Keine Snacks zwischendurch

Magensaftresistente Arzneimittel: Was Patienten beachten sollten

Stuttgart - 20.08.2019, 16:15 Uhr

Kann man eine Tabletten-Einnahme unmittelbar vor dem Frühstück als „nüchtern“ bezeichnen? Wohl eher nicht. Was gilt es bei magensaftresistenten Arzneiformen sonst noch zu beachten? ( r / Foto: felipecaparros / stock.adobe.com)

Kann man eine Tabletten-Einnahme unmittelbar vor dem Frühstück als „nüchtern“ bezeichnen? Wohl eher nicht. Was gilt es bei magensaftresistenten Arzneiformen sonst noch zu beachten? ( r / Foto: felipecaparros / stock.adobe.com)


Ob Diclofenac, Pantoprazol oder auch OTC-Arzneimittel wie Soledum, Gelomyrtol und Femi Loges – irgendwann kommen alle Apothekenmitarbeiter und wahrscheinlich auch viele Patienten mit magensaftresistent überzogenen Arzneiformen in Berührung. Doch damit diese Arzneimittel auch richtig wirken, sollten Patienten zwischen den Mahlzeiten ausreichend lange Pausen einhalten – darauf weist die ABDA in einer aktuellen Mitteilung hin. Was gilt es bei magensaftresistenten Arzneiformen sonst noch zu beachten?

„Jeder Snack zwischendurch verhindert die vollständige Entleerung des Magens – und damit, dass große magensaftresistente Arzneimittel den Magen verlassen können, der Wirkstoff sich danach im Dünndarm auflöst und ins Blut aufgenommen werden kann“, wird Prof. Dr. Rolf Daniels von der ABDA in einer aktuellen Pressemitteilung zu magensaftresistenten Arzneimitteln zitiert. Daniels lehrt Pharmazeutische Technologie an der Universität Tübingen und ist Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).

Wenn das Schmerzmittel unbeabsichtigt erst nachts wirkt

„Wenn ein Patient zum Beispiel mehrfach täglich ein magensaftresistentes Arzneimittel mit dem schmerzstillenden Wirkstoff Diclofenac einnimmt und über den Tag verteilt immer wieder Kleinigkeiten isst, dann verlassen diese Arzneimittel den Magen erst nachts. Folglich hilft das Diclofenac tagsüber nicht gegen Schmerzen. Einige Patienten nehmen dann mehr von einem solchen Arzneimittel ein als therapeutisch sinnvoll ist.“ Daniels empfiehlt daher, nach der Nüchtern-Einnahme von magensaftresistenten Arzneimitteln eine Pause von möglichst einer oder besser zwei Stunden einzuhalten: „Es reicht nicht, magensaftresistente Arzneimittel eine Stunde nach dem Essen oder morgens unmittelbar vor dem Frühstück einzunehmen. ‚Nüchtern‘ bedeutet pharmazeutisch mehrere Stunden nach der letzten Mahlzeit.“  

Mehr zum Thema

Wie sich die Freisetzung von Arzneistoffen modifizieren lässt

Schnell oder langsam

Beratungs-Quickie

Einfach nur schlucken?

Laut dem Technologie-Buch „Voigt“ verlassen perorale Darreichungsformen den Magen meistens nach 1/4-3 h. Vereinzelt kann sich die Verweildauer auf 8-10 h verlängern. Die Anforderungen an den Zerfall von magensaftresistenten Tabletten lauten außerdem: Kein Zerfall in 0,1 M HCl über 2 h, rascher Zerfall in Phosphatpuffer pH 6,8 innerhalb von 60 min. 

Bitte nicht zu warm

Nach einer Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) wurden im Jahr 2018 rund 38 Mio. Packungen magensaftresistente Fertigarzneimittel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen abgegeben, schreibt die ABDA. Bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden Verordnungen auf Privatrezept, Abgaben im Krankenhaus oder in der Selbstmedikation – magensaftresistente FAM sind also Praxisalltag.

DAZ.online hat deshalb zusätzlich zu den ABDA-Informationen ein wenig in den gängigen Technologiebüchern geblättert und zusammengestellt, was man sonst noch bei magensaftresistenten Arzneiformen beachten sollte:

Eine Frage, die gerade in diesem Sommer Apotheker immer wieder umgetrieben hat, ist: Wann und in welchem Ausmaß schadet Hitze welchen Arzneimitteln? Das Buch „Arzneiformen richtig anwenden“ von Wolfgang Kirchner (4. Auflage) verrät, dass gerade magensaftresistente Arzneiformen, nicht längerer Zeit erhöhten Aufbewahrungstemperaturen ausgesetzt werden dürfen. Sonst kann nämlich die chemische und mechanische Stabilität der Überzugsfilme ungünstig beeinflusst werden. So soll bei verschiedenen Fertigarzneimitteln eine mehrwöchige Aufbewahrung bei 30°C zu einem deutlich geänderten Freigabeverhalten geführt haben. Magensaftresistent überzogene Kapseln sollen dann anfälliger sein als Filmtabletten oder Dragees.

Mehr zum Thema

Zudem sind Hartkapseln mit säurebeständigem Überzug mechanisch recht empfindlich. Anders ist das bei Hartgelatinekapseln, deren Füllgut (befilmte Pellets) dünndarmlöslich formuliert wurde.

Bitte nicht teilen – gilt das immer?

