36 Prozent mehr Packungen

Importmarkt wächst überproportional – liegt das am Rahmenvertrag?

Stuttgart - 09.09.2019, 12:59 Uhr

Der neue Rahmenvertrag sorgt dafür, dass zwei wirkstoffgleiche patentgeschützte Originale und ihre Importe in den Generikamarkt einsortiert werden. Das führt oft zur Abgabe eines Imports.  (s/ Foto: gpointstudio/ stock.adobe.com)

Der neue Rahmenvertrag sorgt dafür, dass zwei wirkstoffgleiche patentgeschützte Originale und ihre Importe in den Generikamarkt einsortiert werden. Das führt oft zur Abgabe eines Imports.  (s/ Foto: gpointstudio/ stock.adobe.com)


Zahlen von IMS Pharma Scope zufolge wurden im Juli 2019 deutlich mehr Importarzneimittel abgegeben als im Vormonat. Der Sprung fällt sowohl im Vergleich zu den Quartalsanfängen der letzten zwölf Monate überproportional aus als auch im Vergleich zum Gesamtmarkt. Es liegt der Verdacht nahe, dass der neue Rahmenvertrag, nach dem zwei wirkstoffgleiche patengeschützte Originale und ihre Importe in den Generikamarkt einsortiert werden, eine Rolle spielt.

Die Arzneimittelimporteure können sich freuen. Denn sie können im Juli ein deutliches Absatzplus im Vergleich zum Vormonat verzeichnen, das weit über den üblichen Sprung zum Quartalsbeginn hinausgeht. So wurden Zahlen von IMS Pharma Scope® zufolge im Juli 2019 rund 2,01 Millionen Packungen Importarzneimittel zulasten der GKV abgegeben, das ist im Vergleich zum Vormonat ein Sprung um 36 Prozent – deutlich höher als der übliche Zuwachs zum Quartalsbeginn –  und die höchste abgegebene Packungszahl innerhalb des letzten Jahres. Insgesamt legte die Packungszahl um 17 Prozent zu auf 62,12 Millionen – ein Wert der beispielsweise im Oktober 2018 und Januar 2019 übertroffen wurde. Bei den Nicht-Importen war ein Anstieg um 16 Prozent zu verzeichnen. Hier die Zahlen im Detail: 

  • Quartalssprung 2/3 2018: Importe +5 Prozent / Nicht-Importe +2 Prozent / Gesamtmarkt + 2 Prozent
  • Q 3/4 2018: +17/+15/+15
  • Q 4 2018/ Q1 2019: +16/+12/+12
  • Q 1/2 2019: +8/+4/+4
  • Q 2/3 2019 +36 /+17 /+17

Ist der Rahmenvertrag schuld?

Der Verdacht liegt nahe, dass eine „Unschärfe“ im Rahmenvertrag, der seit 1. Juli in Kraft ist, zumindest mit eine Rolle spielt. Darum geht es: Zwei wirkstoffgleiche patentgeschützte Originale und ihre Importe werden nach dem neuen Rahmenvertrag in den Generikamarkt einsortiert – eine Regelung, die wohl unbeabsichtigt dort hineingeraten sein soll, nun aber dazu führt, dass ohne Rabattvertrag eines der vier preisgünstigsten Mittel abgegeben werden muss. 

Das namentlich verordnete ist nur noch möglich, wenn es zu diesen vier günstigen Präparaten gehört. In vielen Fällen kommt dann ein Import zur Abgabe – nicht unbedingt zur großen Freude der Apotheker. So haben sie aufgrund der vorher geltenden Regelungen die Originalarzneimittel an Lager, dürfen sie aber aufgrund der neuen Abgaberegelungen nicht mehr abgeben. Die Importe an Lager zu legen, birgt insofern ein Risiko, dass sich die vier preisgünstigsten Arzneimittel alle zwei Wochen ändern können und dann wiederum ein anderes (preisgünstigeres) Arzneimittel abzugeben ist. Dazu kommt der erhöhte Beratungsaufwand beim Patienten und dass viele Importe mit AV gekennzeichnet oder nicht lieferbar sind, was der Apotheke wiederum Dokumentationsaufwand beschert. Aus DAV-Kreisen war zu hören, dass hier nachgebessert werden soll, aber konkrete Signale, dass tatsächlich etwas passiert, gibt es bislang nicht. 

Zudem könnte auch die ebenfalls im Rahmenvertrag neu geregelte Importförderklausel Einfluss auf die Absatzzahlen haben.

