechtlich unzulässig sein. Schließlich könnte auch der Kauf von laktosefreier Milch Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Bestellers zulassen. „Ein derart weites Verständnis von ‚Gesundheitsdaten‘ ist rechtlich zweifelhaft“, so der Anwalt. Zudem sei beim Onlinekauf von OTC nicht zwingend davon auszugehen, dass der Besteller die Medikamente selbst einnehme.

Engbrink glaubt, dass die Klärung der Rechtslage noch einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Was die genannten anhängigen zivilrechtlichen Verfahren angeht, geht er davon aus, dass hier der Bundesgerichtshof angerufen wird. Denkbar sei auch, dass in dieser Sache der Gerichtshof der Europäischen Union mit einer Vorlage zur Auslegung von unionsrechtlichen Vorschriften befasst werde.

Versandapotheken, die nun ins Visier der Datenschutzbehörden geraten sind, müssten auch in Betracht ziehen, ihr Vertriebsmodell im Konfliktfall zu verteidigen und die streitigen Fragen notfalls einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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