Pharmazeuten wissen, magensaftresistente Arzneiformen gibt es aus zwei verschiedenen Gründen: Zum einen sollen sie die Magenschleimhaut vor aggressiven Wirkstoffen schützen (Diclofenac und andere NSAR), zum anderen sind sie aber auch essenziell dafür, dass magensaftempfindliche Wirkstoffe (Omeprazol und andere PPI) überhaupt wirken können. Denn dazu müssen diese ohne Kontakt mit dem Magensaft in den Dünndarm gelangen.

Mehr zum Thema

Deshalb müssen „monolithische“ magensaftresistente Arzneimittel unversehrt (ohne Teilen, Zerbeißen, Lutschen) geschluckt werden. Für Arzneiformen, in denen einzelne Pellets magensaftresistent überzogen sind, gilt das nicht. Diese zwar magensaftresistenten, aber multipartikulär formulierten Arzneimittel (Granulatpartikel, Pellets, Mikrotabletten) müssen auch nicht nüchtern eingenommen werden, weil sie gemeinsam mit dem Speisebrei aus dem Magen in den Dünndarm entleert werden (– dennoch gilt: nicht zerbeißen!).

Bitte nicht gleichzeitig: Antazida und Macrogole

Dass jemand, der Omeprazol einnimmt, eventuell auch Antazida anwendet, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Dann sollte man die Patienten darauf hinweisen, dass Antazida bei simultaner Gabe mit magensaftresistenten Arzneimitteln deren verfrühte Freisetzung im Magen herbeiführen können. 

Bei dem am häufigsten eingesetzten magensaftresistenten Filmbildner Eudragit™ L (Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymere) sollte man außerdem an unerwünschte Interaktionen mit Macrogolen denken: Sie können in Laxanzien oder als Hilfsstoffe zum Einsatz kommen und Eudragit™ L in seiner Säureresistenz einschränken.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Was bei magensaftresistenten Arzneiformen beachtet werden sollte

Gut geschützt

Wissenswertes rund ums Thema Sodbrennen

Es brennt

Über die Pharmakologie der Antazida, H2-Blocker und Protonenpumpenhemmer

Was tun, wenn es brennt?

Wie die Arzneimittelgabe über Ernährungssonden gelingt

Rohr frei

Praxiswissen zu Wirkungen, Nebenwirkungen und Interaktionen

PPI – wie war das noch?

8 Kommentare

Felix Maertin

von Dr Schweikert-Wehner am 22.08.2019 um 11:24 Uhr

Gut Herr Kollege, dann fragen Sie doch bitte mal den Autor, wie er große Medikamente definiert und wo der Unterschied zu Kleinen in der Magenpassage liegt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Einnahme

von Sven Larisch am 21.08.2019 um 10:20 Uhr

Ist die Definition von nüchtern Einnahme nicht auch :
".. mindestens 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit" ? dies ist für die meisten Patienten auch wesentlich einfacher in der Handhabung als " 2 Stunden nach dem Essen"
Patientencompliance erhöht.;.Medi wirkt besser.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Einnahme

von Felix Maertin am 21.08.2019 um 21:39 Uhr

Bedeutet in Ihren Fall:
Ich esse meine Schweinshaxe und nehme dann meine Tabletten. Warte dann 2-3 Stunden und schon wirkt es besser und die Compliance ist erhöht?
Ich muss ja quasi jeden Patienten der vom Arzt/Klinik kommt erstmal erklären, dass die Einnahme von PPI am Abend die Compliance ruiniert. Wer das morgens macht, brauch sie nicht um „vorher nix essen“ nicht zu kümmern. Und die Kephale Phase bei PPIs spielt eine wichtige Rolle!

Physiologie

von Dr Schweikert-Wehner am 21.08.2019 um 9:17 Uhr

Ja dass die vollständige Magenentleerung in Wellen verläuft stimmt schon, aber bei kleinen Snacks als Zwischenmahlzeit verändert sich auch der PH-Wert immer wieder, mit der Folge, dass der Überzug auflösbarer wird. Zudem sind die meisten Diclofenac-Präparate ohne magensaftresistenten Überzug und die Größe der Darreichungsformen ist schon aufgrund der Wirkstoffmenge eher Mittelgroß.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Physiologie

von Felix Maertin am 21.08.2019 um 21:35 Uhr

Ich kenne keine Tablette, die 2mm in irgendeine Richtung hat. 10x5mm sind ja schon klein, damit mind. 5x zu groß, um in den Dünndarm nach Nahrungsaufnahme zu wandern.

Studien, Zahlen?

von Dr. Schweikert-Wehner am 20.08.2019 um 17:55 Uhr

"dass große magensaftresistente Arzneimittel den Magen verlassen können"
klingt ja sehr theoretisch...
Das hätte ich gerne mal mit Daten, experimentellen Werten oder Studien belegt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Studien, Zahlen

von Fabian am 21.08.2019 um 7:51 Uhr

Physiologie

AW: Studien, Zahlen

von Felix Maertin am 21.08.2019 um 21:30 Uhr

Danke Fabian!
Ich steuere noch den passenden Text bei:
Ist der Magen leer, dauert es beispielsweise im Durchschnitt nur 10 bis 20 Minuten, bis eine Flüssigkeit wie Wasser den Magen passiert hat. Feste Nahrungspartikel können dagegen erst dann in den Dünndarm gelangen, wenn sie genügend zerkleinert wurden. Dazu müssen die Partikel kleiner als 2 Millimeter sein – in der Regel sind sie jedoch sogar kleiner als 0,25 Millimeter. Feste Nahrung bleibt im Allgemeinen ein bis fünf Stunden im Magen. Der Magen ist dadurch auch ein Art Zwischenspeicher für die Nahrung.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.