Industrie kritisiert „zweite Importförderklausel“ 

Auch seitens der Industrie wird die rahmenvertragsbedingte verpflichtende Importabgabe beim Co-Marketing kritisiert. So sei de facto eine zweite „Importförderklausel“ eingeführt, heißt es aus Industriekreisen. Vor dem Hintergrund der Debatte um eine mögliche Abschaffung der Importförderklausel aus Sicherheitsgründen sei das ein Widerspruch. Der Parallelimportmarkt gilt ohnehin als ein potenzielles Einfallstor für Arzneimittelfälschungen. Viele Marktbeteiligte fordern die Abschaffung der Förderklausel, auch wegen des angeblich geringen Einsparpotenzials. Selbst der GKV-Spitzenverband forderte in der Bundestagsanhörung zum GSAV eine Abschaffung der Parallelimportförderklausel.

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Auch die Tatsache, dass Importe von Biologika und parenteralen Zytostatika trotz der eigentlich bereits beschlossenen Ausnahme von der Importförderung immer noch auf die Importquote des Apothekers angerechnet werden, wird von den Industrieverbänden als weiterer Widerspruch zur Debatte rund um die Abschaffung der Reimportförderung erachtet. 

Durch ein redaktionelles Versehen soll diese Ausnahmeregelung nach dem jetzigen Gesetzeswortlaut nämlich erst 2022 wirksam werden – doch das BMG kündigt bereits an: „Das Inkrafttreten wird gesondert geregelt“. Im November könnte das der Fall sein. Hier sollte auch der Rahmenvertrag den Willen des Gesetzgebers widerspiegeln und dringend, zumindest diese beiden Arzneistoffgruppen von der Anrechenbarkeit auf die Importquote ausnehmen, heißt es aus Industriekreisen.            



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

ein bisschen Aufklärung

von Jörg Geller am 10.09.2019 um 14:35 Uhr

Ich finde es absolut selbstverständlich, dass sich die Industrie gegen Importarzneimittel wendet. Arzneimittelimport hindert die Industrie seit Jahrzehnten daran, jeden Preis durchzusetzen. Folge sind direkte und indirekte Ersparnisse von gesamt etwa 3 Milliarden Euro pro Jahr. Falsch ist aber, dass die GKV für die Abschaffung der Regelung des § 129 SGB V war. Der mittlerweile pensionierte Herr von Stackelberg hat auf einer Anhörung nicht die Meinung seines Verbandes vertreten, sondern seine in diesem Zusammenhang unmaßgebliche Privatmeinung. Dafür ist er anschließend von den Mitgliedskassen deutlich abgewatscht worden.
Was die unechten Generika betrifft, teilen die Importeure die Kritik der Industrie an der Zuordnung zum generischen Markt. Zwar betrifft das lediglich zwei Hände voll Produkten, stellt aber die Importeure in diesen Fällen vor die unlösbare Herausforderung, bis zu 100 Prozent des Marktes zu bedienen. Wir haben die Vertragsparteien aufgefordert, eine Änderung der Regelung ins Auge zu fassen.

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Importförderung

von Hermann Balleis am 10.09.2019 um 10:23 Uhr

jetzt fällt mir zu Punkt 10 doch noch was ein:
DAK Barmer und z.B. auch TKK machen Rabattverträge mit Importfirmen, oft listigerweise ohne den Originalhersteller.
Wenn nun der Arzt glaubt mit einem X Austauschvebot ein Original zu bekommen zu müssen, gibt es für die Apotheke eine sehr teuere Retax wegen Nichtabgabe Rabatt AM.
Original und Import sind JURISTISCH gedacht identisch, also kann das Austauschberbot nicht wirken. Nur mit dem ärztlichen Zusatz "aus medizinisch therapeutischen Gründen kein Austausch (gegen Import) erwünscht" kann eine Retax vermieden werden. Und das gilt nur für VdEK nicht GKV Kassen!
Mit solchen Einspartricks kann kein Rabattvertrag mithalten.
(Belieferung zum Nulltarif!!) Wir habe eine solche Retax bei Dysport /Barmer über ca 1000 Euro

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Importförderung

von Hermann Balleis am 09.09.2019 um 21:00 Uhr

Jetzt fällt mir noch Punkt 8 und 9 ein
Ärzte verorden gerne die Firmen aphabetisch.und oder preisgünstigst.
Klar daß da Importfirmen zuerst angeklickt werden. Problem ist da nur der Preisanker bei abgegrasten Blligmarkt. Die doofen Apotheker bitten unentwegt um Anhebung, um was verkaufen zu können.
9. Wenn manche Präparate nicht lieferbar sind, sind es raffgierige Apotheker und Großhändler die DEUTSCHE Arzneimittel ins Ausland verhökern.
10. wer noch was weis, darf da weitermachen

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Importförderung

von Hermann Balleis am 09.09.2019 um 20:17 Uhr

Es gibt folgende Gründe für den Boom
1. Einsparziel wurde erhöht ohne Abschätzbarkeit ob man es ohne Malus erreichen kann. (Geschwindikeitsbegrenzung ohne Tacho führt zu extrem langsamer Fahrweise)
2: Die Billigst Regel des Generika/Importmarkts wird irrtümlicherweise auf den reinen Importmarkt wegen mangelnder Aufklärung übertragen.
3.Securpahrm erhöht (scheinbar) die Fälschungsicherheit
4. Securpharm macht durch den Zwang zu neuen Faltschachteln Schluß mit dem "Frankenstein Design" früherer Importe. Die Akkzeptanz ist allgemein erhöht.
5.Die Nichtlieferbarkeit vieler Originale und Generika bringt Importe ins Auswahlfeld.
6. Originalhersteller sponsern bestimmte Importfirmen, um den restlichen das Wasser abzugraben (Abacus, Oripharm ??
grenzt allerdings mehr an Verschwörungstheorie.)
7. Null moralische Gewissensbisse bei den Kassen und Politikern, anderen Ländern dringend benötigte Medikamente zu stehlen.
8. da gibts noch mehr: soll aber vorerst genügen!

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Kein Jurist glaubt's, dem man das erzählt

von Wolfgang Müller am 09.09.2019 um 17:53 Uhr

Die "Unschärfe" im Gesetz bzgl. der Co-Marketing-Reimporte ist zumindest von einigen fachkundigen Kolleg/innen unmittelbar nach In-Kraft-Treten des Vertrages als ausdrücklicher FEHLER erkannt worden, weil der Tatbestand "Co-Marketing" schlicht und ergreifend nicht berücksichtigt wurde.

Ein recht bedenklicher Fehler, weil diese Nicht-Berücksichtigung nun zu einer ausdrücklichen FALSCH-Behandlung der entsprechenden Produkte führt, die der Regelungsabsicht des Vertrages vollkommen klar widerspricht.

Solch ein Fehler an sich ist nicht schlimm, das gibt es in jedem großen Regelungs-Werk. Wer Angst vor solchen Fehlern hat, darf keine Verträge schließen, letztlich also: keine größeren Geschäfte machen.

Normalerweise wird das bei so extrem eindeutigem Tatbestand wie hier unverzüglich per Federstrich im Geiste des Vertrages korrigiert bzw. präzisiert. Kein Thema unter erwachsenen Vertragspartnern und deren Juristen.

Mir bleibt weiter vollkommen unverständlich, wie der Fach-Medien-Mainstream und viele Kollegen über Wochen berichten, fortbilden bzw. schlucken konnten, dass dieser Blödsinn eine von den Vertragspartnern beabsichtigte Regelung sein könnte!

Noch viel unerklärlicher ist, dass von unseren Vertrags-Verantwortlichen Monate später immer noch keine Bereinigung vorliegt.

Was sehr konkret und unumkehrbar heißt, dass Umsätze bereits en masse in die falsche Richtung geleitet wurden. Dieser Schaden ist also bereits irreversibel entstanden, dumm genug gelaufen.

Allerschlimmstenfalls sind aber sogar jede Menge Retaxe entstanden, wenn entsprechend gesundem Menschenverstand gemäß der eigentlichen Regelungsabsicht des Vertrages abgegeben wurde. Letzteres könnte und müsste der DAV nun allerdings leicht in den Griff bekommen, indem er die juristisch einzig logische, rückwirkende, sozusagen heilende Regelung veranlasst.

Es ist dies ein kleines, aber feines Beispiel dafür, dass es bei "Uns" im Kaufmännischen nicht von selber funktioniert.

Wie hier im Kleinen, so ist es eben im Großen auch (z. B.: Verkauf der Gleichpreisigkeit gegen "Neue Dienstleistungen" im ersten ABDA/Spahn-Geheimpakt; Ignorieren des 2HM-Gutachtens): Was konkret im Hier und Jetzt für die Arbeit normaler Apotheken kaufmännisch Überlebens-wichtig ist, hat nie eine angemessen hohe Bedeutung im ABDA-Umfeld.

Nicht wir zumindest einigermaßen "richtigen" Kaufleute hier in den Foren sind die unsoliden Querulanten, sondern die Vorgehensweise des ABDA-Umfeldes ist leider zu wenig solide, wenn es um eigentlich selbstverständliche betriebswirtschaftliche Sachen geht. So unsolide, und DAUERND unsolide, dass einem als externer Experte UND betroffener Vor-Ort-Apotheker gar nichts anderes übrig bleibt, als in all diesen eklatanten Fällen immer wieder hochnotpeinlich zu MAHNEN. Und ja, das geht am besten und schnellsten GENAU HIER.

Lieber DAV, wann ist nun mit der Klärung zu rechnen?

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